welche in Ministerial- und Behördensystem gegeben sind, das wahre Objekt der Verantwortlichkeit nicht auf dem Akt der Ausführung als solchem, sondern auf dem Befehl als der Verordnung beruht; denn diese soll den Geist der Gesetze enthalten, während jene das was wir die Natur der Dinge nennen möchten, vertreten soll. Auf diesen Punkten beruht die organische Stellung des Ministerialsystems als eines selbständigen Theiles des Amtsorganismus.
In gleicher Weise aber gehen aus dieser Stellung diejenigen Elemente hervor, welche ihrerseits den inneren Organismus des Ministerialsystems charakterisiren. Man muß davon ausgehen, daß die- selben nicht etwa willkürlich gemacht sind, sondern daß sie wirklichen Anforderungen der Aufgaben entsprechen, die jener Organismus durch seine Stellung zu lösen hat. Eben deßhalb ist es auch ganz natürlich, daß die Grundzüge des Ministerialsystems in allen Ländern mit Aus- nahme Englands wesentlich gleichartig sind; es ist in der That nicht so sehr die Reflektion als die einfache Wirkung der Natur des organischen Staatslebens in der staatsbürgerlichen Gesellschaft, welche dieß Resultat durch sich selbst hervorgebracht hat und stets unter gleichen Umständen in gleicher Weise hervorbringen wird. Jene Grundlagen des Ministerial- systems aber sind erstlich das einzelne Ministerium mit seinem Orga- nismus, zweitens die Eintheilung der Verwaltung in Ministerien, welche die Besonderheit der Verwaltungsaufgaben vertritt, und drittens die Einheit unter den Ministern, welche wir in der Form des Gesammt- ministeriums bezeichnen. Allerdings erscheinen auch hier charakteristische Verschiedenheiten; aber überblickt man die europäischen Zustände, so ist es kein Zweifel, daß wir hier mit den großen Grundformen einer ganzen Epoche der Geschichte der Verwaltung zu thun haben, mit derjenigen Epoche, welche eben auf dem Siege der staatsbürgerlichen Gesellschaft über die ständische Herrschaft beruht.
a) Das einzelne Ministerium. Das alte Collegialsystem. Wesen des Ministeriums. Elemente seiner Organisation. Ministerrecht.
Derjenige Organismus im Staate, den wir das einzelne Mini- sterium nennen, ist am meisten das charakteristische Kennzeichen der ver- fassungsmäßigen Verwaltung, und eben deßhalb im Großen und Ganzen ebenso leicht von den früheren Grundformen zu unterscheiden. als es leicht in seiner Funktion, seiner daraus entstehenden Organisation und seinem Rechte zu charakterisiren ist.
Die Vollziehung an sich fordert allerdings für jedes einzelne Lebensgebiet stets einen eigenen Organismus und hat einen solchen stets gehabt. Allein diese Lebensgebiete sind für den Staat eben nicht
welche in Miniſterial- und Behördenſyſtem gegeben ſind, das wahre Objekt der Verantwortlichkeit nicht auf dem Akt der Ausführung als ſolchem, ſondern auf dem Befehl als der Verordnung beruht; denn dieſe ſoll den Geiſt der Geſetze enthalten, während jene das was wir die Natur der Dinge nennen möchten, vertreten ſoll. Auf dieſen Punkten beruht die organiſche Stellung des Miniſterialſyſtems als eines ſelbſtändigen Theiles des Amtsorganismus.
In gleicher Weiſe aber gehen aus dieſer Stellung diejenigen Elemente hervor, welche ihrerſeits den inneren Organismus des Miniſterialſyſtems charakteriſiren. Man muß davon ausgehen, daß die- ſelben nicht etwa willkürlich gemacht ſind, ſondern daß ſie wirklichen Anforderungen der Aufgaben entſprechen, die jener Organismus durch ſeine Stellung zu löſen hat. Eben deßhalb iſt es auch ganz natürlich, daß die Grundzüge des Miniſterialſyſtems in allen Ländern mit Aus- nahme Englands weſentlich gleichartig ſind; es iſt in der That nicht ſo ſehr die Reflektion als die einfache Wirkung der Natur des organiſchen Staatslebens in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, welche dieß Reſultat durch ſich ſelbſt hervorgebracht hat und ſtets unter gleichen Umſtänden in gleicher Weiſe hervorbringen wird. Jene Grundlagen des Miniſterial- ſyſtems aber ſind erſtlich das einzelne Miniſterium mit ſeinem Orga- nismus, zweitens die Eintheilung der Verwaltung in Miniſterien, welche die Beſonderheit der Verwaltungsaufgaben vertritt, und drittens die Einheit unter den Miniſtern, welche wir in der Form des Geſammt- miniſteriums bezeichnen. Allerdings erſcheinen auch hier charakteriſtiſche Verſchiedenheiten; aber überblickt man die europäiſchen Zuſtände, ſo iſt es kein Zweifel, daß wir hier mit den großen Grundformen einer ganzen Epoche der Geſchichte der Verwaltung zu thun haben, mit derjenigen Epoche, welche eben auf dem Siege der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft über die ſtändiſche Herrſchaft beruht.
a) Das einzelne Miniſterium. Das alte Collegialſyſtem. Weſen des Miniſteriums. Elemente ſeiner Organiſation. Miniſterrecht.
Derjenige Organismus im Staate, den wir das einzelne Mini- ſterium nennen, iſt am meiſten das charakteriſtiſche Kennzeichen der ver- faſſungsmäßigen Verwaltung, und eben deßhalb im Großen und Ganzen ebenſo leicht von den früheren Grundformen zu unterſcheiden. als es leicht in ſeiner Funktion, ſeiner daraus entſtehenden Organiſation und ſeinem Rechte zu charakteriſiren iſt.
Die Vollziehung an ſich fordert allerdings für jedes einzelne Lebensgebiet ſtets einen eigenen Organismus und hat einen ſolchen ſtets gehabt. Allein dieſe Lebensgebiete ſind für den Staat eben nicht
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denn dieſe ſoll den Geiſt der Geſetze enthalten, während jene das was
wir die Natur der Dinge nennen möchten, vertreten ſoll. Auf dieſen
Punkten beruht die organiſche Stellung des Miniſterialſyſtems als
eines ſelbſtändigen Theiles des Amtsorganismus.
In gleicher Weiſe aber gehen aus dieſer Stellung diejenigen
Elemente hervor, welche ihrerſeits den inneren Organismus des
Miniſterialſyſtems charakteriſiren. Man muß davon ausgehen, daß die-
ſelben nicht etwa willkürlich gemacht ſind, ſondern daß ſie wirklichen
Anforderungen der Aufgaben entſprechen, die jener Organismus durch
ſeine Stellung zu löſen hat. Eben deßhalb iſt es auch ganz natürlich,
daß die Grundzüge des Miniſterialſyſtems in allen Ländern mit Aus-
nahme Englands weſentlich gleichartig ſind; es iſt in der That nicht ſo
ſehr die Reflektion als die einfache Wirkung der Natur des organiſchen
Staatslebens in der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, welche dieß Reſultat
durch ſich ſelbſt hervorgebracht hat und ſtets unter gleichen Umſtänden
in gleicher Weiſe hervorbringen wird. Jene Grundlagen des Miniſterial-
ſyſtems aber ſind erſtlich das einzelne Miniſterium mit ſeinem Orga-
nismus, zweitens die Eintheilung der Verwaltung in Miniſterien,
welche die Beſonderheit der Verwaltungsaufgaben vertritt, und drittens
die Einheit unter den Miniſtern, welche wir in der Form des Geſammt-
miniſteriums bezeichnen. Allerdings erſcheinen auch hier charakteriſtiſche
Verſchiedenheiten; aber überblickt man die europäiſchen Zuſtände, ſo iſt
es kein Zweifel, daß wir hier mit den großen Grundformen einer ganzen
Epoche der Geſchichte der Verwaltung zu thun haben, mit derjenigen
Epoche, welche eben auf dem Siege der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft
über die ſtändiſche Herrſchaft beruht.
a) Das einzelne Miniſterium. Das alte Collegialſyſtem. Weſen des Miniſteriums.
Elemente ſeiner Organiſation. Miniſterrecht.
Derjenige Organismus im Staate, den wir das einzelne Mini-
ſterium nennen, iſt am meiſten das charakteriſtiſche Kennzeichen der ver-
faſſungsmäßigen Verwaltung, und eben deßhalb im Großen und Ganzen
ebenſo leicht von den früheren Grundformen zu unterſcheiden. als es
leicht in ſeiner Funktion, ſeiner daraus entſtehenden Organiſation und
ſeinem Rechte zu charakteriſiren iſt.
Die Vollziehung an ſich fordert allerdings für jedes einzelne
Lebensgebiet ſtets einen eigenen Organismus und hat einen ſolchen
ſtets gehabt. Allein dieſe Lebensgebiete ſind für den Staat eben nicht
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/330>, abgerufen am 24.11.2024.
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