dem System der Collegien und der Räthe beruhen, die zwar zusammen einen Körper bilden, aber von denen jeder persönlich unter dem Landes- herrn steht. Hier ist eine organische Eintheilung schon an und für sich nicht möglich. Andererseits hängt die Vertheilung der wirklichen Ge- schäfte vom Landesherrn selbst ab; er wird sie nach den gegebenen An- lässen oder nach seiner Willkür einrichten. Sie wird daher stets zu- fällig oder willkürlich sein.
Eben so wenig wird hier eine feste Ordnung entstehen, wo die Epoche des souveränen Fürstenthums eintritt. Dasselbe kennt keine Ministerien, sondern nur Diener der Krone. Die absolute Natur dieser Epoche drängt vielmehr zur Aufstellung eines obersten, eines Premier- ministers, der alle Geschäfte in seiner Hand vereinigt. Die historische Eintheilung der Länder greift dann ihrerseits auch in der Verwaltung durch, und statt einer Ordnung nach den Aufgaben wird die Ordnung nach den Provinzen die Grundlage der Vertheilung der Geschäfte wer- den, so daß auch hier nur von einer historischen Gestalt und nicht von einem systematischen Ganzen die Rede sein kann.
Erst mit der verfassungsmäßigen Verwaltung tritt die organische Eintheilung der vollziehenden Gewalt als ein nothwendiges Correlat derselben auf. Die Nothwendigkeit, für alles was im Namen des Staats geschieht, persönlich einstehen zu müssen, erzwingt den Grundsatz, das Gleichartige, das von einem und demselben Willen beherrscht werden kann, als ein selbständiges Ganze zusammen zu fassen. Hier muß da- her das gesammte Gebiet des wirklichen Lebens in seine gleichartigen Grundverhältnisse aufgelöst und jedes derselben als ein selbständiger Zweig des Staatslebens hingestellt werden. Diese Eintheilung hat hier daher einen wesentlich andern Charakter als in den früheren Epochen. Sie ist nicht mehr eine Sache der Zweckmäßigkeit; sie ist eine noth- wendige Bedingung der verfassungsmäßigen Verwaltung; sie ist zur unabweisbaren Consequenz des Princips der Verantwortlichkeit geworden, und die systematische Eintheilung der Ministerien wird dadurch zu einem Grundsatz für die Verwirklichung einer jeden Verfassung.
Es folgt daraus, daß sie sich mit derselben auch in gleichem Schritte verwirklicht; und auf diesem Grundsatz beruht die Geschichte derselben. Das erklärt, warum in England, wo die Verfassung und die gesetzgebende Gewalt nur erst sehr langsam gegenüber der Selbstverwaltung zur Gel- tung gelangt ist, das Ministerialsystem noch in so vielen wesentlichen Punkten höchst unklar erscheint; es erklärt, weßhalb in Frankreich mit der Revolution die fertige Eintheilung der Ministerien in ihren, für das übrige Europa gültigen Grundformen gleichzeitig auftritt. Es erklärt endlich auch die besonderen Verhältnisse der deutschen Staaten und ihre
dem Syſtem der Collegien und der Räthe beruhen, die zwar zuſammen einen Körper bilden, aber von denen jeder perſönlich unter dem Landes- herrn ſteht. Hier iſt eine organiſche Eintheilung ſchon an und für ſich nicht möglich. Andererſeits hängt die Vertheilung der wirklichen Ge- ſchäfte vom Landesherrn ſelbſt ab; er wird ſie nach den gegebenen An- läſſen oder nach ſeiner Willkür einrichten. Sie wird daher ſtets zu- fällig oder willkürlich ſein.
Eben ſo wenig wird hier eine feſte Ordnung entſtehen, wo die Epoche des ſouveränen Fürſtenthums eintritt. Daſſelbe kennt keine Miniſterien, ſondern nur Diener der Krone. Die abſolute Natur dieſer Epoche drängt vielmehr zur Aufſtellung eines oberſten, eines Premier- miniſters, der alle Geſchäfte in ſeiner Hand vereinigt. Die hiſtoriſche Eintheilung der Länder greift dann ihrerſeits auch in der Verwaltung durch, und ſtatt einer Ordnung nach den Aufgaben wird die Ordnung nach den Provinzen die Grundlage der Vertheilung der Geſchäfte wer- den, ſo daß auch hier nur von einer hiſtoriſchen Geſtalt und nicht von einem ſyſtematiſchen Ganzen die Rede ſein kann.
Erſt mit der verfaſſungsmäßigen Verwaltung tritt die organiſche Eintheilung der vollziehenden Gewalt als ein nothwendiges Correlat derſelben auf. Die Nothwendigkeit, für alles was im Namen des Staats geſchieht, perſönlich einſtehen zu müſſen, erzwingt den Grundſatz, das Gleichartige, das von einem und demſelben Willen beherrſcht werden kann, als ein ſelbſtändiges Ganze zuſammen zu faſſen. Hier muß da- her das geſammte Gebiet des wirklichen Lebens in ſeine gleichartigen Grundverhältniſſe aufgelöst und jedes derſelben als ein ſelbſtändiger Zweig des Staatslebens hingeſtellt werden. Dieſe Eintheilung hat hier daher einen weſentlich andern Charakter als in den früheren Epochen. Sie iſt nicht mehr eine Sache der Zweckmäßigkeit; ſie iſt eine noth- wendige Bedingung der verfaſſungsmäßigen Verwaltung; ſie iſt zur unabweisbaren Conſequenz des Princips der Verantwortlichkeit geworden, und die ſyſtematiſche Eintheilung der Miniſterien wird dadurch zu einem Grundſatz für die Verwirklichung einer jeden Verfaſſung.
Es folgt daraus, daß ſie ſich mit derſelben auch in gleichem Schritte verwirklicht; und auf dieſem Grundſatz beruht die Geſchichte derſelben. Das erklärt, warum in England, wo die Verfaſſung und die geſetzgebende Gewalt nur erſt ſehr langſam gegenüber der Selbſtverwaltung zur Gel- tung gelangt iſt, das Miniſterialſyſtem noch in ſo vielen weſentlichen Punkten höchſt unklar erſcheint; es erklärt, weßhalb in Frankreich mit der Revolution die fertige Eintheilung der Miniſterien in ihren, für das übrige Europa gültigen Grundformen gleichzeitig auftritt. Es erklärt endlich auch die beſonderen Verhältniſſe der deutſchen Staaten und ihre
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><p><pbfacs="#f0336"n="312"/>
dem Syſtem der Collegien und der Räthe beruhen, die zwar zuſammen<lb/>
einen Körper bilden, aber von denen jeder perſönlich unter dem Landes-<lb/>
herrn ſteht. Hier iſt eine organiſche Eintheilung ſchon an und für ſich<lb/>
nicht möglich. Andererſeits hängt die Vertheilung der wirklichen Ge-<lb/>ſchäfte vom Landesherrn ſelbſt ab; er wird ſie nach den gegebenen An-<lb/>
läſſen oder nach ſeiner Willkür einrichten. Sie wird daher ſtets zu-<lb/>
fällig oder willkürlich ſein.</p><lb/><p>Eben ſo wenig wird hier eine feſte Ordnung entſtehen, wo die<lb/>
Epoche des ſouveränen Fürſtenthums eintritt. Daſſelbe kennt keine<lb/>
Miniſterien, ſondern nur Diener der Krone. Die abſolute Natur dieſer<lb/>
Epoche drängt vielmehr zur Aufſtellung eines oberſten, eines Premier-<lb/>
miniſters, der alle Geſchäfte in ſeiner Hand vereinigt. Die hiſtoriſche<lb/>
Eintheilung der Länder greift dann ihrerſeits auch in der Verwaltung<lb/>
durch, und ſtatt einer Ordnung nach den Aufgaben wird die Ordnung<lb/>
nach den Provinzen die Grundlage der Vertheilung der Geſchäfte wer-<lb/>
den, ſo daß auch hier nur von einer hiſtoriſchen Geſtalt und nicht von<lb/>
einem ſyſtematiſchen Ganzen die Rede ſein kann.</p><lb/><p>Erſt mit der verfaſſungsmäßigen Verwaltung tritt die organiſche<lb/>
Eintheilung der vollziehenden Gewalt als ein nothwendiges Correlat<lb/>
derſelben auf. Die Nothwendigkeit, für alles was im Namen des Staats<lb/>
geſchieht, perſönlich einſtehen zu müſſen, erzwingt den Grundſatz, das<lb/>
Gleichartige, das von einem und demſelben Willen beherrſcht werden<lb/>
kann, als ein ſelbſtändiges Ganze zuſammen zu faſſen. Hier muß da-<lb/>
her das geſammte Gebiet des wirklichen Lebens in ſeine gleichartigen<lb/>
Grundverhältniſſe aufgelöst und jedes derſelben als ein ſelbſtändiger<lb/>
Zweig des Staatslebens hingeſtellt werden. Dieſe Eintheilung hat hier<lb/>
daher einen weſentlich andern Charakter als in den früheren Epochen.<lb/>
Sie iſt nicht mehr eine Sache der Zweckmäßigkeit; ſie iſt eine noth-<lb/>
wendige Bedingung der verfaſſungsmäßigen Verwaltung; ſie iſt zur<lb/>
unabweisbaren Conſequenz des Princips der Verantwortlichkeit geworden,<lb/>
und die ſyſtematiſche Eintheilung der Miniſterien wird dadurch zu einem<lb/>
Grundſatz für die Verwirklichung einer jeden Verfaſſung.</p><lb/><p>Es folgt daraus, daß ſie ſich mit derſelben auch in gleichem Schritte<lb/>
verwirklicht; und auf dieſem Grundſatz beruht die Geſchichte derſelben.<lb/>
Das erklärt, warum in England, wo die Verfaſſung und die geſetzgebende<lb/>
Gewalt nur erſt ſehr langſam gegenüber der Selbſtverwaltung zur Gel-<lb/>
tung gelangt iſt, das Miniſterialſyſtem noch in ſo vielen weſentlichen<lb/>
Punkten höchſt unklar erſcheint; es erklärt, weßhalb in Frankreich mit<lb/>
der Revolution die fertige Eintheilung der Miniſterien in ihren, für das<lb/>
übrige Europa gültigen Grundformen gleichzeitig auftritt. Es erklärt<lb/>
endlich auch die beſonderen Verhältniſſe der deutſchen Staaten und ihre<lb/></p></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[312/0336]
dem Syſtem der Collegien und der Räthe beruhen, die zwar zuſammen
einen Körper bilden, aber von denen jeder perſönlich unter dem Landes-
herrn ſteht. Hier iſt eine organiſche Eintheilung ſchon an und für ſich
nicht möglich. Andererſeits hängt die Vertheilung der wirklichen Ge-
ſchäfte vom Landesherrn ſelbſt ab; er wird ſie nach den gegebenen An-
läſſen oder nach ſeiner Willkür einrichten. Sie wird daher ſtets zu-
fällig oder willkürlich ſein.
Eben ſo wenig wird hier eine feſte Ordnung entſtehen, wo die
Epoche des ſouveränen Fürſtenthums eintritt. Daſſelbe kennt keine
Miniſterien, ſondern nur Diener der Krone. Die abſolute Natur dieſer
Epoche drängt vielmehr zur Aufſtellung eines oberſten, eines Premier-
miniſters, der alle Geſchäfte in ſeiner Hand vereinigt. Die hiſtoriſche
Eintheilung der Länder greift dann ihrerſeits auch in der Verwaltung
durch, und ſtatt einer Ordnung nach den Aufgaben wird die Ordnung
nach den Provinzen die Grundlage der Vertheilung der Geſchäfte wer-
den, ſo daß auch hier nur von einer hiſtoriſchen Geſtalt und nicht von
einem ſyſtematiſchen Ganzen die Rede ſein kann.
Erſt mit der verfaſſungsmäßigen Verwaltung tritt die organiſche
Eintheilung der vollziehenden Gewalt als ein nothwendiges Correlat
derſelben auf. Die Nothwendigkeit, für alles was im Namen des Staats
geſchieht, perſönlich einſtehen zu müſſen, erzwingt den Grundſatz, das
Gleichartige, das von einem und demſelben Willen beherrſcht werden
kann, als ein ſelbſtändiges Ganze zuſammen zu faſſen. Hier muß da-
her das geſammte Gebiet des wirklichen Lebens in ſeine gleichartigen
Grundverhältniſſe aufgelöst und jedes derſelben als ein ſelbſtändiger
Zweig des Staatslebens hingeſtellt werden. Dieſe Eintheilung hat hier
daher einen weſentlich andern Charakter als in den früheren Epochen.
Sie iſt nicht mehr eine Sache der Zweckmäßigkeit; ſie iſt eine noth-
wendige Bedingung der verfaſſungsmäßigen Verwaltung; ſie iſt zur
unabweisbaren Conſequenz des Princips der Verantwortlichkeit geworden,
und die ſyſtematiſche Eintheilung der Miniſterien wird dadurch zu einem
Grundſatz für die Verwirklichung einer jeden Verfaſſung.
Es folgt daraus, daß ſie ſich mit derſelben auch in gleichem Schritte
verwirklicht; und auf dieſem Grundſatz beruht die Geſchichte derſelben.
Das erklärt, warum in England, wo die Verfaſſung und die geſetzgebende
Gewalt nur erſt ſehr langſam gegenüber der Selbſtverwaltung zur Gel-
tung gelangt iſt, das Miniſterialſyſtem noch in ſo vielen weſentlichen
Punkten höchſt unklar erſcheint; es erklärt, weßhalb in Frankreich mit
der Revolution die fertige Eintheilung der Miniſterien in ihren, für das
übrige Europa gültigen Grundformen gleichzeitig auftritt. Es erklärt
endlich auch die beſonderen Verhältniſſe der deutſchen Staaten und ihre
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 312. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/336>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.