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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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sich unterordnen. Wie und bis zu welchem Grade dieß alles geschieht,
darüber entscheidet die geographische Gestalt des Landes; Natur und
persönliches Leben gehen auch hier Hand in Hand.

Anders gestaltet sich das alles in gebirgigen Ländern. Hier ist
die Dichtigkeit der Bevölkerung niemals eine große, und daher die
Ausbildung der Verwaltungsaufgaben, mithin auch die des Verwaltungs-
organismus, eine einfachere. Wie das Leben selbst, hat hier die Ver-
waltung den Charakter des Oertlichen. Sie muß ihre Aufgabe nach
den enger begränzten Verhältnissen richten; viele derselben fallen ohnehin
fort; die Forderungen, welche sie stellt, werden durch die natürlichen
Hindernisse des Bodens modificirt, und im Allgemeinen hat der Orga-
nismus der Verwaltung hier daher viel weniger Organe nöthig, während
zugleich in denselben viel mehr Aufgaben verbunden sind. Das letztere
ist wieder dadurch möglich, daß der einzelne Bewohner, selbst örtlich
auf sich angewiesen, theils weniger vom Gesammtleben berührt wird,
theils sich selber zu helfen versteht. Und eben darum wieder ist auch
das Maß, in welchem der Organismus der Verwaltung eingreift, hier
weit geringer; das Amt verliert selbst da, wo es zu vollziehen hat,
einen Theil seiner exekutiven Gewalt, und wie das Verständniß des
Gesammtlebens bei dem Einzelnen geringer ist, so bedarf es bei dem
Organe der Verwaltung hier auch nicht so sehr der theoretischen Bildung,
als der Fähigkeit, die Individuen richtig zu behandeln; wie denn auch
dort die letztere weit höher geschätzt wird, und der Einfluß des Organes
weit mehr mit dieser als mit jener steigt. Dabei sind die Arten der
Gebirge je nach ihrem Verhältniß zur Produktion wieder sehr verschieden,
und zwar je nachdem sie sich zur Urproduktion (Bergbau) oder zu
den einzelnen Arten der landwirthschaftlichen Produktion mehr eignen.
Die Produktionskarte ist neben der Höhenkarte die Basis der Vertheilung
der Verwaltungsorgane.

Daß nun endlich, wenn Gebirge und Ebene zusammentreffen, im
Allgemeinen die Ebene das Gebirge beherrscht, bedarf keiner weiteren
Entwicklung. Es möge nur noch bemerkt werden, daß die Funktion
eines Verwaltungsorganes naturgemäß selten einen Bergrücken über-
steigt, während sie in auslaufenden Thälern bis zum Ende derselben
sich zu erstrecken pflegt.

Während auf diese Weise der Begriff des Lebens mit den an sich
gegebenen Aufgaben der Verwaltung den Organismus in seiner innern
Eintheilung, das Land mit seinen örtlichen Verhältnissen denselben in
seiner äußern Vertheilung bedingt, ist der Einfluß des Volkes nur
sehr allgemein zu fassen. Wenn wir unter dem Begriffe der Gesittung
in Beziehung auf die Verwaltung etwas Bestimmtes verstehen wollen,

ſich unterordnen. Wie und bis zu welchem Grade dieß alles geſchieht,
darüber entſcheidet die geographiſche Geſtalt des Landes; Natur und
perſönliches Leben gehen auch hier Hand in Hand.

Anders geſtaltet ſich das alles in gebirgigen Ländern. Hier iſt
die Dichtigkeit der Bevölkerung niemals eine große, und daher die
Ausbildung der Verwaltungsaufgaben, mithin auch die des Verwaltungs-
organismus, eine einfachere. Wie das Leben ſelbſt, hat hier die Ver-
waltung den Charakter des Oertlichen. Sie muß ihre Aufgabe nach
den enger begränzten Verhältniſſen richten; viele derſelben fallen ohnehin
fort; die Forderungen, welche ſie ſtellt, werden durch die natürlichen
Hinderniſſe des Bodens modificirt, und im Allgemeinen hat der Orga-
nismus der Verwaltung hier daher viel weniger Organe nöthig, während
zugleich in denſelben viel mehr Aufgaben verbunden ſind. Das letztere
iſt wieder dadurch möglich, daß der einzelne Bewohner, ſelbſt örtlich
auf ſich angewieſen, theils weniger vom Geſammtleben berührt wird,
theils ſich ſelber zu helfen verſteht. Und eben darum wieder iſt auch
das Maß, in welchem der Organismus der Verwaltung eingreift, hier
weit geringer; das Amt verliert ſelbſt da, wo es zu vollziehen hat,
einen Theil ſeiner exekutiven Gewalt, und wie das Verſtändniß des
Geſammtlebens bei dem Einzelnen geringer iſt, ſo bedarf es bei dem
Organe der Verwaltung hier auch nicht ſo ſehr der theoretiſchen Bildung,
als der Fähigkeit, die Individuen richtig zu behandeln; wie denn auch
dort die letztere weit höher geſchätzt wird, und der Einfluß des Organes
weit mehr mit dieſer als mit jener ſteigt. Dabei ſind die Arten der
Gebirge je nach ihrem Verhältniß zur Produktion wieder ſehr verſchieden,
und zwar je nachdem ſie ſich zur Urproduktion (Bergbau) oder zu
den einzelnen Arten der landwirthſchaftlichen Produktion mehr eignen.
Die Produktionskarte iſt neben der Höhenkarte die Baſis der Vertheilung
der Verwaltungsorgane.

Daß nun endlich, wenn Gebirge und Ebene zuſammentreffen, im
Allgemeinen die Ebene das Gebirge beherrſcht, bedarf keiner weiteren
Entwicklung. Es möge nur noch bemerkt werden, daß die Funktion
eines Verwaltungsorganes naturgemäß ſelten einen Bergrücken über-
ſteigt, während ſie in auslaufenden Thälern bis zum Ende derſelben
ſich zu erſtrecken pflegt.

Während auf dieſe Weiſe der Begriff des Lebens mit den an ſich
gegebenen Aufgaben der Verwaltung den Organismus in ſeiner innern
Eintheilung, das Land mit ſeinen örtlichen Verhältniſſen denſelben in
ſeiner äußern Vertheilung bedingt, iſt der Einfluß des Volkes nur
ſehr allgemein zu faſſen. Wenn wir unter dem Begriffe der Geſittung
in Beziehung auf die Verwaltung etwas Beſtimmtes verſtehen wollen,

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[340/0364] ſich unterordnen. Wie und bis zu welchem Grade dieß alles geſchieht, darüber entſcheidet die geographiſche Geſtalt des Landes; Natur und perſönliches Leben gehen auch hier Hand in Hand. Anders geſtaltet ſich das alles in gebirgigen Ländern. Hier iſt die Dichtigkeit der Bevölkerung niemals eine große, und daher die Ausbildung der Verwaltungsaufgaben, mithin auch die des Verwaltungs- organismus, eine einfachere. Wie das Leben ſelbſt, hat hier die Ver- waltung den Charakter des Oertlichen. Sie muß ihre Aufgabe nach den enger begränzten Verhältniſſen richten; viele derſelben fallen ohnehin fort; die Forderungen, welche ſie ſtellt, werden durch die natürlichen Hinderniſſe des Bodens modificirt, und im Allgemeinen hat der Orga- nismus der Verwaltung hier daher viel weniger Organe nöthig, während zugleich in denſelben viel mehr Aufgaben verbunden ſind. Das letztere iſt wieder dadurch möglich, daß der einzelne Bewohner, ſelbſt örtlich auf ſich angewieſen, theils weniger vom Geſammtleben berührt wird, theils ſich ſelber zu helfen verſteht. Und eben darum wieder iſt auch das Maß, in welchem der Organismus der Verwaltung eingreift, hier weit geringer; das Amt verliert ſelbſt da, wo es zu vollziehen hat, einen Theil ſeiner exekutiven Gewalt, und wie das Verſtändniß des Geſammtlebens bei dem Einzelnen geringer iſt, ſo bedarf es bei dem Organe der Verwaltung hier auch nicht ſo ſehr der theoretiſchen Bildung, als der Fähigkeit, die Individuen richtig zu behandeln; wie denn auch dort die letztere weit höher geſchätzt wird, und der Einfluß des Organes weit mehr mit dieſer als mit jener ſteigt. Dabei ſind die Arten der Gebirge je nach ihrem Verhältniß zur Produktion wieder ſehr verſchieden, und zwar je nachdem ſie ſich zur Urproduktion (Bergbau) oder zu den einzelnen Arten der landwirthſchaftlichen Produktion mehr eignen. Die Produktionskarte iſt neben der Höhenkarte die Baſis der Vertheilung der Verwaltungsorgane. Daß nun endlich, wenn Gebirge und Ebene zuſammentreffen, im Allgemeinen die Ebene das Gebirge beherrſcht, bedarf keiner weiteren Entwicklung. Es möge nur noch bemerkt werden, daß die Funktion eines Verwaltungsorganes naturgemäß ſelten einen Bergrücken über- ſteigt, während ſie in auslaufenden Thälern bis zum Ende derſelben ſich zu erſtrecken pflegt. Während auf dieſe Weiſe der Begriff des Lebens mit den an ſich gegebenen Aufgaben der Verwaltung den Organismus in ſeiner innern Eintheilung, das Land mit ſeinen örtlichen Verhältniſſen denſelben in ſeiner äußern Vertheilung bedingt, iſt der Einfluß des Volkes nur ſehr allgemein zu faſſen. Wenn wir unter dem Begriffe der Geſittung in Beziehung auf die Verwaltung etwas Beſtimmtes verſtehen wollen,

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/364>, abgerufen am 22.11.2024.