darin, daß seine individuellen Rechte den Charakter von Standesrechten haben; sie sind ein Gemeingut aller Beamteten, und obwohl dem Grade und Umfang nach, doch dem Wesen nach nicht verschieden; jede Siche- rung derselben ist eine Sicherung des ganzen Beamtenstandes, jede Bedrohung des Rechts eines Einzelnen ist eine Bedrohung des Rechts aller Beamteten, eine Gefährdung des für alle gültigen Rechtsprincips, und damit im Grunde eine Erschütterung des Princips der Verwaltung der staatsbürgerlichen Gesellschaft überhaupt. Daher ist es gekommen, daß mit der verfassungsmäßigen Verwaltung die Frage nach dem Rechte der Beamteten zu einer so wichtigen und allgemeinen, und daß die Bestimmung dieses Rechts ein Theil der Verfassungen geworden ist, während das frühere Jahrhundert weder daran dachte noch daran denken konnte. Daher ferner hat die staatsbürgerliche Gesellschaft auch jenem ethischen Element im Staatsdienerthum seinen Ausdruck in einem ge- meinsamen Standesbewußtsein gegeben, das wiederum die Forderung an den einzelnen Beamteten erzeugt, sein individuelles Leben der Würde des Standes, dem er angehört, gemäß zu erhalten, und diese For- derung, in dem Wesen der Sache liegend, hat sich selbst zu einem eigenen Rechtsverhältniß (dem Disciplinarrechte) gestaltet. Daher ist die natür- liche Forderung, daß der Staatsdiener als Vertreter der höheren In- teressen eine höhere Bildung haben müsse, welche ihm eben Verständniß und Vertretung derselben möglich macht, zu einer gesetzlich ausgesprochenen Bedingung geworden, und daher ist die Frage nach der Entlassung der Beamteten eine so ernste, weil sie in dem Rechte der Entlassung die Frage enthält, wer über das Dasein und den Mangel der berufs- mäßigen, von jeder persönlichen Willkür unabhängigen Amtsführung zu entscheiden habe. In diesem Sinne ist es, daß wir von einem System des Staatsdienerrechts gesprochen haben, das sich innerlich consequent aus Einem Grundgedanken entwickelt; und in diesem Sinne muß auch dieß System als ein organischer Theil der Verwaltung und des Verwaltungsrechts betrachtet werden.
Demgemäß zerfällt die Darstellung dieses Rechts in drei Theile. Die Anstellung der Staatsdiener enthält die berufsmäßigen Bedingungen der Uebernahme des Amts; die Pflichten enthalten das Verhältniß des Staatsdieners als Theil des Staats und als Glied eines Standes; die Rechte endlich enthalten die Bedingungen der persönlichen und wirth- schaftlichen Selbständigkeit des Beamteten in seinem Amte und vermöge desselben.
In diesem innigen Zusammenhang der Staatsidee und des Staats- dienerthums ist es nun klar, daß dieß Recht des letzteren nicht bloß ein sehr verschiedenes in den verschiedenen Ländern Europas ist, sodnern
darin, daß ſeine individuellen Rechte den Charakter von Standesrechten haben; ſie ſind ein Gemeingut aller Beamteten, und obwohl dem Grade und Umfang nach, doch dem Weſen nach nicht verſchieden; jede Siche- rung derſelben iſt eine Sicherung des ganzen Beamtenſtandes, jede Bedrohung des Rechts eines Einzelnen iſt eine Bedrohung des Rechts aller Beamteten, eine Gefährdung des für alle gültigen Rechtsprincips, und damit im Grunde eine Erſchütterung des Princips der Verwaltung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft überhaupt. Daher iſt es gekommen, daß mit der verfaſſungsmäßigen Verwaltung die Frage nach dem Rechte der Beamteten zu einer ſo wichtigen und allgemeinen, und daß die Beſtimmung dieſes Rechts ein Theil der Verfaſſungen geworden iſt, während das frühere Jahrhundert weder daran dachte noch daran denken konnte. Daher ferner hat die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft auch jenem ethiſchen Element im Staatsdienerthum ſeinen Ausdruck in einem ge- meinſamen Standesbewußtſein gegeben, das wiederum die Forderung an den einzelnen Beamteten erzeugt, ſein individuelles Leben der Würde des Standes, dem er angehört, gemäß zu erhalten, und dieſe For- derung, in dem Weſen der Sache liegend, hat ſich ſelbſt zu einem eigenen Rechtsverhältniß (dem Disciplinarrechte) geſtaltet. Daher iſt die natür- liche Forderung, daß der Staatsdiener als Vertreter der höheren In- tereſſen eine höhere Bildung haben müſſe, welche ihm eben Verſtändniß und Vertretung derſelben möglich macht, zu einer geſetzlich ausgeſprochenen Bedingung geworden, und daher iſt die Frage nach der Entlaſſung der Beamteten eine ſo ernſte, weil ſie in dem Rechte der Entlaſſung die Frage enthält, wer über das Daſein und den Mangel der berufs- mäßigen, von jeder perſönlichen Willkür unabhängigen Amtsführung zu entſcheiden habe. In dieſem Sinne iſt es, daß wir von einem Syſtem des Staatsdienerrechts geſprochen haben, das ſich innerlich conſequent aus Einem Grundgedanken entwickelt; und in dieſem Sinne muß auch dieß Syſtem als ein organiſcher Theil der Verwaltung und des Verwaltungsrechts betrachtet werden.
Demgemäß zerfällt die Darſtellung dieſes Rechts in drei Theile. Die Anſtellung der Staatsdiener enthält die berufsmäßigen Bedingungen der Uebernahme des Amts; die Pflichten enthalten das Verhältniß des Staatsdieners als Theil des Staats und als Glied eines Standes; die Rechte endlich enthalten die Bedingungen der perſönlichen und wirth- ſchaftlichen Selbſtändigkeit des Beamteten in ſeinem Amte und vermöge deſſelben.
In dieſem innigen Zuſammenhang der Staatsidee und des Staats- dienerthums iſt es nun klar, daß dieß Recht des letzteren nicht bloß ein ſehr verſchiedenes in den verſchiedenen Ländern Europas iſt, ſodnern
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darin, daß ſeine individuellen Rechte den Charakter von Standesrechten
haben; ſie ſind ein Gemeingut aller Beamteten, und obwohl dem Grade
und Umfang nach, doch dem Weſen nach nicht verſchieden; jede Siche-
rung derſelben iſt eine Sicherung des ganzen Beamtenſtandes, jede
Bedrohung des Rechts eines Einzelnen iſt eine Bedrohung des Rechts
aller Beamteten, eine Gefährdung des für alle gültigen Rechtsprincips,
und damit im Grunde eine Erſchütterung des Princips der Verwaltung
der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft überhaupt. Daher iſt es gekommen,
daß mit der verfaſſungsmäßigen Verwaltung die Frage nach dem Rechte
der Beamteten zu einer ſo wichtigen und allgemeinen, und daß die
Beſtimmung dieſes Rechts ein Theil der Verfaſſungen geworden iſt,
während das frühere Jahrhundert weder daran dachte noch daran denken
konnte. Daher ferner hat die ſtaatsbürgerliche Geſellſchaft auch jenem
ethiſchen Element im Staatsdienerthum ſeinen Ausdruck in einem ge-
meinſamen Standesbewußtſein gegeben, das wiederum die Forderung
an den einzelnen Beamteten erzeugt, ſein individuelles Leben der Würde
des Standes, dem er angehört, gemäß zu erhalten, und dieſe For-
derung, in dem Weſen der Sache liegend, hat ſich ſelbſt zu einem eigenen
Rechtsverhältniß (dem Disciplinarrechte) geſtaltet. Daher iſt die natür-
liche Forderung, daß der Staatsdiener als Vertreter der höheren In-
tereſſen eine höhere Bildung haben müſſe, welche ihm eben Verſtändniß
und Vertretung derſelben möglich macht, zu einer geſetzlich ausgeſprochenen
Bedingung geworden, und daher iſt die Frage nach der Entlaſſung der
Beamteten eine ſo ernſte, weil ſie in dem Rechte der Entlaſſung die
Frage enthält, wer über das Daſein und den Mangel der berufs-
mäßigen, von jeder perſönlichen Willkür unabhängigen Amtsführung
zu entſcheiden habe. In dieſem Sinne iſt es, daß wir von einem
Syſtem des Staatsdienerrechts geſprochen haben, das ſich innerlich
conſequent aus Einem Grundgedanken entwickelt; und in dieſem Sinne
muß auch dieß Syſtem als ein organiſcher Theil der Verwaltung und
des Verwaltungsrechts betrachtet werden.
Demgemäß zerfällt die Darſtellung dieſes Rechts in drei Theile. Die
Anſtellung der Staatsdiener enthält die berufsmäßigen Bedingungen
der Uebernahme des Amts; die Pflichten enthalten das Verhältniß
des Staatsdieners als Theil des Staats und als Glied eines Standes;
die Rechte endlich enthalten die Bedingungen der perſönlichen und wirth-
ſchaftlichen Selbſtändigkeit des Beamteten in ſeinem Amte und vermöge
deſſelben.
In dieſem innigen Zuſammenhang der Staatsidee und des Staats-
dienerthums iſt es nun klar, daß dieß Recht des letzteren nicht bloß ein
ſehr verſchiedenes in den verſchiedenen Ländern Europas iſt, ſodnern
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/370>, abgerufen am 22.11.2024.
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