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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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Neben diesem Princip hat nun die Verantwortlichkeit im Ministerial-
system, welche aus der verfassungsmäßigen Verwaltung hervorgeht, das
Recht der höchsten Verwaltungsbehörde erzeugt, einseitig die wirkliche
Amtsführung des Beamteten zu sistiren, und zwar als Versetzung
(Verfügbarkeit, Disponibilität) aus allgemeinen organisatorischen,
oder als Suspension aus persönlichen Gründen. Es ist ohne dieß
Recht keine Verantwortlichkeit möglich; dagegen ist kein Grund vor-
handen, weßhalb nicht gegen solche Maßregeln ein Recurs der betreffenden
Beamteten an den Staatsrath zugelassen werden sollte. Ebenso muß
eine Versetzung vollkommen frei stehen, jedoch unter der Voraus-
setzung, daß sie weder die amtliche noch die wirthschaftliche Stellung
des Beamteten beeinträchtigt. Endlich hebt die Verantwortlichkeit den
Grundsatz der Beförderung nach dem Dienstalter als objektiv gültigen
auf; seine natürliche Geltung wird ihm ohnehin durch die Natur der
Sache werden.

Das zweite Gebiet des Staatsdienerrechts umfaßt die persönlichen
Lebensverhältnisse des Staatsdieners, und zerfällt daher in die zwei Gruppen
des gesellschaftlichen und des wirthschaftlichen Staatsdienerrechts.

Das gesellschaftliche Staatsdienerrecht enthält das persönliche
Recht des Beamteten auf die standesmäßige Ehre des Amts über-
haupt, die dem Einzelnen gegenüber zur Geltung kommt, und zweitens
auf den Rang des Amts oder das Maß und die Form der Ehre,
welche dem einzelnen Amt in der Hierarchie der Aemter zusteht, sowie
auf die Symbole desselben. Das Gesetz, welches dieß letztere normirt,
ist die Rangordnung. Sie hat ihre Geschichte. Erst in der staats-
bürgerlichen Gesellschaft waren alle Elemente derselben als Modalitäten
derselben Grundlage der bürgerlichen Gleichheit statt der ständischen
und der amtlichen Ordnungen der Gesellschaft in eine und dieselbe
Rangordnung hineinzufügen, was natürlich nur auf einer gemein-
schaftlichen Basis geschehen konnte. Als diese nahm man nun in
einigen Ländern die mechanische Hierarchie des Militärwesens, indem
alle gesellschaftlichen Unterschiede auf militärische Grade reducirt wur-
den, in anderen die wirthschaftlichen Unterschiede der Diäten (Diäten-
klassen). Der letzte Theil der Verwaltungslehre hat zu seiner Aufgabe,
dieß genauer darzulegen. Das gesellschaftliche Recht des Staatsdieners
ist in diesem Sinne ein unbestrittenes.

Das wirthschaftliche Staatsdienerrecht beruht darauf, daß die
Erfüllung des Lebensberufes ohne Rücksicht auf die einzelnen Thätig-
keiten des Beamteten demselben eine, seiner gesellschaftlichen Stellung
entsprechende wirthschaftliche Existenz sichern muß. Diese Existenz wird
ihm geboten durch das Gehalt. Die Geschichte des Gehalts geht

Neben dieſem Princip hat nun die Verantwortlichkeit im Miniſterial-
ſyſtem, welche aus der verfaſſungsmäßigen Verwaltung hervorgeht, das
Recht der höchſten Verwaltungsbehörde erzeugt, einſeitig die wirkliche
Amtsführung des Beamteten zu ſiſtiren, und zwar als Verſetzung
(Verfügbarkeit, Disponibilität) aus allgemeinen organiſatoriſchen,
oder als Suspenſion aus perſönlichen Gründen. Es iſt ohne dieß
Recht keine Verantwortlichkeit möglich; dagegen iſt kein Grund vor-
handen, weßhalb nicht gegen ſolche Maßregeln ein Recurs der betreffenden
Beamteten an den Staatsrath zugelaſſen werden ſollte. Ebenſo muß
eine Verſetzung vollkommen frei ſtehen, jedoch unter der Voraus-
ſetzung, daß ſie weder die amtliche noch die wirthſchaftliche Stellung
des Beamteten beeinträchtigt. Endlich hebt die Verantwortlichkeit den
Grundſatz der Beförderung nach dem Dienſtalter als objektiv gültigen
auf; ſeine natürliche Geltung wird ihm ohnehin durch die Natur der
Sache werden.

Das zweite Gebiet des Staatsdienerrechts umfaßt die perſönlichen
Lebensverhältniſſe des Staatsdieners, und zerfällt daher in die zwei Gruppen
des geſellſchaftlichen und des wirthſchaftlichen Staatsdienerrechts.

Das geſellſchaftliche Staatsdienerrecht enthält das perſönliche
Recht des Beamteten auf die ſtandesmäßige Ehre des Amts über-
haupt, die dem Einzelnen gegenüber zur Geltung kommt, und zweitens
auf den Rang des Amts oder das Maß und die Form der Ehre,
welche dem einzelnen Amt in der Hierarchie der Aemter zuſteht, ſowie
auf die Symbole deſſelben. Das Geſetz, welches dieß letztere normirt,
iſt die Rangordnung. Sie hat ihre Geſchichte. Erſt in der ſtaats-
bürgerlichen Geſellſchaft waren alle Elemente derſelben als Modalitäten
derſelben Grundlage der bürgerlichen Gleichheit ſtatt der ſtändiſchen
und der amtlichen Ordnungen der Geſellſchaft in eine und dieſelbe
Rangordnung hineinzufügen, was natürlich nur auf einer gemein-
ſchaftlichen Baſis geſchehen konnte. Als dieſe nahm man nun in
einigen Ländern die mechaniſche Hierarchie des Militärweſens, indem
alle geſellſchaftlichen Unterſchiede auf militäriſche Grade reducirt wur-
den, in anderen die wirthſchaftlichen Unterſchiede der Diäten (Diäten-
klaſſen). Der letzte Theil der Verwaltungslehre hat zu ſeiner Aufgabe,
dieß genauer darzulegen. Das geſellſchaftliche Recht des Staatsdieners
iſt in dieſem Sinne ein unbeſtrittenes.

Das wirthſchaftliche Staatsdienerrecht beruht darauf, daß die
Erfüllung des Lebensberufes ohne Rückſicht auf die einzelnen Thätig-
keiten des Beamteten demſelben eine, ſeiner geſellſchaftlichen Stellung
entſprechende wirthſchaftliche Exiſtenz ſichern muß. Dieſe Exiſtenz wird
ihm geboten durch das Gehalt. Die Geſchichte des Gehalts geht

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[360/0384] Neben dieſem Princip hat nun die Verantwortlichkeit im Miniſterial- ſyſtem, welche aus der verfaſſungsmäßigen Verwaltung hervorgeht, das Recht der höchſten Verwaltungsbehörde erzeugt, einſeitig die wirkliche Amtsführung des Beamteten zu ſiſtiren, und zwar als Verſetzung (Verfügbarkeit, Disponibilität) aus allgemeinen organiſatoriſchen, oder als Suspenſion aus perſönlichen Gründen. Es iſt ohne dieß Recht keine Verantwortlichkeit möglich; dagegen iſt kein Grund vor- handen, weßhalb nicht gegen ſolche Maßregeln ein Recurs der betreffenden Beamteten an den Staatsrath zugelaſſen werden ſollte. Ebenſo muß eine Verſetzung vollkommen frei ſtehen, jedoch unter der Voraus- ſetzung, daß ſie weder die amtliche noch die wirthſchaftliche Stellung des Beamteten beeinträchtigt. Endlich hebt die Verantwortlichkeit den Grundſatz der Beförderung nach dem Dienſtalter als objektiv gültigen auf; ſeine natürliche Geltung wird ihm ohnehin durch die Natur der Sache werden. Das zweite Gebiet des Staatsdienerrechts umfaßt die perſönlichen Lebensverhältniſſe des Staatsdieners, und zerfällt daher in die zwei Gruppen des geſellſchaftlichen und des wirthſchaftlichen Staatsdienerrechts. Das geſellſchaftliche Staatsdienerrecht enthält das perſönliche Recht des Beamteten auf die ſtandesmäßige Ehre des Amts über- haupt, die dem Einzelnen gegenüber zur Geltung kommt, und zweitens auf den Rang des Amts oder das Maß und die Form der Ehre, welche dem einzelnen Amt in der Hierarchie der Aemter zuſteht, ſowie auf die Symbole deſſelben. Das Geſetz, welches dieß letztere normirt, iſt die Rangordnung. Sie hat ihre Geſchichte. Erſt in der ſtaats- bürgerlichen Geſellſchaft waren alle Elemente derſelben als Modalitäten derſelben Grundlage der bürgerlichen Gleichheit ſtatt der ſtändiſchen und der amtlichen Ordnungen der Geſellſchaft in eine und dieſelbe Rangordnung hineinzufügen, was natürlich nur auf einer gemein- ſchaftlichen Baſis geſchehen konnte. Als dieſe nahm man nun in einigen Ländern die mechaniſche Hierarchie des Militärweſens, indem alle geſellſchaftlichen Unterſchiede auf militäriſche Grade reducirt wur- den, in anderen die wirthſchaftlichen Unterſchiede der Diäten (Diäten- klaſſen). Der letzte Theil der Verwaltungslehre hat zu ſeiner Aufgabe, dieß genauer darzulegen. Das geſellſchaftliche Recht des Staatsdieners iſt in dieſem Sinne ein unbeſtrittenes. Das wirthſchaftliche Staatsdienerrecht beruht darauf, daß die Erfüllung des Lebensberufes ohne Rückſicht auf die einzelnen Thätig- keiten des Beamteten demſelben eine, ſeiner geſellſchaftlichen Stellung entſprechende wirthſchaftliche Exiſtenz ſichern muß. Dieſe Exiſtenz wird ihm geboten durch das Gehalt. Die Geſchichte des Gehalts geht

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/384>, abgerufen am 22.11.2024.