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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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verwechseln, und so die natürlichen und unauslöschbaren Gegensätze der
Interessen, welche eben in dem Begriffe des Staats in harmonischer Ein-
heit aufgehoben sind, in der Volksvertretung wieder herzustellen. Eine
Interessenvertretung ist nur da kein Widerspruch, wo durch die Thä-
tigkeit des Staats nicht mehr das Ganze, sondern eben die bestimmten
Interessen berührt werden, und das ist der Fall gerade in dem Gebiete
der Verordnungen. Nur für die Verwaltung gibt es daher eine Interessen-
vertretung, nicht für die Gesetzgebung, und diese wieder findet statt
in den Kammern. Es ist daher ganz naturgemäß, daß während es
Räthe für alle Theile der Verwaltung gibt, Kammern nur für die Volks-
wirthschaft vorkommen können. Damit ist denn auch die naturgemäße
Stellung derselben gegeben. Sie sind niemanden beigeordnet, sondern
dem Ministerium für Volkswirthschaft untergeordnet. Sie müssen aus
der Wahl der Betheiligten hervorgehen, nicht aus der Ernennung.
Sie müssen sich ihre Thätigkeit im Wesentlichen selbst bestimmen. Sie
müssen Ein Hauptrecht und Eine Hauptpflicht haben. Sie müssen
über die Verordnungen gehört werden, welche über die von ihnen
vertretenen Interessen entscheiden, und sie müssen die Interessen und
Zustände kennen, die sie vertreten. In dem ersten Falle haben sie
der betreffenden Anforderung Folge zu leisten, im zweiten Falle aber
haben sie sich durch eigene Thätigkeit, Organe und Mittel diese
Kenntnisse zu verschaffen. Im ersten Falle gleichen sie daher den
Räthen, und sind rein berathende Körper, im zweiten Falle gleichen
sie den Selbstverwaltungskörpern und sind verwaltende Organe. Auf
diesen Punkten beruht das, was wir das staatliche Recht -- die
Grundsätze für ihr Verhalten zum Amt und zu den von ihnen vertre-
tenen Interessen, und das innere Recht, -- die Grundsätze, nach
welchen ihre Wahl geschieht und ihre Geschäftsordnung sich bestimmt,
nennen. Sie bezeichnen daher im Allgemeinen die Epoche, in welcher das
ständische Leben seine Vertretung in den Volksvertretungen verliert, und
die volkswirthschaftlichen Besonderheiten dennoch das Bedürfniß einer
besonderen körperschaftlichen Bildung beibehalten. Sie sind die Reduci-
rung der alten Innungen auf das Princip der Gleichheit des volks-
wirthschaftlichen Lebens und stellen demnach die Trennung desselben
vom allgemeinen Staatsleben vor. Sie erscheinen daher auch nicht
bloß in der Hauptform der Handelskammern, sondern es kommen
fast allenthalben noch einige andere Formen derselben daneben vor,
was zum Theil ein sehr lebendiges Bild gibt. Auch sind ihre Funk-
tionen keineswegs immer gleich. Am leichtesten verständlich sind sie
natürlich im Gebiete der inneren Verwaltung. Geht man aber einen
Schritt weiter, so findet man genau dieselbe Selbstverwaltungsform

verwechſeln, und ſo die natürlichen und unauslöſchbaren Gegenſätze der
Intereſſen, welche eben in dem Begriffe des Staats in harmoniſcher Ein-
heit aufgehoben ſind, in der Volksvertretung wieder herzuſtellen. Eine
Intereſſenvertretung iſt nur da kein Widerſpruch, wo durch die Thä-
tigkeit des Staats nicht mehr das Ganze, ſondern eben die beſtimmten
Intereſſen berührt werden, und das iſt der Fall gerade in dem Gebiete
der Verordnungen. Nur für die Verwaltung gibt es daher eine Intereſſen-
vertretung, nicht für die Geſetzgebung, und dieſe wieder findet ſtatt
in den Kammern. Es iſt daher ganz naturgemäß, daß während es
Räthe für alle Theile der Verwaltung gibt, Kammern nur für die Volks-
wirthſchaft vorkommen können. Damit iſt denn auch die naturgemäße
Stellung derſelben gegeben. Sie ſind niemanden beigeordnet, ſondern
dem Miniſterium für Volkswirthſchaft untergeordnet. Sie müſſen aus
der Wahl der Betheiligten hervorgehen, nicht aus der Ernennung.
Sie müſſen ſich ihre Thätigkeit im Weſentlichen ſelbſt beſtimmen. Sie
müſſen Ein Hauptrecht und Eine Hauptpflicht haben. Sie müſſen
über die Verordnungen gehört werden, welche über die von ihnen
vertretenen Intereſſen entſcheiden, und ſie müſſen die Intereſſen und
Zuſtände kennen, die ſie vertreten. In dem erſten Falle haben ſie
der betreffenden Anforderung Folge zu leiſten, im zweiten Falle aber
haben ſie ſich durch eigene Thätigkeit, Organe und Mittel dieſe
Kenntniſſe zu verſchaffen. Im erſten Falle gleichen ſie daher den
Räthen, und ſind rein berathende Körper, im zweiten Falle gleichen
ſie den Selbſtverwaltungskörpern und ſind verwaltende Organe. Auf
dieſen Punkten beruht das, was wir das ſtaatliche Recht — die
Grundſätze für ihr Verhalten zum Amt und zu den von ihnen vertre-
tenen Intereſſen, und das innere Recht, — die Grundſätze, nach
welchen ihre Wahl geſchieht und ihre Geſchäftsordnung ſich beſtimmt,
nennen. Sie bezeichnen daher im Allgemeinen die Epoche, in welcher das
ſtändiſche Leben ſeine Vertretung in den Volksvertretungen verliert, und
die volkswirthſchaftlichen Beſonderheiten dennoch das Bedürfniß einer
beſonderen körperſchaftlichen Bildung beibehalten. Sie ſind die Reduci-
rung der alten Innungen auf das Princip der Gleichheit des volks-
wirthſchaftlichen Lebens und ſtellen demnach die Trennung deſſelben
vom allgemeinen Staatsleben vor. Sie erſcheinen daher auch nicht
bloß in der Hauptform der Handelskammern, ſondern es kommen
faſt allenthalben noch einige andere Formen derſelben daneben vor,
was zum Theil ein ſehr lebendiges Bild gibt. Auch ſind ihre Funk-
tionen keineswegs immer gleich. Am leichteſten verſtändlich ſind ſie
natürlich im Gebiete der inneren Verwaltung. Geht man aber einen
Schritt weiter, ſo findet man genau dieſelbe Selbſtverwaltungsform

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[374/0398] verwechſeln, und ſo die natürlichen und unauslöſchbaren Gegenſätze der Intereſſen, welche eben in dem Begriffe des Staats in harmoniſcher Ein- heit aufgehoben ſind, in der Volksvertretung wieder herzuſtellen. Eine Intereſſenvertretung iſt nur da kein Widerſpruch, wo durch die Thä- tigkeit des Staats nicht mehr das Ganze, ſondern eben die beſtimmten Intereſſen berührt werden, und das iſt der Fall gerade in dem Gebiete der Verordnungen. Nur für die Verwaltung gibt es daher eine Intereſſen- vertretung, nicht für die Geſetzgebung, und dieſe wieder findet ſtatt in den Kammern. Es iſt daher ganz naturgemäß, daß während es Räthe für alle Theile der Verwaltung gibt, Kammern nur für die Volks- wirthſchaft vorkommen können. Damit iſt denn auch die naturgemäße Stellung derſelben gegeben. Sie ſind niemanden beigeordnet, ſondern dem Miniſterium für Volkswirthſchaft untergeordnet. Sie müſſen aus der Wahl der Betheiligten hervorgehen, nicht aus der Ernennung. Sie müſſen ſich ihre Thätigkeit im Weſentlichen ſelbſt beſtimmen. Sie müſſen Ein Hauptrecht und Eine Hauptpflicht haben. Sie müſſen über die Verordnungen gehört werden, welche über die von ihnen vertretenen Intereſſen entſcheiden, und ſie müſſen die Intereſſen und Zuſtände kennen, die ſie vertreten. In dem erſten Falle haben ſie der betreffenden Anforderung Folge zu leiſten, im zweiten Falle aber haben ſie ſich durch eigene Thätigkeit, Organe und Mittel dieſe Kenntniſſe zu verſchaffen. Im erſten Falle gleichen ſie daher den Räthen, und ſind rein berathende Körper, im zweiten Falle gleichen ſie den Selbſtverwaltungskörpern und ſind verwaltende Organe. Auf dieſen Punkten beruht das, was wir das ſtaatliche Recht — die Grundſätze für ihr Verhalten zum Amt und zu den von ihnen vertre- tenen Intereſſen, und das innere Recht, — die Grundſätze, nach welchen ihre Wahl geſchieht und ihre Geſchäftsordnung ſich beſtimmt, nennen. Sie bezeichnen daher im Allgemeinen die Epoche, in welcher das ſtändiſche Leben ſeine Vertretung in den Volksvertretungen verliert, und die volkswirthſchaftlichen Beſonderheiten dennoch das Bedürfniß einer beſonderen körperſchaftlichen Bildung beibehalten. Sie ſind die Reduci- rung der alten Innungen auf das Princip der Gleichheit des volks- wirthſchaftlichen Lebens und ſtellen demnach die Trennung deſſelben vom allgemeinen Staatsleben vor. Sie erſcheinen daher auch nicht bloß in der Hauptform der Handelskammern, ſondern es kommen faſt allenthalben noch einige andere Formen derſelben daneben vor, was zum Theil ein ſehr lebendiges Bild gibt. Auch ſind ihre Funk- tionen keineswegs immer gleich. Am leichteſten verſtändlich ſind ſie natürlich im Gebiete der inneren Verwaltung. Geht man aber einen Schritt weiter, ſo findet man genau dieſelbe Selbſtverwaltungsform

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 374. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/398>, abgerufen am 22.11.2024.