waren daher auch berufen, in der neuen Ordnung der Dinge an der Spitze der Selbstverwaltung zu stehen.
Man kann nun die Epoche des Entstehens des Städtewesens als den ersten Abschnitt in der Geschichte des europäischen Gemeindewesens. betrachten. Obwohl die Ablösung der Städte theils von der Herrschaft, theils von dem Landesherrn nur langsam, und oft niemals ganz voll- ständig vor sich geht, so hat sie dennoch allenthalben im Wesentlichen denselben Inhalt. Sie enthält das Recht der Wahl der städtischen Obrigkeit aus der Mitte der Bürger, das Recht der Vertretung der Bürgerschaft durch gewählte Männer, und das Recht der Selbstverwal- tung in allen drei Verwaltungsgebieten, Finanzen, Rechtspflege und Polizei. Das Maß dieses Rechts ist allerdings sehr verschieden; oft hat die Herrschaft, oft der Landesherr als Herrschaft noch gewisse finan- zielle oder gerichtliche Rechte, ja sogar polizeiliche Gewalt; oft hat die Stadt diese Rechte gleich anfangs als ihr Eigenthum erworben; oft kauft sie sie allmählig ab; oft bleibt ein Theil desselben bis ins neun- zehnte Jahrhundert; und daher die Verschiedenheit des Umfangs der Berechtigung der Städte. Allein in der Sache sind alle Stadtrechte gleichartig. Eben so ist eine nicht minder große Verschiedenheit in den städtischen Verfassungen, das ist in den Ordnungen, nach welchen die Organe der Selbstverwaltung von den Gemeindebürgern gewählt werden und in dem gegenseitigen Rechte dieser Organe; aber in dem Rechte auf die Wahl selbst sind alle Städte gleich. Und das ist es nun, wodurch die zweite Epoche begründet wird.
Wir können diese Epoche des städtischen Gemeindewesens, die etwa mit dem vierzehnten Jahrhundert beginnt, die ständische Epoche desselben nennen. Ihre Grundlagen sind ebenfalls einfach und gleichartig.
4) Die Herrschaft und die Dorfschaft, die beiden Formen des Gemeinde- wesens auf dem Lande, haben das mit einander gemein, daß sie beide auf dem Grundbesitz beruhen; aber die Herrschaft ist nicht bloß der bei weitem mächtigere Grundbesitz, sondern sie hat auch ihre Verwaltungs- rechte als ihr Eigenthum erworben, und kann daher ihre Macht ganz nach ihren Interessen verwenden. Fast im ganzen mittleren Europa sind nun die Dorfschaften, wo sie die Eroberungsepoche überstanden haben, zerstreut und vereinzelt. Sie sind daher haltlos gegenüber der Herrschaft. Diese beginnt theils mit Gewalt, theils mit List die Dorf- schaften sich zu unterwerfen. Diese Unterwerfung der Dorfschaften ge- schieht, wo nicht rohe Gewalt durchgreift, in der Form der Auftragung zu Lehen, wie wir schon erwähnt; sie besteht darin, daß das Recht auf die Funktionen der Verwaltung von der Bauernschaft auf die Guts- herrschaft übergeht. Der Gutsherr gewinnt das Recht, die Rechtspflege
waren daher auch berufen, in der neuen Ordnung der Dinge an der Spitze der Selbſtverwaltung zu ſtehen.
Man kann nun die Epoche des Entſtehens des Städteweſens als den erſten Abſchnitt in der Geſchichte des europäiſchen Gemeindeweſens. betrachten. Obwohl die Ablöſung der Städte theils von der Herrſchaft, theils von dem Landesherrn nur langſam, und oft niemals ganz voll- ſtändig vor ſich geht, ſo hat ſie dennoch allenthalben im Weſentlichen denſelben Inhalt. Sie enthält das Recht der Wahl der ſtädtiſchen Obrigkeit aus der Mitte der Bürger, das Recht der Vertretung der Bürgerſchaft durch gewählte Männer, und das Recht der Selbſtverwal- tung in allen drei Verwaltungsgebieten, Finanzen, Rechtspflege und Polizei. Das Maß dieſes Rechts iſt allerdings ſehr verſchieden; oft hat die Herrſchaft, oft der Landesherr als Herrſchaft noch gewiſſe finan- zielle oder gerichtliche Rechte, ja ſogar polizeiliche Gewalt; oft hat die Stadt dieſe Rechte gleich anfangs als ihr Eigenthum erworben; oft kauft ſie ſie allmählig ab; oft bleibt ein Theil deſſelben bis ins neun- zehnte Jahrhundert; und daher die Verſchiedenheit des Umfangs der Berechtigung der Städte. Allein in der Sache ſind alle Stadtrechte gleichartig. Eben ſo iſt eine nicht minder große Verſchiedenheit in den ſtädtiſchen Verfaſſungen, das iſt in den Ordnungen, nach welchen die Organe der Selbſtverwaltung von den Gemeindebürgern gewählt werden und in dem gegenſeitigen Rechte dieſer Organe; aber in dem Rechte auf die Wahl ſelbſt ſind alle Städte gleich. Und das iſt es nun, wodurch die zweite Epoche begründet wird.
Wir können dieſe Epoche des ſtädtiſchen Gemeindeweſens, die etwa mit dem vierzehnten Jahrhundert beginnt, die ſtändiſche Epoche deſſelben nennen. Ihre Grundlagen ſind ebenfalls einfach und gleichartig.
4) Die Herrſchaft und die Dorfſchaft, die beiden Formen des Gemeinde- weſens auf dem Lande, haben das mit einander gemein, daß ſie beide auf dem Grundbeſitz beruhen; aber die Herrſchaft iſt nicht bloß der bei weitem mächtigere Grundbeſitz, ſondern ſie hat auch ihre Verwaltungs- rechte als ihr Eigenthum erworben, und kann daher ihre Macht ganz nach ihren Intereſſen verwenden. Faſt im ganzen mittleren Europa ſind nun die Dorfſchaften, wo ſie die Eroberungsepoche überſtanden haben, zerſtreut und vereinzelt. Sie ſind daher haltlos gegenüber der Herrſchaft. Dieſe beginnt theils mit Gewalt, theils mit Liſt die Dorf- ſchaften ſich zu unterwerfen. Dieſe Unterwerfung der Dorfſchaften ge- ſchieht, wo nicht rohe Gewalt durchgreift, in der Form der Auftragung zu Lehen, wie wir ſchon erwähnt; ſie beſteht darin, daß das Recht auf die Funktionen der Verwaltung von der Bauernſchaft auf die Guts- herrſchaft übergeht. Der Gutsherr gewinnt das Recht, die Rechtspflege
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waren daher auch berufen, in der neuen Ordnung der Dinge an der
Spitze der Selbſtverwaltung zu ſtehen.
Man kann nun die Epoche des Entſtehens des Städteweſens als
den erſten Abſchnitt in der Geſchichte des europäiſchen Gemeindeweſens.
betrachten. Obwohl die Ablöſung der Städte theils von der Herrſchaft,
theils von dem Landesherrn nur langſam, und oft niemals ganz voll-
ſtändig vor ſich geht, ſo hat ſie dennoch allenthalben im Weſentlichen
denſelben Inhalt. Sie enthält das Recht der Wahl der ſtädtiſchen
Obrigkeit aus der Mitte der Bürger, das Recht der Vertretung der
Bürgerſchaft durch gewählte Männer, und das Recht der Selbſtverwal-
tung in allen drei Verwaltungsgebieten, Finanzen, Rechtspflege und
Polizei. Das Maß dieſes Rechts iſt allerdings ſehr verſchieden; oft
hat die Herrſchaft, oft der Landesherr als Herrſchaft noch gewiſſe finan-
zielle oder gerichtliche Rechte, ja ſogar polizeiliche Gewalt; oft hat die
Stadt dieſe Rechte gleich anfangs als ihr Eigenthum erworben; oft
kauft ſie ſie allmählig ab; oft bleibt ein Theil deſſelben bis ins neun-
zehnte Jahrhundert; und daher die Verſchiedenheit des Umfangs der
Berechtigung der Städte. Allein in der Sache ſind alle Stadtrechte
gleichartig. Eben ſo iſt eine nicht minder große Verſchiedenheit in den
ſtädtiſchen Verfaſſungen, das iſt in den Ordnungen, nach welchen die
Organe der Selbſtverwaltung von den Gemeindebürgern gewählt werden
und in dem gegenſeitigen Rechte dieſer Organe; aber in dem Rechte auf
die Wahl ſelbſt ſind alle Städte gleich. Und das iſt es nun, wodurch
die zweite Epoche begründet wird.
Wir können dieſe Epoche des ſtädtiſchen Gemeindeweſens, die etwa
mit dem vierzehnten Jahrhundert beginnt, die ſtändiſche Epoche deſſelben
nennen. Ihre Grundlagen ſind ebenfalls einfach und gleichartig.
4) Die Herrſchaft und die Dorfſchaft, die beiden Formen des Gemeinde-
weſens auf dem Lande, haben das mit einander gemein, daß ſie beide
auf dem Grundbeſitz beruhen; aber die Herrſchaft iſt nicht bloß der bei
weitem mächtigere Grundbeſitz, ſondern ſie hat auch ihre Verwaltungs-
rechte als ihr Eigenthum erworben, und kann daher ihre Macht ganz
nach ihren Intereſſen verwenden. Faſt im ganzen mittleren Europa
ſind nun die Dorfſchaften, wo ſie die Eroberungsepoche überſtanden
haben, zerſtreut und vereinzelt. Sie ſind daher haltlos gegenüber der
Herrſchaft. Dieſe beginnt theils mit Gewalt, theils mit Liſt die Dorf-
ſchaften ſich zu unterwerfen. Dieſe Unterwerfung der Dorfſchaften ge-
ſchieht, wo nicht rohe Gewalt durchgreift, in der Form der Auftragung
zu Lehen, wie wir ſchon erwähnt; ſie beſteht darin, daß das Recht auf
die Funktionen der Verwaltung von der Bauernſchaft auf die Guts-
herrſchaft übergeht. Der Gutsherr gewinnt das Recht, die Rechtspflege
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 453. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/477>, abgerufen am 22.11.2024.
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