Arten der Unternehmungen selbst ständische Körperschaften. Die Zünfte und Innungen verlieren ihren Charakter. Sie waren früher die Grund- lagen der Ordnung des gewerblichen Betriebes, und wurden dadurch allerdings allmählig zu Grundlagen der Rechte, mit denen das Gewerbe an der städtischen Verwaltung Theil nahm. Jetzt tritt das Moment des wirthschaftlichen Interesses hinzu, und erzeugt die Ausschließlichkeit der Innungsgenossen, und die ständischen Vorrechte, Abtheilungen und Ordnungen für Meister, Gesellen und Bursche. Jedes Gewerbe bildet innerhalb der Stadt selbst wieder einen Stand; die innere lebendige Gegen- seitigkeit der verschiedenen Zweige des gewerblichen Lebens verschwindet; damit geht der Einfluß derselben auf die Verwaltung selbst allmählig verloren; die städtischen, verfassungsmäßigen Organe der Verwaltung scheiden sich von dem Gemeindebürgerthum ab, und betrachten ihrer- seits die Verwaltung als ihr besonderes Recht; sie finden Formen, durch welche sie dieselbe innerhalb eines abgeschlossenen Kreises sich selber er- halten; die Ausschließlichkeit greift in allen Organen durch, und es er- scheint jetzt auch im Gemeindewesen der eigenthümliche Proceß des gesell- schaftlichen Lebens, den wir die Rückbildung nennen möchten. Wie die ständische Ordnung, die doch auf dem geistigen Element des Berufes beruht, dieses Element damals selbst in der Kirche verliert, und sich zu einer Geschlechterordnung umgestaltet, indem die Geburt an die Stelle der Fähigkeit tritt, so fällt sogar das Gewerbewesen in diese Rückbildung, und macht den freien wirthschaftlichen Erwerb zu einem Geschlechterrecht, um so mehr die Verwaltung der Gemeinde, die Stellen der Magistrate und der Verordneten. Ja das Gemeindebürgerthum wird auf den Grundbesitz und die Abstammung basirt, statt auf die persönliche Erwerbsfähigkeit, und die Stadt als Ganzes, durch das Durchgreifen dieser Principien ihrer Entwicklungsfähigkeit beraubt und allenthalben stillstehend, schließt sich wieder gegen das Land ab, und bildet somit allmählig auch nach Innen, wie bisher nach Außen, eine ständische Corporation. Es war das keine glückliche Zeit. Das Einzige, was sich die Städte damals allerdings gewonnen haben, und was, wenn auch nicht in der Form, so doch in seinem Princip, günstig fort- gewirkt hat, war das historisch gewordene Recht auf ihre Selbstver- waltung; es blieb trotz aller Erstarrung des gewerblichen Lebens in den entstehenden ständischen und Geschlechterrechten desselben der Satz, daß das Landesfürstenthum diese Selbstverwaltung anerkennen müsse. An diesen Satz knüpft sich wenigstens in Deutschland die neue Ordnung des Gemeindewesens, und damit jene unklare oder vielmehr einseitige Gestalt der Auffassung von der Selbstverwaltung, die wir hier mit dem 19. Jahrhundert entstehen sehen. Dagegen aber geht mit der Freiheit
Arten der Unternehmungen ſelbſt ſtändiſche Körperſchaften. Die Zünfte und Innungen verlieren ihren Charakter. Sie waren früher die Grund- lagen der Ordnung des gewerblichen Betriebes, und wurden dadurch allerdings allmählig zu Grundlagen der Rechte, mit denen das Gewerbe an der ſtädtiſchen Verwaltung Theil nahm. Jetzt tritt das Moment des wirthſchaftlichen Intereſſes hinzu, und erzeugt die Ausſchließlichkeit der Innungsgenoſſen, und die ſtändiſchen Vorrechte, Abtheilungen und Ordnungen für Meiſter, Geſellen und Burſche. Jedes Gewerbe bildet innerhalb der Stadt ſelbſt wieder einen Stand; die innere lebendige Gegen- ſeitigkeit der verſchiedenen Zweige des gewerblichen Lebens verſchwindet; damit geht der Einfluß derſelben auf die Verwaltung ſelbſt allmählig verloren; die ſtädtiſchen, verfaſſungsmäßigen Organe der Verwaltung ſcheiden ſich von dem Gemeindebürgerthum ab, und betrachten ihrer- ſeits die Verwaltung als ihr beſonderes Recht; ſie finden Formen, durch welche ſie dieſelbe innerhalb eines abgeſchloſſenen Kreiſes ſich ſelber er- halten; die Ausſchließlichkeit greift in allen Organen durch, und es er- ſcheint jetzt auch im Gemeindeweſen der eigenthümliche Proceß des geſell- ſchaftlichen Lebens, den wir die Rückbildung nennen möchten. Wie die ſtändiſche Ordnung, die doch auf dem geiſtigen Element des Berufes beruht, dieſes Element damals ſelbſt in der Kirche verliert, und ſich zu einer Geſchlechterordnung umgeſtaltet, indem die Geburt an die Stelle der Fähigkeit tritt, ſo fällt ſogar das Gewerbeweſen in dieſe Rückbildung, und macht den freien wirthſchaftlichen Erwerb zu einem Geſchlechterrecht, um ſo mehr die Verwaltung der Gemeinde, die Stellen der Magiſtrate und der Verordneten. Ja das Gemeindebürgerthum wird auf den Grundbeſitz und die Abſtammung baſirt, ſtatt auf die perſönliche Erwerbsfähigkeit, und die Stadt als Ganzes, durch das Durchgreifen dieſer Principien ihrer Entwicklungsfähigkeit beraubt und allenthalben ſtillſtehend, ſchließt ſich wieder gegen das Land ab, und bildet ſomit allmählig auch nach Innen, wie bisher nach Außen, eine ſtändiſche Corporation. Es war das keine glückliche Zeit. Das Einzige, was ſich die Städte damals allerdings gewonnen haben, und was, wenn auch nicht in der Form, ſo doch in ſeinem Princip, günſtig fort- gewirkt hat, war das hiſtoriſch gewordene Recht auf ihre Selbſtver- waltung; es blieb trotz aller Erſtarrung des gewerblichen Lebens in den entſtehenden ſtändiſchen und Geſchlechterrechten deſſelben der Satz, daß das Landesfürſtenthum dieſe Selbſtverwaltung anerkennen müſſe. An dieſen Satz knüpft ſich wenigſtens in Deutſchland die neue Ordnung des Gemeindeweſens, und damit jene unklare oder vielmehr einſeitige Geſtalt der Auffaſſung von der Selbſtverwaltung, die wir hier mit dem 19. Jahrhundert entſtehen ſehen. Dagegen aber geht mit der Freiheit
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Arten der Unternehmungen ſelbſt ſtändiſche Körperſchaften. Die Zünfte
und Innungen verlieren ihren Charakter. Sie waren früher die Grund-
lagen der Ordnung des gewerblichen Betriebes, und wurden dadurch
allerdings allmählig zu Grundlagen der Rechte, mit denen das Gewerbe
an der ſtädtiſchen Verwaltung Theil nahm. Jetzt tritt das Moment
des wirthſchaftlichen Intereſſes hinzu, und erzeugt die Ausſchließlichkeit
der Innungsgenoſſen, und die ſtändiſchen Vorrechte, Abtheilungen und
Ordnungen für Meiſter, Geſellen und Burſche. Jedes Gewerbe bildet
innerhalb der Stadt ſelbſt wieder einen Stand; die innere lebendige Gegen-
ſeitigkeit der verſchiedenen Zweige des gewerblichen Lebens verſchwindet;
damit geht der Einfluß derſelben auf die Verwaltung ſelbſt allmählig
verloren; die ſtädtiſchen, verfaſſungsmäßigen Organe der Verwaltung
ſcheiden ſich von dem Gemeindebürgerthum ab, und betrachten ihrer-
ſeits die Verwaltung als ihr beſonderes Recht; ſie finden Formen, durch
welche ſie dieſelbe innerhalb eines abgeſchloſſenen Kreiſes ſich ſelber er-
halten; die Ausſchließlichkeit greift in allen Organen durch, und es er-
ſcheint jetzt auch im Gemeindeweſen der eigenthümliche Proceß des geſell-
ſchaftlichen Lebens, den wir die Rückbildung nennen möchten.
Wie die ſtändiſche Ordnung, die doch auf dem geiſtigen Element des
Berufes beruht, dieſes Element damals ſelbſt in der Kirche verliert,
und ſich zu einer Geſchlechterordnung umgeſtaltet, indem die Geburt an
die Stelle der Fähigkeit tritt, ſo fällt ſogar das Gewerbeweſen in dieſe
Rückbildung, und macht den freien wirthſchaftlichen Erwerb zu einem
Geſchlechterrecht, um ſo mehr die Verwaltung der Gemeinde, die Stellen
der Magiſtrate und der Verordneten. Ja das Gemeindebürgerthum
wird auf den Grundbeſitz und die Abſtammung baſirt, ſtatt auf die
perſönliche Erwerbsfähigkeit, und die Stadt als Ganzes, durch das
Durchgreifen dieſer Principien ihrer Entwicklungsfähigkeit beraubt und
allenthalben ſtillſtehend, ſchließt ſich wieder gegen das Land ab, und
bildet ſomit allmählig auch nach Innen, wie bisher nach Außen, eine
ſtändiſche Corporation. Es war das keine glückliche Zeit. Das Einzige,
was ſich die Städte damals allerdings gewonnen haben, und was,
wenn auch nicht in der Form, ſo doch in ſeinem Princip, günſtig fort-
gewirkt hat, war das hiſtoriſch gewordene Recht auf ihre Selbſtver-
waltung; es blieb trotz aller Erſtarrung des gewerblichen Lebens in den
entſtehenden ſtändiſchen und Geſchlechterrechten deſſelben der Satz, daß
das Landesfürſtenthum dieſe Selbſtverwaltung anerkennen müſſe. An
dieſen Satz knüpft ſich wenigſtens in Deutſchland die neue Ordnung
des Gemeindeweſens, und damit jene unklare oder vielmehr einſeitige
Geſtalt der Auffaſſung von der Selbſtverwaltung, die wir hier mit dem
19. Jahrhundert entſtehen ſehen. Dagegen aber geht mit der Freiheit
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 456. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/480>, abgerufen am 22.11.2024.
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