des Zweckes entspringt, gibt aber der Vereinigung als solcher einen andern Charakter. Vermöge jener Dauer erscheint nämlich der Werth der Leistung des einen Contrahenten von der wirklichen Leistung des andern Contrahenten abhängig, und die Aufrechthaltung der einmal eingegangenen Vereinigung von Seiten jedes Einzelnen wird dadurch, als natürliche und wirthschaftliche Voraussetzung der Vereinigung selber, zur Bedingung, und damit zum rechtlich angenommenen Inhalt der Vereinigung. In ihr ist daher der Wille des einzelnen Contrahenten nicht mehr freier Herr über seinen Antheil an der Vereinigung selbst. Nur die Vereinigung aller Willen kann in Beziehung auf die Leistungen und Verhältnisse der Vereinigung maßgebend werden. Es ist damit schon etwas erzeugt, was zwar nicht über dem Willen aller Einzelnen, wohl aber über dem Willen des Einzelnen steht; eine Form des persön- lichen Lebens, welche ein, wenn auch nur durch den Zweck begränztes, aber innerhalb dieses Zweckes dennoch selbständiges Dasein hat, welche vermöge dieses selbständigen Daseins Wille und Thätigkeit besitzt, und welche vermöge dieses selbständigen Wollens und Thuns den Einzel- willen als ihren Inhalt betrachtet, das ist, Rechte und Pflichten für den Einzelnen ohne sein persönliches Zuthun, wenn auch nur in Be- ziehung auf das belastende Objekt der Vereinigung, erwerben und ver- lieren kann. Hier ist daher eine andere höhere Gestalt der Gemeinschaft; und diese Vereinigung mit einem dauernden Zwecke und den daraus entspringenden Rechten und Pflichten des einzelnen Mitgliedes nennen wir eine Gesellschaft.
Es ergibt sich daraus, daß man, während man einen Vertrag nur über das schließen kann, was bereits im Vermögen des Einzelnen im weitesten Sinn ist, eine Gesellschaft auch über alle anderen Dinge eingehen kann. In der Gesellschaft erscheint allerdings wieder der Ver- trag als derjenige Akt, welcher das Maß und die Art der Leistungen und Rechte des Einzelnen bestimmt; aber die Gesellschaft ist kein Ver- trag, sondern schon eine, wenn auch eng begränzte, selbständige Ge- meinschaft. Darum schließt man zwar einen Vertrag, aber man errichtet eine Gesellschaft. Sie handelt innerhalb ihres Zweckes als persönliche Einheit; sie wird als solche anerkannt, und diese Anerkennung heißt in der wirthschaftlichen Welt die Firma. Aber ihr Begriff und Recht geht weit über das wirthschaftliche Leben hinaus; es gibt gar keinen Zweck des Lebens, für welchen man nicht eine Gesellschaft schließen könnte, und eben deßhalb ist auch der Begriff der Gesellschaft in diesem Sinne der allgemeine, dem sich der Begriff des Bereins als eine bestimmte Art von Gesellschaften unterordnet. Daher kommt denn die Verwirrung in dem Namen beider; im gewöhnlichen Leben werden beide Ausdrücke
des Zweckes entſpringt, gibt aber der Vereinigung als ſolcher einen andern Charakter. Vermöge jener Dauer erſcheint nämlich der Werth der Leiſtung des einen Contrahenten von der wirklichen Leiſtung des andern Contrahenten abhängig, und die Aufrechthaltung der einmal eingegangenen Vereinigung von Seiten jedes Einzelnen wird dadurch, als natürliche und wirthſchaftliche Vorausſetzung der Vereinigung ſelber, zur Bedingung, und damit zum rechtlich angenommenen Inhalt der Vereinigung. In ihr iſt daher der Wille des einzelnen Contrahenten nicht mehr freier Herr über ſeinen Antheil an der Vereinigung ſelbſt. Nur die Vereinigung aller Willen kann in Beziehung auf die Leiſtungen und Verhältniſſe der Vereinigung maßgebend werden. Es iſt damit ſchon etwas erzeugt, was zwar nicht über dem Willen aller Einzelnen, wohl aber über dem Willen des Einzelnen ſteht; eine Form des perſön- lichen Lebens, welche ein, wenn auch nur durch den Zweck begränztes, aber innerhalb dieſes Zweckes dennoch ſelbſtändiges Daſein hat, welche vermöge dieſes ſelbſtändigen Daſeins Wille und Thätigkeit beſitzt, und welche vermöge dieſes ſelbſtändigen Wollens und Thuns den Einzel- willen als ihren Inhalt betrachtet, das iſt, Rechte und Pflichten für den Einzelnen ohne ſein perſönliches Zuthun, wenn auch nur in Be- ziehung auf das belaſtende Objekt der Vereinigung, erwerben und ver- lieren kann. Hier iſt daher eine andere höhere Geſtalt der Gemeinſchaft; und dieſe Vereinigung mit einem dauernden Zwecke und den daraus entſpringenden Rechten und Pflichten des einzelnen Mitgliedes nennen wir eine Geſellſchaft.
Es ergibt ſich daraus, daß man, während man einen Vertrag nur über das ſchließen kann, was bereits im Vermögen des Einzelnen im weiteſten Sinn iſt, eine Geſellſchaft auch über alle anderen Dinge eingehen kann. In der Geſellſchaft erſcheint allerdings wieder der Ver- trag als derjenige Akt, welcher das Maß und die Art der Leiſtungen und Rechte des Einzelnen beſtimmt; aber die Geſellſchaft iſt kein Ver- trag, ſondern ſchon eine, wenn auch eng begränzte, ſelbſtändige Ge- meinſchaft. Darum ſchließt man zwar einen Vertrag, aber man errichtet eine Geſellſchaft. Sie handelt innerhalb ihres Zweckes als perſönliche Einheit; ſie wird als ſolche anerkannt, und dieſe Anerkennung heißt in der wirthſchaftlichen Welt die Firma. Aber ihr Begriff und Recht geht weit über das wirthſchaftliche Leben hinaus; es gibt gar keinen Zweck des Lebens, für welchen man nicht eine Geſellſchaft ſchließen könnte, und eben deßhalb iſt auch der Begriff der Geſellſchaft in dieſem Sinne der allgemeine, dem ſich der Begriff des Bereins als eine beſtimmte Art von Geſellſchaften unterordnet. Daher kommt denn die Verwirrung in dem Namen beider; im gewöhnlichen Leben werden beide Ausdrücke
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des Zweckes entſpringt, gibt aber der Vereinigung als ſolcher einen
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andern Contrahenten abhängig, und die Aufrechthaltung der einmal
eingegangenen Vereinigung von Seiten jedes Einzelnen wird dadurch,
als natürliche und wirthſchaftliche Vorausſetzung der Vereinigung ſelber,
zur Bedingung, und damit zum rechtlich angenommenen Inhalt der
Vereinigung. In ihr iſt daher der Wille des einzelnen Contrahenten
nicht mehr freier Herr über ſeinen Antheil an der Vereinigung ſelbſt.
Nur die Vereinigung aller Willen kann in Beziehung auf die Leiſtungen
und Verhältniſſe der Vereinigung maßgebend werden. Es iſt damit
ſchon etwas erzeugt, was zwar nicht über dem Willen aller Einzelnen,
wohl aber über dem Willen des Einzelnen ſteht; eine Form des perſön-
lichen Lebens, welche ein, wenn auch nur durch den Zweck begränztes,
aber innerhalb dieſes Zweckes dennoch ſelbſtändiges Daſein hat, welche
vermöge dieſes ſelbſtändigen Daſeins Wille und Thätigkeit beſitzt, und
welche vermöge dieſes ſelbſtändigen Wollens und Thuns den Einzel-
willen als ihren Inhalt betrachtet, das iſt, Rechte und Pflichten für
den Einzelnen ohne ſein perſönliches Zuthun, wenn auch nur in Be-
ziehung auf das belaſtende Objekt der Vereinigung, erwerben und ver-
lieren kann. Hier iſt daher eine andere höhere Geſtalt der Gemeinſchaft;
und dieſe Vereinigung mit einem dauernden Zwecke und den daraus
entſpringenden Rechten und Pflichten des einzelnen Mitgliedes nennen
wir eine Geſellſchaft.
Es ergibt ſich daraus, daß man, während man einen Vertrag nur
über das ſchließen kann, was bereits im Vermögen des Einzelnen im
weiteſten Sinn iſt, eine Geſellſchaft auch über alle anderen Dinge
eingehen kann. In der Geſellſchaft erſcheint allerdings wieder der Ver-
trag als derjenige Akt, welcher das Maß und die Art der Leiſtungen
und Rechte des Einzelnen beſtimmt; aber die Geſellſchaft iſt kein Ver-
trag, ſondern ſchon eine, wenn auch eng begränzte, ſelbſtändige Ge-
meinſchaft. Darum ſchließt man zwar einen Vertrag, aber man errichtet
eine Geſellſchaft. Sie handelt innerhalb ihres Zweckes als perſönliche
Einheit; ſie wird als ſolche anerkannt, und dieſe Anerkennung heißt in
der wirthſchaftlichen Welt die Firma. Aber ihr Begriff und Recht geht
weit über das wirthſchaftliche Leben hinaus; es gibt gar keinen Zweck
des Lebens, für welchen man nicht eine Geſellſchaft ſchließen könnte,
und eben deßhalb iſt auch der Begriff der Geſellſchaft in dieſem Sinne
der allgemeine, dem ſich der Begriff des Bereins als eine beſtimmte
Art von Geſellſchaften unterordnet. Daher kommt denn die Verwirrung
in dem Namen beider; im gewöhnlichen Leben werden beide Ausdrücke
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/593>, abgerufen am 22.11.2024.
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