der Generalversammlung und zwar mit beschließender Stimme Theil zu nehmen. Dennoch bringt auch die Grundlage aller Verschiedenheit in der persönlichen Welt, das Maß des Besitzes, eine Verschiedenheit in dem Maße des Rechts hervor. In denjenigen Vereinen nämlich, welche auf der Verschiedenheit der wirthschaftlichen Leistungen der Mitglieder beruhen, kann eine gewisse Größe der Verpflichtung und Leistung als Voraussetzung der vollen Mitgliedschaft betrachtet werden. Das wider- spricht dem Wesen des Vereins nicht; nur muß diese Größe nicht so groß bemessen sein, daß nicht jedes Mitglied sie leicht erreichen könnte. Dagegen sollte auch der geringste Antheil wenigstens einen berathenden Antheil an der Generalversammlung sichern. Die faktische Herrschaft, welche das größere Vermögen ohnehin über das kleinere ausübt, sollte nie so weit gehen, daß sie die Theilnahme der letzteren ganz ausschließt. Praktisch ist die Frage bekanntlich bei den Aktiengesellschaften. Es ist kein Zweifel, daß hier eine Gleichheit der Stimmberechtigung bei un- gleicher Leistung und Haftung einen Widerspruch enthält, der zur Herr- schaft der kleineren Haftungen über die größeren führen, und damit die größere Kapitalskraft von dem Eintritt in einen Verein abhalten würde, in welchem sie grundsätzlich als die beherrschte aufträte. Daher hat die Aktiengesellschaft zum Begriffe einer Mitgliedschaft geführt, welche beide Elemente vereinigt, indem sie das Stimmrecht -- oder das Recht der Mitgliedschaft -- in einem gewissen Verhältniß zum Aktienbesitze wachsen läßt. Die Frage ist nutzlos, ob dieß auch bei andern Formen des Vereins richtig wäre; und zwar darum, weil bei ihnen das feste Maß der Verschiedenheit der Betheiligung fehlt, das bei der Aktie vorhanden ist und das als die Voraussetzung eines festen, von jeder Willkür freien Maßes im Unterschiede der Stimmberechtigung gesetzt werden muß. So hat sich im Vereinswesen die Harmonie zwischen dem Princip der Gleich- heit und der Ungleichheit festgestellt. -- Die letzte und gleichfalls als allgemein gültig zu betrachtende Consequenz des obigen Begriffes ist nun die, daß die völlige Gleichheit da wieder eintritt, wo die Verschiedenheit des Besitzes verschwindet, nämlich da, wo das Recht auf der persön- lichen Leistung beruht. Allenthalben, wo persönliche Leistungen dem Verein zum Grunde liegen, muß die Gleichheit des Stimmrechts gelten; und selbst in den Erwerbsgesellschaften beginnt die Gleichheit wieder da, wo die persönliche Leistung wieder zur Hauptsache wird, und erscheint in dem gleichen Recht aller Mitglieder auf Wählbarkeit zu den Stel- lungen im Vereinsorganismus. Von diesen Principien kann sich kein Vereinsrecht entfernen.
Der dritte Punkt im Rechte der Mitgliedschaft besteht endlich in der Freiheit des Austrittes. Das Recht auf den unbeschränkten
der Generalverſammlung und zwar mit beſchließender Stimme Theil zu nehmen. Dennoch bringt auch die Grundlage aller Verſchiedenheit in der perſönlichen Welt, das Maß des Beſitzes, eine Verſchiedenheit in dem Maße des Rechts hervor. In denjenigen Vereinen nämlich, welche auf der Verſchiedenheit der wirthſchaftlichen Leiſtungen der Mitglieder beruhen, kann eine gewiſſe Größe der Verpflichtung und Leiſtung als Vorausſetzung der vollen Mitgliedſchaft betrachtet werden. Das wider- ſpricht dem Weſen des Vereins nicht; nur muß dieſe Größe nicht ſo groß bemeſſen ſein, daß nicht jedes Mitglied ſie leicht erreichen könnte. Dagegen ſollte auch der geringſte Antheil wenigſtens einen berathenden Antheil an der Generalverſammlung ſichern. Die faktiſche Herrſchaft, welche das größere Vermögen ohnehin über das kleinere ausübt, ſollte nie ſo weit gehen, daß ſie die Theilnahme der letzteren ganz ausſchließt. Praktiſch iſt die Frage bekanntlich bei den Aktiengeſellſchaften. Es iſt kein Zweifel, daß hier eine Gleichheit der Stimmberechtigung bei un- gleicher Leiſtung und Haftung einen Widerſpruch enthält, der zur Herr- ſchaft der kleineren Haftungen über die größeren führen, und damit die größere Kapitalskraft von dem Eintritt in einen Verein abhalten würde, in welchem ſie grundſätzlich als die beherrſchte aufträte. Daher hat die Aktiengeſellſchaft zum Begriffe einer Mitgliedſchaft geführt, welche beide Elemente vereinigt, indem ſie das Stimmrecht — oder das Recht der Mitgliedſchaft — in einem gewiſſen Verhältniß zum Aktienbeſitze wachſen läßt. Die Frage iſt nutzlos, ob dieß auch bei andern Formen des Vereins richtig wäre; und zwar darum, weil bei ihnen das feſte Maß der Verſchiedenheit der Betheiligung fehlt, das bei der Aktie vorhanden iſt und das als die Vorausſetzung eines feſten, von jeder Willkür freien Maßes im Unterſchiede der Stimmberechtigung geſetzt werden muß. So hat ſich im Vereinsweſen die Harmonie zwiſchen dem Princip der Gleich- heit und der Ungleichheit feſtgeſtellt. — Die letzte und gleichfalls als allgemein gültig zu betrachtende Conſequenz des obigen Begriffes iſt nun die, daß die völlige Gleichheit da wieder eintritt, wo die Verſchiedenheit des Beſitzes verſchwindet, nämlich da, wo das Recht auf der perſön- lichen Leiſtung beruht. Allenthalben, wo perſönliche Leiſtungen dem Verein zum Grunde liegen, muß die Gleichheit des Stimmrechts gelten; und ſelbſt in den Erwerbsgeſellſchaften beginnt die Gleichheit wieder da, wo die perſönliche Leiſtung wieder zur Hauptſache wird, und erſcheint in dem gleichen Recht aller Mitglieder auf Wählbarkeit zu den Stel- lungen im Vereinsorganismus. Von dieſen Principien kann ſich kein Vereinsrecht entfernen.
Der dritte Punkt im Rechte der Mitgliedſchaft beſteht endlich in der Freiheit des Austrittes. Das Recht auf den unbeſchränkten
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der Generalverſammlung und zwar mit beſchließender Stimme Theil zu
nehmen. Dennoch bringt auch die Grundlage aller Verſchiedenheit in
der perſönlichen Welt, das Maß des Beſitzes, eine Verſchiedenheit in
dem Maße des Rechts hervor. In denjenigen Vereinen nämlich, welche
auf der Verſchiedenheit der wirthſchaftlichen Leiſtungen der Mitglieder
beruhen, kann eine gewiſſe Größe der Verpflichtung und Leiſtung als
Vorausſetzung der vollen Mitgliedſchaft betrachtet werden. Das wider-
ſpricht dem Weſen des Vereins nicht; nur muß dieſe Größe nicht ſo
groß bemeſſen ſein, daß nicht jedes Mitglied ſie leicht erreichen könnte.
Dagegen ſollte auch der geringſte Antheil wenigſtens einen berathenden
Antheil an der Generalverſammlung ſichern. Die faktiſche Herrſchaft,
welche das größere Vermögen ohnehin über das kleinere ausübt, ſollte
nie ſo weit gehen, daß ſie die Theilnahme der letzteren ganz ausſchließt.
Praktiſch iſt die Frage bekanntlich bei den Aktiengeſellſchaften. Es iſt
kein Zweifel, daß hier eine Gleichheit der Stimmberechtigung bei un-
gleicher Leiſtung und Haftung einen Widerſpruch enthält, der zur Herr-
ſchaft der kleineren Haftungen über die größeren führen, und damit die
größere Kapitalskraft von dem Eintritt in einen Verein abhalten würde,
in welchem ſie grundſätzlich als die beherrſchte aufträte. Daher hat die
Aktiengeſellſchaft zum Begriffe einer Mitgliedſchaft geführt, welche beide
Elemente vereinigt, indem ſie das Stimmrecht — oder das Recht der
Mitgliedſchaft — in einem gewiſſen Verhältniß zum Aktienbeſitze wachſen
läßt. Die Frage iſt nutzlos, ob dieß auch bei andern Formen des
Vereins richtig wäre; und zwar darum, weil bei ihnen das feſte Maß
der Verſchiedenheit der Betheiligung fehlt, das bei der Aktie vorhanden
iſt und das als die Vorausſetzung eines feſten, von jeder Willkür freien
Maßes im Unterſchiede der Stimmberechtigung geſetzt werden muß. So
hat ſich im Vereinsweſen die Harmonie zwiſchen dem Princip der Gleich-
heit und der Ungleichheit feſtgeſtellt. — Die letzte und gleichfalls als
allgemein gültig zu betrachtende Conſequenz des obigen Begriffes iſt nun
die, daß die völlige Gleichheit da wieder eintritt, wo die Verſchiedenheit
des Beſitzes verſchwindet, nämlich da, wo das Recht auf der perſön-
lichen Leiſtung beruht. Allenthalben, wo perſönliche Leiſtungen dem
Verein zum Grunde liegen, muß die Gleichheit des Stimmrechts gelten;
und ſelbſt in den Erwerbsgeſellſchaften beginnt die Gleichheit wieder da,
wo die perſönliche Leiſtung wieder zur Hauptſache wird, und erſcheint
in dem gleichen Recht aller Mitglieder auf Wählbarkeit zu den Stel-
lungen im Vereinsorganismus. Von dieſen Principien kann ſich kein
Vereinsrecht entfernen.
Der dritte Punkt im Rechte der Mitgliedſchaft beſteht endlich in
der Freiheit des Austrittes. Das Recht auf den unbeſchränkten
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 590. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/614>, abgerufen am 22.11.2024.
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