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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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der größern Gewalt haben, welche der Vereinigung innewohnt. Das
Oberaufsichtsrecht ist aber dennoch kein einfaches, sondern erscheint in
mehreren Momenten; und diese müssen für sich dargelegt werden, weil
es natürlich ist, daß in den Gränzen dieses Rechts des Staats anderer-
seits die Freiheit und Selbständigkeit des Vereinswesens gegeben ist.

Das Recht der Kenntnißnahme oder der Ueberwachung erscheint
nämlich in zwei Formen; der eigentlich polizeilichen Ueberwachung,
und dem Princip der Oeffentlichkeit. Das Recht des polizeilichen
Verbots zeigt uns die Modifikationen der Suspendirung, der
Schließung und der Aufhebung des Vereins.

Der Begriff der Oberaufsicht, wie er gewöhnlich aufgefaßt wird, zeigt sich
namentlich im Vereinswesen als ein ganz unklarer. Man kann sich bei der-
selben im Allgemeinen gar nichts Concretes vorstellen, obgleich man das Ge-
fühl hat, daß allerdings etwas sehr Bestimmtes damit gemeint ist. Das
französische Recht hat diesen Begriff des deutschen überhaupt nicht, da es
die Selbständigkeit der Selbstverwaltung und der Vereine nicht kennt, und die
surveillance ist rein äußerlich polizeilicher Natur. Auch in England findet
man ihn nicht, weil hier nicht die Regierung, sondern nur das Gericht, und
der Beamtete nur in Folge eines Rechtsspruches einschreiten kann. Die sur-
vey
ist die technische Polizei, die natürlich auch bei Vereinen eintritt,
wo sie technische Anstalten haben, wie bei dem Einzelnen. Der Verein als
Ganzes unterliegt der Oberaufsicht an sich nicht. Abgesehen von den Erwerbs-
gesellschaften, auf welche sich die oben angeführte Gesetzgebung, sowie das
neueste Gesetz von 1862 bezieht, und die um des wirthschaftlichen Interesses
willen genau überwacht werden -- alle Joint Stock Compagnies stehen unter
einem eigenen registrar, der ihre Statistik führt -- ist in Beziehung auf
Vereine nur bei bestimmten Arten, namentlich bei den friendly societies, eine
eigene gesetzliche Behörde (Commission) zu dem Zwecke eingesetzt, und diese
übt allerdings eine ziemlich vollständige Oberaufsicht aus. Jedoch erscheint dieß
wieder als ein Theil des besonderen Vereinsrechts, und gehört damit in die
Verwaltungslehre. Nur das deutsche Vereinsrecht hat die Vereine als solche
gesetzlich der Oberaufsicht unterworfen.

1) Die Ueberwachung der Vereine.

Die Ueberwachung der Vereine ist im Allgemeinen diejenige Thä-
tigkeit der Behörden, durch welche sie die Thätigkeit der Vereine zur
Kenntniß nimmt, um die Gewißheit zu haben, daß von denselben
nichts dem Gesammtinteresse Schädliches ausgeht. Man muß bei dieser
Ueberwachung drei Formen derselben scheiden. Sie ist eine allgemein
polizeiliche, eine statistische und eine technische. Ihr entspricht
die Pflicht der Vereine, dasjenige zu thun und zu leisten, wodurch
jene Kenntnißnahme möglich wird, während die rechtliche Gränze

der größern Gewalt haben, welche der Vereinigung innewohnt. Das
Oberaufſichtsrecht iſt aber dennoch kein einfaches, ſondern erſcheint in
mehreren Momenten; und dieſe müſſen für ſich dargelegt werden, weil
es natürlich iſt, daß in den Gränzen dieſes Rechts des Staats anderer-
ſeits die Freiheit und Selbſtändigkeit des Vereinsweſens gegeben iſt.

Das Recht der Kenntnißnahme oder der Ueberwachung erſcheint
nämlich in zwei Formen; der eigentlich polizeilichen Ueberwachung,
und dem Princip der Oeffentlichkeit. Das Recht des polizeilichen
Verbots zeigt uns die Modifikationen der Suſpendirung, der
Schließung und der Aufhebung des Vereins.

Der Begriff der Oberaufſicht, wie er gewöhnlich aufgefaßt wird, zeigt ſich
namentlich im Vereinsweſen als ein ganz unklarer. Man kann ſich bei der-
ſelben im Allgemeinen gar nichts Concretes vorſtellen, obgleich man das Ge-
fühl hat, daß allerdings etwas ſehr Beſtimmtes damit gemeint iſt. Das
franzöſiſche Recht hat dieſen Begriff des deutſchen überhaupt nicht, da es
die Selbſtändigkeit der Selbſtverwaltung und der Vereine nicht kennt, und die
surveillance iſt rein äußerlich polizeilicher Natur. Auch in England findet
man ihn nicht, weil hier nicht die Regierung, ſondern nur das Gericht, und
der Beamtete nur in Folge eines Rechtsſpruches einſchreiten kann. Die sur-
vey
iſt die techniſche Polizei, die natürlich auch bei Vereinen eintritt,
wo ſie techniſche Anſtalten haben, wie bei dem Einzelnen. Der Verein als
Ganzes unterliegt der Oberaufſicht an ſich nicht. Abgeſehen von den Erwerbs-
geſellſchaften, auf welche ſich die oben angeführte Geſetzgebung, ſowie das
neueſte Geſetz von 1862 bezieht, und die um des wirthſchaftlichen Intereſſes
willen genau überwacht werden — alle Joint Stock Compagnies ſtehen unter
einem eigenen registrar, der ihre Statiſtik führt — iſt in Beziehung auf
Vereine nur bei beſtimmten Arten, namentlich bei den friendly societies, eine
eigene geſetzliche Behörde (Commission) zu dem Zwecke eingeſetzt, und dieſe
übt allerdings eine ziemlich vollſtändige Oberaufſicht aus. Jedoch erſcheint dieß
wieder als ein Theil des beſonderen Vereinsrechts, und gehört damit in die
Verwaltungslehre. Nur das deutſche Vereinsrecht hat die Vereine als ſolche
geſetzlich der Oberaufſicht unterworfen.

1) Die Ueberwachung der Vereine.

Die Ueberwachung der Vereine iſt im Allgemeinen diejenige Thä-
tigkeit der Behörden, durch welche ſie die Thätigkeit der Vereine zur
Kenntniß nimmt, um die Gewißheit zu haben, daß von denſelben
nichts dem Geſammtintereſſe Schädliches ausgeht. Man muß bei dieſer
Ueberwachung drei Formen derſelben ſcheiden. Sie iſt eine allgemein
polizeiliche, eine ſtatiſtiſche und eine techniſche. Ihr entſpricht
die Pflicht der Vereine, dasjenige zu thun und zu leiſten, wodurch
jene Kenntnißnahme möglich wird, während die rechtliche Gränze

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[638/0662] der größern Gewalt haben, welche der Vereinigung innewohnt. Das Oberaufſichtsrecht iſt aber dennoch kein einfaches, ſondern erſcheint in mehreren Momenten; und dieſe müſſen für ſich dargelegt werden, weil es natürlich iſt, daß in den Gränzen dieſes Rechts des Staats anderer- ſeits die Freiheit und Selbſtändigkeit des Vereinsweſens gegeben iſt. Das Recht der Kenntnißnahme oder der Ueberwachung erſcheint nämlich in zwei Formen; der eigentlich polizeilichen Ueberwachung, und dem Princip der Oeffentlichkeit. Das Recht des polizeilichen Verbots zeigt uns die Modifikationen der Suſpendirung, der Schließung und der Aufhebung des Vereins. Der Begriff der Oberaufſicht, wie er gewöhnlich aufgefaßt wird, zeigt ſich namentlich im Vereinsweſen als ein ganz unklarer. Man kann ſich bei der- ſelben im Allgemeinen gar nichts Concretes vorſtellen, obgleich man das Ge- fühl hat, daß allerdings etwas ſehr Beſtimmtes damit gemeint iſt. Das franzöſiſche Recht hat dieſen Begriff des deutſchen überhaupt nicht, da es die Selbſtändigkeit der Selbſtverwaltung und der Vereine nicht kennt, und die surveillance iſt rein äußerlich polizeilicher Natur. Auch in England findet man ihn nicht, weil hier nicht die Regierung, ſondern nur das Gericht, und der Beamtete nur in Folge eines Rechtsſpruches einſchreiten kann. Die sur- vey iſt die techniſche Polizei, die natürlich auch bei Vereinen eintritt, wo ſie techniſche Anſtalten haben, wie bei dem Einzelnen. Der Verein als Ganzes unterliegt der Oberaufſicht an ſich nicht. Abgeſehen von den Erwerbs- geſellſchaften, auf welche ſich die oben angeführte Geſetzgebung, ſowie das neueſte Geſetz von 1862 bezieht, und die um des wirthſchaftlichen Intereſſes willen genau überwacht werden — alle Joint Stock Compagnies ſtehen unter einem eigenen registrar, der ihre Statiſtik führt — iſt in Beziehung auf Vereine nur bei beſtimmten Arten, namentlich bei den friendly societies, eine eigene geſetzliche Behörde (Commission) zu dem Zwecke eingeſetzt, und dieſe übt allerdings eine ziemlich vollſtändige Oberaufſicht aus. Jedoch erſcheint dieß wieder als ein Theil des beſonderen Vereinsrechts, und gehört damit in die Verwaltungslehre. Nur das deutſche Vereinsrecht hat die Vereine als ſolche geſetzlich der Oberaufſicht unterworfen. 1) Die Ueberwachung der Vereine. Die Ueberwachung der Vereine iſt im Allgemeinen diejenige Thä- tigkeit der Behörden, durch welche ſie die Thätigkeit der Vereine zur Kenntniß nimmt, um die Gewißheit zu haben, daß von denſelben nichts dem Geſammtintereſſe Schädliches ausgeht. Man muß bei dieſer Ueberwachung drei Formen derſelben ſcheiden. Sie iſt eine allgemein polizeiliche, eine ſtatiſtiſche und eine techniſche. Ihr entſpricht die Pflicht der Vereine, dasjenige zu thun und zu leiſten, wodurch jene Kenntnißnahme möglich wird, während die rechtliche Gränze

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/662>, abgerufen am 24.11.2024.