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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865.

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als diese Unterordnung gibt es nicht. So weit sie nicht durch ein
Gesetz begränzt ist, ist sie selbst der herrschende Staatswille, ist
sie Gesetz im weiteren Sinn, und was sie bestimmt, ist geltendes
öffentliches Recht, so gut wie das des eigentlichen Gesetzes. Das ist
das fundamentale Princip des Rechts der vollziehenden Gewalt.

Es folgt daraus, daß alle Rechtsfragen auf diesem Gebiete
keinen andern Inhalt haben als den, in welchem Verhältniß der Inhalt
des Willens der vollziehenden Gewalt mit dem bestehenden Gesetze in
Harmonie stehe? Um diese Fragen beantworten zu können, müssen erst
Maß und Form des Antheils des gesetzgebenden Körpers an der Bil-
dung des Staatswillens selbst feststehen. Das aber, in der Theorie
vielleicht sehr einfach, ist in der Wirklichkeit erst durch einen Jahrhunderte
langen Kampf der verschiedenen Elemente des Staatslebens endgültig
geregelt, und zum Theil auch jetzt noch nicht ganz entschieden. Der
positiv rechtliche Begriff des Gesetzes hat damit seine Geschichte, und
mit ihm alle seine obigen rechtlichen Folgerungen. Noch immer sind
wir in dieser Geschichte; sie ist keinesweges abgeschlossen. Noch immer
gibt es keinen in ganz Europa, und eben so wenig in Deutschland ge-
meinschaftlich gültigen Begriff des Gesetzes, geschweige denn der Ver-
ordnung. Ja dieser Begriff des rechtlich gültigen Gesetzes ist nicht bloß
verschieden in den verschiedenen Staaten, und von der gesammten Staats-
wissenschaft ganz und gar vernachlässigt, sondern es ist in einigen Staaten
überhaupt gar nicht scharf zu bestimmen, theils weil Verordnungen
als Gesetze erlassen werden, wie in England und Nordamerika, während
anderseits wieder selbständige Verordnungsgewalten anerkannt sind,
theils weil das Recht der Volksvertretung auf Theilnahme an der Be-
stimmung des Staatswillens so unbestimmt ausgedrückt ist, daß die
Gränze zwischen Gesetz und Verordnung geradezu verschwindet. Wir
müssen daher, ehe wir weiter gehen, wenigstens den großen historischen
Proceß in seinen Umrissen darlegen, an dessen Ende die definitive
Lösung dieser Frage liegt, obgleich diese Aufgabe eigentlich der Ver-
fassungslehre angehörte.

Nicht bloß in dem Moment eines anerkannten Begriffes von Gesetz und
Verordnung, sondern eben so sehr in dem eines bestimmten Begriffes vom
öffentlichen Rechte liegt die Schwierigkeit unserer Aufgabe. Wir müssen fest-
halten, daß so lange unsere Wissenschaft sich nicht dazu versteht, mit den ge-
gebenen Ausdrücken einen ganz bestimmten Sinn zu verbinden, wir im Ein-
zelnen nach wie vor Treffliches leisten, aber im Ganzen nicht weiter kommen
werden. Freilich ist es leicht erklärt, weßhalb der Begriff Gesetz noch so
schwankend und wir möchten sagen örtlich ist; aber es ist keine Hoffnung, zu
einem gemeingültigen Resultat zu kommen, wenn wir nicht feste Definitionen

als dieſe Unterordnung gibt es nicht. So weit ſie nicht durch ein
Geſetz begränzt iſt, iſt ſie ſelbſt der herrſchende Staatswille, iſt
ſie Geſetz im weiteren Sinn, und was ſie beſtimmt, iſt geltendes
öffentliches Recht, ſo gut wie das des eigentlichen Geſetzes. Das iſt
das fundamentale Princip des Rechts der vollziehenden Gewalt.

Es folgt daraus, daß alle Rechtsfragen auf dieſem Gebiete
keinen andern Inhalt haben als den, in welchem Verhältniß der Inhalt
des Willens der vollziehenden Gewalt mit dem beſtehenden Geſetze in
Harmonie ſtehe? Um dieſe Fragen beantworten zu können, müſſen erſt
Maß und Form des Antheils des geſetzgebenden Körpers an der Bil-
dung des Staatswillens ſelbſt feſtſtehen. Das aber, in der Theorie
vielleicht ſehr einfach, iſt in der Wirklichkeit erſt durch einen Jahrhunderte
langen Kampf der verſchiedenen Elemente des Staatslebens endgültig
geregelt, und zum Theil auch jetzt noch nicht ganz entſchieden. Der
poſitiv rechtliche Begriff des Geſetzes hat damit ſeine Geſchichte, und
mit ihm alle ſeine obigen rechtlichen Folgerungen. Noch immer ſind
wir in dieſer Geſchichte; ſie iſt keinesweges abgeſchloſſen. Noch immer
gibt es keinen in ganz Europa, und eben ſo wenig in Deutſchland ge-
meinſchaftlich gültigen Begriff des Geſetzes, geſchweige denn der Ver-
ordnung. Ja dieſer Begriff des rechtlich gültigen Geſetzes iſt nicht bloß
verſchieden in den verſchiedenen Staaten, und von der geſammten Staats-
wiſſenſchaft ganz und gar vernachläſſigt, ſondern es iſt in einigen Staaten
überhaupt gar nicht ſcharf zu beſtimmen, theils weil Verordnungen
als Geſetze erlaſſen werden, wie in England und Nordamerika, während
anderſeits wieder ſelbſtändige Verordnungsgewalten anerkannt ſind,
theils weil das Recht der Volksvertretung auf Theilnahme an der Be-
ſtimmung des Staatswillens ſo unbeſtimmt ausgedrückt iſt, daß die
Gränze zwiſchen Geſetz und Verordnung geradezu verſchwindet. Wir
müſſen daher, ehe wir weiter gehen, wenigſtens den großen hiſtoriſchen
Proceß in ſeinen Umriſſen darlegen, an deſſen Ende die definitive
Löſung dieſer Frage liegt, obgleich dieſe Aufgabe eigentlich der Ver-
faſſungslehre angehörte.

Nicht bloß in dem Moment eines anerkannten Begriffes von Geſetz und
Verordnung, ſondern eben ſo ſehr in dem eines beſtimmten Begriffes vom
öffentlichen Rechte liegt die Schwierigkeit unſerer Aufgabe. Wir müſſen feſt-
halten, daß ſo lange unſere Wiſſenſchaft ſich nicht dazu verſteht, mit den ge-
gebenen Ausdrücken einen ganz beſtimmten Sinn zu verbinden, wir im Ein-
zelnen nach wie vor Treffliches leiſten, aber im Ganzen nicht weiter kommen
werden. Freilich iſt es leicht erklärt, weßhalb der Begriff Geſetz noch ſo
ſchwankend und wir möchten ſagen örtlich iſt; aber es iſt keine Hoffnung, zu
einem gemeingültigen Reſultat zu kommen, wenn wir nicht feſte Definitionen

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[54/0078] als dieſe Unterordnung gibt es nicht. So weit ſie nicht durch ein Geſetz begränzt iſt, iſt ſie ſelbſt der herrſchende Staatswille, iſt ſie Geſetz im weiteren Sinn, und was ſie beſtimmt, iſt geltendes öffentliches Recht, ſo gut wie das des eigentlichen Geſetzes. Das iſt das fundamentale Princip des Rechts der vollziehenden Gewalt. Es folgt daraus, daß alle Rechtsfragen auf dieſem Gebiete keinen andern Inhalt haben als den, in welchem Verhältniß der Inhalt des Willens der vollziehenden Gewalt mit dem beſtehenden Geſetze in Harmonie ſtehe? Um dieſe Fragen beantworten zu können, müſſen erſt Maß und Form des Antheils des geſetzgebenden Körpers an der Bil- dung des Staatswillens ſelbſt feſtſtehen. Das aber, in der Theorie vielleicht ſehr einfach, iſt in der Wirklichkeit erſt durch einen Jahrhunderte langen Kampf der verſchiedenen Elemente des Staatslebens endgültig geregelt, und zum Theil auch jetzt noch nicht ganz entſchieden. Der poſitiv rechtliche Begriff des Geſetzes hat damit ſeine Geſchichte, und mit ihm alle ſeine obigen rechtlichen Folgerungen. Noch immer ſind wir in dieſer Geſchichte; ſie iſt keinesweges abgeſchloſſen. Noch immer gibt es keinen in ganz Europa, und eben ſo wenig in Deutſchland ge- meinſchaftlich gültigen Begriff des Geſetzes, geſchweige denn der Ver- ordnung. Ja dieſer Begriff des rechtlich gültigen Geſetzes iſt nicht bloß verſchieden in den verſchiedenen Staaten, und von der geſammten Staats- wiſſenſchaft ganz und gar vernachläſſigt, ſondern es iſt in einigen Staaten überhaupt gar nicht ſcharf zu beſtimmen, theils weil Verordnungen als Geſetze erlaſſen werden, wie in England und Nordamerika, während anderſeits wieder ſelbſtändige Verordnungsgewalten anerkannt ſind, theils weil das Recht der Volksvertretung auf Theilnahme an der Be- ſtimmung des Staatswillens ſo unbeſtimmt ausgedrückt iſt, daß die Gränze zwiſchen Geſetz und Verordnung geradezu verſchwindet. Wir müſſen daher, ehe wir weiter gehen, wenigſtens den großen hiſtoriſchen Proceß in ſeinen Umriſſen darlegen, an deſſen Ende die definitive Löſung dieſer Frage liegt, obgleich dieſe Aufgabe eigentlich der Ver- faſſungslehre angehörte. Nicht bloß in dem Moment eines anerkannten Begriffes von Geſetz und Verordnung, ſondern eben ſo ſehr in dem eines beſtimmten Begriffes vom öffentlichen Rechte liegt die Schwierigkeit unſerer Aufgabe. Wir müſſen feſt- halten, daß ſo lange unſere Wiſſenſchaft ſich nicht dazu verſteht, mit den ge- gebenen Ausdrücken einen ganz beſtimmten Sinn zu verbinden, wir im Ein- zelnen nach wie vor Treffliches leiſten, aber im Ganzen nicht weiter kommen werden. Freilich iſt es leicht erklärt, weßhalb der Begriff Geſetz noch ſo ſchwankend und wir möchten ſagen örtlich iſt; aber es iſt keine Hoffnung, zu einem gemeingültigen Reſultat zu kommen, wenn wir nicht feſte Definitionen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/78>, abgerufen am 26.11.2024.