Verwaltung im weitern Sinn, sondern auch ausdrücklich das Recht der Ver- ordnung: der Congreß hat das Recht: "to make all laws which shall be neces- sary and proper for carrying into execution the foregoing powers, and all other powers vested by this constitution in the gouvernement of the United States, or in ony departement or office thereof."
Die executive power des Präsidenten hatte dabei natürlich nicht viel zu bedeuten. Die Hülfe gegen diesen Widersinn lag allerdings in zwei Dingen: in dem Frieden und in der Selbstverwaltung. Der Begriff der Ordres kommt gar nicht vor.
Frankreich.
Von besonderem Interesse ist in der Entwicklung von Gesetz und Verord- nung natürlich Frankreich. Man kann von ihm sagen, daß alle Formen und Auffassungen der Verhältnisse beider hier in der Gestalt förmlicher verfassungs- mäßiger Bestimmungen erscheinen.
Dieser historische Bildungsproceß des formellen Begriffes beginnt mit der Declaration des droits de l'homme. Sie ist eigentlich das Lehrbuch für den ursprünglichen Gedanken der ganzen Theorie. Art. 6 sagt:
"La loi est l'expression de la volonte generale. Tous les citoyens ont droit de concourir personnellement, ou par leurs representants, a sa formation."
Die Eintheilung der Souverainete du peuple III. Art. 3, 4, 5 delegirt die Gesetzgebung an die assemblee nationale, die Vollziehung an den König, das Gericht an die Richter. Diese gesetzgebende Gewalt empfängt ihre speziellen Aufgaben Ch. III. Sect. 1. Dabei ist der schon ganz bestimmte Begriff der Verordnung förmlich anerkannt Ch. II. Sect. IV.
Art. 4. "Aucun ordre du Roi ne peut etre execute, s'il n'est signe par lui, et contresigne par le ministre ou l'ordonnateur du departement."
Es ist, als ob man in dieser Verfassung und der nordamerikanischen das alte Europa neben dem jungen Amerika in seiner selbsteigensten Gestalt hin- treten sieht; es liegt eine ungeheure Differenz zwischen beiden Auffassungen. Die folgenden Constitutionen haben umsonst versucht, das unverlöschliche monar- chische Princip auch nur für einen Augenblick zu verwischen, und die trans- atlantische Idee selbst auf den Boden der wildesten europäischen Republik zu verpflanzen! Die Constitution von 1793 geht nun einen Schritt weiter. In ihr ist der Unterschied zwischen Gesetz und Verordnung formell klar, obwohl beide der Sache nach identisch sind, indem beide von der gesetzgebenden Gewalt gegeben werden, aber beide sowohl verschieden sind in ihren Gegenständen als in der Form.
Art. 53. "Le Corps legislatif propose les lois, et rend les decrets. Art. 55. Les decrets -- concernent: les mesures de saurete et de tran- quillite generale etc."
In der Constitution von 1795 ist dieser Standpunkt dahin entwickelt, daß aus motifs d'urgence die Formen der Gesetzgebung von dem Conseil des Cinq Cents übergangen werden können; es ist der Anfang der in Deutschland
Verwaltung im weitern Sinn, ſondern auch ausdrücklich das Recht der Ver- ordnung: der Congreß hat das Recht: „to make all laws which shall be neces- sary and proper for carrying into execution the foregoing powers, and all other powers vested by this constitution in the gouvernement of the United States, or in ony departement or office thereof.“
Die executive power des Präſidenten hatte dabei natürlich nicht viel zu bedeuten. Die Hülfe gegen dieſen Widerſinn lag allerdings in zwei Dingen: in dem Frieden und in der Selbſtverwaltung. Der Begriff der Ordres kommt gar nicht vor.
Frankreich.
Von beſonderem Intereſſe iſt in der Entwicklung von Geſetz und Verord- nung natürlich Frankreich. Man kann von ihm ſagen, daß alle Formen und Auffaſſungen der Verhältniſſe beider hier in der Geſtalt förmlicher verfaſſungs- mäßiger Beſtimmungen erſcheinen.
Dieſer hiſtoriſche Bildungsproceß des formellen Begriffes beginnt mit der Déclaration des droits de l’homme. Sie iſt eigentlich das Lehrbuch für den urſprünglichen Gedanken der ganzen Theorie. Art. 6 ſagt:
„La loi est l’expression de la volonté générale. Tous les citoyens ont droit de concourir personnellement, ou par leurs représentants, à sa formation.“
Die Eintheilung der Souveraineté du peuple III. Art. 3, 4, 5 delegirt die Geſetzgebung an die assemblée nationale, die Vollziehung an den König, das Gericht an die Richter. Dieſe geſetzgebende Gewalt empfängt ihre ſpeziellen Aufgaben Ch. III. Sect. 1. Dabei iſt der ſchon ganz beſtimmte Begriff der Verordnung förmlich anerkannt Ch. II. Sect. IV.
Art. 4. „Aucun ordre du Roi ne peut être exécuté, s’il n’est signé par lui, et contresigné par le ministre ou l’ordonnateur du departement.“
Es iſt, als ob man in dieſer Verfaſſung und der nordamerikaniſchen das alte Europa neben dem jungen Amerika in ſeiner ſelbſteigenſten Geſtalt hin- treten ſieht; es liegt eine ungeheure Differenz zwiſchen beiden Auffaſſungen. Die folgenden Conſtitutionen haben umſonſt verſucht, das unverlöſchliche monar- chiſche Princip auch nur für einen Augenblick zu verwiſchen, und die trans- atlantiſche Idee ſelbſt auf den Boden der wildeſten europäiſchen Republik zu verpflanzen! Die Conſtitution von 1793 geht nun einen Schritt weiter. In ihr iſt der Unterſchied zwiſchen Geſetz und Verordnung formell klar, obwohl beide der Sache nach identiſch ſind, indem beide von der geſetzgebenden Gewalt gegeben werden, aber beide ſowohl verſchieden ſind in ihren Gegenſtänden als in der Form.
Art. 53. „Le Corps législatif propose les lois, et rend les décrets. Art. 55. Les décrets — concernent: les mesures de sûreté et de tran- quillité générale etc.“
In der Conſtitution von 1795 iſt dieſer Standpunkt dahin entwickelt, daß aus motifs d’urgence die Formen der Geſetzgebung von dem Conseil des Cinq Cents übergangen werden können; es iſt der Anfang der in Deutſchland
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all other powers vested by this constitution in the gouvernement of the
United States, or in ony departement or office thereof.“
Die executive power des Präſidenten hatte dabei natürlich nicht viel zu
bedeuten. Die Hülfe gegen dieſen Widerſinn lag allerdings in zwei Dingen:
in dem Frieden und in der Selbſtverwaltung. Der Begriff der Ordres kommt
gar nicht vor.
Frankreich.
Von beſonderem Intereſſe iſt in der Entwicklung von Geſetz und Verord-
nung natürlich Frankreich. Man kann von ihm ſagen, daß alle Formen und
Auffaſſungen der Verhältniſſe beider hier in der Geſtalt förmlicher verfaſſungs-
mäßiger Beſtimmungen erſcheinen.
Dieſer hiſtoriſche Bildungsproceß des formellen Begriffes beginnt mit der
Déclaration des droits de l’homme. Sie iſt eigentlich das Lehrbuch für den
urſprünglichen Gedanken der ganzen Theorie. Art. 6 ſagt:
„La loi est l’expression de la volonté générale. Tous les citoyens
ont droit de concourir personnellement, ou par leurs représentants, à sa
formation.“
Die Eintheilung der Souveraineté du peuple III. Art. 3, 4, 5 delegirt
die Geſetzgebung an die assemblée nationale, die Vollziehung an den König,
das Gericht an die Richter. Dieſe geſetzgebende Gewalt empfängt ihre ſpeziellen
Aufgaben Ch. III. Sect. 1. Dabei iſt der ſchon ganz beſtimmte Begriff der
Verordnung förmlich anerkannt Ch. II. Sect. IV.
Art. 4. „Aucun ordre du Roi ne peut être exécuté, s’il n’est signé
par lui, et contresigné par le ministre ou l’ordonnateur du departement.“
Es iſt, als ob man in dieſer Verfaſſung und der nordamerikaniſchen das
alte Europa neben dem jungen Amerika in ſeiner ſelbſteigenſten Geſtalt hin-
treten ſieht; es liegt eine ungeheure Differenz zwiſchen beiden Auffaſſungen.
Die folgenden Conſtitutionen haben umſonſt verſucht, das unverlöſchliche monar-
chiſche Princip auch nur für einen Augenblick zu verwiſchen, und die trans-
atlantiſche Idee ſelbſt auf den Boden der wildeſten europäiſchen Republik zu
verpflanzen! Die Conſtitution von 1793 geht nun einen Schritt weiter. In
ihr iſt der Unterſchied zwiſchen Geſetz und Verordnung formell klar, obwohl
beide der Sache nach identiſch ſind, indem beide von der geſetzgebenden Gewalt
gegeben werden, aber beide ſowohl verſchieden ſind in ihren Gegenſtänden als
in der Form.
Art. 53. „Le Corps législatif propose les lois, et rend les décrets.
Art. 55. Les décrets — concernent: les mesures de sûreté et de tran-
quillité générale etc.“
In der Conſtitution von 1795 iſt dieſer Standpunkt dahin entwickelt, daß
aus motifs d’urgence die Formen der Geſetzgebung von dem Conseil des
Cinq Cents übergangen werden können; es iſt der Anfang der in Deutſchland
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 1. Stuttgart, 1865, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre01_1865/93>, abgerufen am 28.11.2024.
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