Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

Bild:
<< vorherige Seite
Vorwort.

Ich lege hiemit den ersten Theil meiner Inneren Verwal-
tungslehre der deutschen wissenschaftlichen Welt vor.

So gering ich auch meine eigene Arbeitskraft und meine Kennt-
nisse anschlagen mag, so hat mich dennoch dieser Theil davon über-
zeugt, daß es kaum einen Menschen geben wird, der allein im
Stande wäre, das ungeheure, bei jedem Schritte sich in Vergangen-
heit, Gegenwart und Zukunft weiter ausdehnende Gebiet der Wissen-
schaft der Verwaltung zu überwältigen. Was ich hier für einen
Theil eines Theiles zu leisten versucht, wird wenigstens als Bei-
spiel für das dienen, was hier zu leisten ist, soll das Werk der
Aufgabe würdig sein.

Wer daher je mit mir und nach mir es unternehmen wird,
hier weiter zu arbeiten, der bedarf mehr als der bloßen Arbeits-
kraft. Er wird einer höheren sittlichen Idee bedürfen, um Muth
und Eifer da aufrecht zu halten, wo das Maß menschlicher Kraft
zu gering erscheint gegenüber demjenigen, was die Wissenschaft hier
noch von ihr zu fordern hat.

Diese Idee ist eine große. Mich hat sie begleitet und ge-
tragen. Möge sie jedem zur Seite stehen, der die Hand an dieß
gewaltige Werk legt!

Das Ideal der Geschichte ist der vollendete Mensch. Seine
Vollendung wird er nie allein aus sich heraus gewinnen. Die
Gemeinschaft der Menschen muß in allen Formen ihm helfen, ihn
schützen und fördern. Die Gemeinschaft aber ist, indem sie das
thut, die Dienerin eines höheren als des menschlichen Willens.
Sie lebt, indem sie das thut, ihr eigenes Leben. Sie erhebt sich
hoch über die Willkür, den Zufall, den Unverstand der Einzelnen.

Vorwort.

Ich lege hiemit den erſten Theil meiner Inneren Verwal-
tungslehre der deutſchen wiſſenſchaftlichen Welt vor.

So gering ich auch meine eigene Arbeitskraft und meine Kennt-
niſſe anſchlagen mag, ſo hat mich dennoch dieſer Theil davon über-
zeugt, daß es kaum einen Menſchen geben wird, der allein im
Stande wäre, das ungeheure, bei jedem Schritte ſich in Vergangen-
heit, Gegenwart und Zukunft weiter ausdehnende Gebiet der Wiſſen-
ſchaft der Verwaltung zu überwältigen. Was ich hier für einen
Theil eines Theiles zu leiſten verſucht, wird wenigſtens als Bei-
ſpiel für das dienen, was hier zu leiſten iſt, ſoll das Werk der
Aufgabe würdig ſein.

Wer daher je mit mir und nach mir es unternehmen wird,
hier weiter zu arbeiten, der bedarf mehr als der bloßen Arbeits-
kraft. Er wird einer höheren ſittlichen Idee bedürfen, um Muth
und Eifer da aufrecht zu halten, wo das Maß menſchlicher Kraft
zu gering erſcheint gegenüber demjenigen, was die Wiſſenſchaft hier
noch von ihr zu fordern hat.

Dieſe Idee iſt eine große. Mich hat ſie begleitet und ge-
tragen. Möge ſie jedem zur Seite ſtehen, der die Hand an dieß
gewaltige Werk legt!

Das Ideal der Geſchichte iſt der vollendete Menſch. Seine
Vollendung wird er nie allein aus ſich heraus gewinnen. Die
Gemeinſchaft der Menſchen muß in allen Formen ihm helfen, ihn
ſchützen und fördern. Die Gemeinſchaft aber iſt, indem ſie das
thut, die Dienerin eines höheren als des menſchlichen Willens.
Sie lebt, indem ſie das thut, ihr eigenes Leben. Sie erhebt ſich
hoch über die Willkür, den Zufall, den Unverſtand der Einzelnen.

<TEI>
  <text>
    <front>
      <pb facs="#f0011" n="[V]"/>
      <div n="1">
        <head> <hi rendition="#b">Vorwort.</hi> </head><lb/>
        <p>Ich lege hiemit den <hi rendition="#g">er&#x017F;ten Theil</hi> meiner Inneren Verwal-<lb/>
tungslehre der deut&#x017F;chen wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlichen Welt vor.</p><lb/>
        <p>So gering ich auch meine eigene Arbeitskraft und meine Kennt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e an&#x017F;chlagen mag, &#x017F;o hat mich dennoch die&#x017F;er Theil davon über-<lb/>
zeugt, daß es kaum einen Men&#x017F;chen geben wird, der allein im<lb/>
Stande wäre, das ungeheure, bei jedem Schritte &#x017F;ich in Vergangen-<lb/>
heit, Gegenwart und Zukunft weiter ausdehnende Gebiet der Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaft der Verwaltung zu überwältigen. Was ich hier für einen<lb/>
Theil eines Theiles zu lei&#x017F;ten ver&#x017F;ucht, wird wenig&#x017F;tens als Bei-<lb/>
&#x017F;piel für das dienen, was hier zu lei&#x017F;ten i&#x017F;t, &#x017F;oll das Werk der<lb/>
Aufgabe würdig &#x017F;ein.</p><lb/>
        <p>Wer daher je mit mir und nach mir es unternehmen wird,<lb/>
hier weiter zu arbeiten, der bedarf mehr als der bloßen Arbeits-<lb/>
kraft. Er wird einer höheren &#x017F;ittlichen Idee bedürfen, um Muth<lb/>
und Eifer da aufrecht zu halten, wo das Maß men&#x017F;chlicher Kraft<lb/>
zu gering er&#x017F;cheint gegenüber demjenigen, was die Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft hier<lb/>
noch von ihr zu fordern hat.</p><lb/>
        <p>Die&#x017F;e Idee i&#x017F;t eine große. Mich hat &#x017F;ie begleitet und ge-<lb/>
tragen. Möge &#x017F;ie jedem zur Seite &#x017F;tehen, der die Hand an dieß<lb/>
gewaltige Werk legt!</p><lb/>
        <p>Das Ideal der Ge&#x017F;chichte i&#x017F;t der vollendete Men&#x017F;ch. Seine<lb/>
Vollendung wird er nie allein aus &#x017F;ich heraus gewinnen. Die<lb/>
Gemein&#x017F;chaft der Men&#x017F;chen muß in allen Formen ihm helfen, ihn<lb/>
&#x017F;chützen und fördern. Die Gemein&#x017F;chaft aber i&#x017F;t, indem &#x017F;ie das<lb/>
thut, die Dienerin eines höheren als des men&#x017F;chlichen Willens.<lb/>
Sie lebt, indem &#x017F;ie das thut, ihr eigenes Leben. Sie erhebt &#x017F;ich<lb/>
hoch über die Willkür, den Zufall, den Unver&#x017F;tand der Einzelnen.<lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[[V]/0011] Vorwort. Ich lege hiemit den erſten Theil meiner Inneren Verwal- tungslehre der deutſchen wiſſenſchaftlichen Welt vor. So gering ich auch meine eigene Arbeitskraft und meine Kennt- niſſe anſchlagen mag, ſo hat mich dennoch dieſer Theil davon über- zeugt, daß es kaum einen Menſchen geben wird, der allein im Stande wäre, das ungeheure, bei jedem Schritte ſich in Vergangen- heit, Gegenwart und Zukunft weiter ausdehnende Gebiet der Wiſſen- ſchaft der Verwaltung zu überwältigen. Was ich hier für einen Theil eines Theiles zu leiſten verſucht, wird wenigſtens als Bei- ſpiel für das dienen, was hier zu leiſten iſt, ſoll das Werk der Aufgabe würdig ſein. Wer daher je mit mir und nach mir es unternehmen wird, hier weiter zu arbeiten, der bedarf mehr als der bloßen Arbeits- kraft. Er wird einer höheren ſittlichen Idee bedürfen, um Muth und Eifer da aufrecht zu halten, wo das Maß menſchlicher Kraft zu gering erſcheint gegenüber demjenigen, was die Wiſſenſchaft hier noch von ihr zu fordern hat. Dieſe Idee iſt eine große. Mich hat ſie begleitet und ge- tragen. Möge ſie jedem zur Seite ſtehen, der die Hand an dieß gewaltige Werk legt! Das Ideal der Geſchichte iſt der vollendete Menſch. Seine Vollendung wird er nie allein aus ſich heraus gewinnen. Die Gemeinſchaft der Menſchen muß in allen Formen ihm helfen, ihn ſchützen und fördern. Die Gemeinſchaft aber iſt, indem ſie das thut, die Dienerin eines höheren als des menſchlichen Willens. Sie lebt, indem ſie das thut, ihr eigenes Leben. Sie erhebt ſich hoch über die Willkür, den Zufall, den Unverſtand der Einzelnen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/11
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. [V]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/11>, abgerufen am 21.11.2024.