Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.That tritt, trotz der einseitigen und zum Theil unanständigen Vorschläge Wein- That tritt, trotz der einſeitigen und zum Theil unanſtändigen Vorſchläge Wein- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0143" n="121"/> That tritt, trotz der einſeitigen und zum Theil unanſtändigen Vorſchläge <hi rendition="#g">Wein-<lb/> holds</hi> (Von der Uebervölkerung in Mitteleuropa und deren Folgen, 1827.<lb/><hi rendition="#g">Mohl</hi>, 1. 1. 490), die eigentliche Frage der Malthus’ſchen Theorie erſt mit der<lb/> Julirevolution und dem in ihr gegebenen Siege der induſtriellen Capitalien<lb/> über die alten grundherrlichen Ideen in den Vordergrund, und hier muß man<lb/> einen Fehler gut machen, den <hi rendition="#g">Mohl</hi> begangen hat. Die ſyſtematiſche Aufnahme<lb/> des Malthus’ſchen Princips in die neue Staatswiſſenſchaft geht von <hi rendition="#g">Rau</hi> aus<lb/> (<hi rendition="#g">Volkswirthſchaftslehre</hi> §. 111 ff.); obwohl er ſich ſtrenge an die franzöſiſch-<lb/> engliſche Bearbeitung hält, und vor allem die Freiheit von polizeilicher Bevor-<lb/> mundung urgirt. Er traf mit dem letzten Satze die Tendenzen ſeiner Zeit;<lb/> aber die Anſichten Malthus’ vermochte er nicht zu widerlegen, und iſt, indem<lb/> er ſie ſyſtematiſch in die Nationalökonomie einführt, zugleich der erſte, der ſie<lb/> und ihre mathematiſche Härte <hi rendition="#g">umgeht</hi>, eine Richtung, in der ihm <hi rendition="#g">Roſcher</hi><lb/> (a. a. O.) folgt. Rau faßt dann in der Volkswirthſchaftslehre die Bevölkerung<lb/> wieder nur als „Zahl der Arbeiter“ auf. (§. 11 ff.) Das ſociale Element ent-<lb/> geht ihm ganz. <hi rendition="#g">Mohl</hi> endlich in ſeiner „Polizeiwiſſenſchaft“ (Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi>) berufen<lb/> die Sache gründlich zu erforſchen, ſtellt allerdings das erſte <hi rendition="#g">Syſtem</hi> der Ver-<lb/> waltung auf, indem er das „Zählungsweſen“ als vorbereitende Maßregel von<lb/> den Maßregeln zur <hi rendition="#g">Vermehrung</hi> der Bevölkerung und den Maßregeln gegen<lb/><hi rendition="#g">Uebervölkerung</hi> ſcheidet. Die ſociale Bedeutung der Sache geht ihm jedoch<lb/> in der kritiſchen Beleuchtung der einzelnen Regierungsmaßregeln unter, und die<lb/> „Maſſenarmuth“ iſt ihm nur ein Theil des Armenweſens. Zu einem <hi rendition="#g">Abſchluß</hi><lb/> iſt dieſe Theorie nicht gediehen. Daß Mohl in ſeiner Geſchichte auf das von<lb/> mir aufgeſtellte Geſetz der Bewegung der Bevölkerung (Syſtem der Staats-<lb/> wiſſenſchaft <hi rendition="#aq">I.</hi> S. 112 ff., dem allerdings noch die geſellſchaftliche Seite mangelt und<lb/> das daher eine ſehr formale Geſtalt hat), wornach die Gefahr der Uebervölkerung<lb/><hi rendition="#g">dadurch organiſch</hi> beſeitigt wird, daß die Zunahme der Bevölkerung durch<lb/> die <hi rendition="#g">arbeitsloſe Einnahme</hi> aufhört, und nicht durch die Arbeit an ſich,<lb/> ſondern durch die Wechſelwirkung von geſunder und ausreichender Arbeit geregelt<lb/> wird, ſo daß ſich die drei mathematiſchen Grundverhältniſſe der Bewegung aller<lb/> Bevölkerung, Zunahme, Abnahme und Stillſtand, im Allgemeinen und ſelbſt<lb/><hi rendition="#g">örtlich</hi> durch die Faktoren: Geſundheit und Quantität der Arbeit und Geſund-<lb/> heit des Klimas beſtimmen — keine Rückſicht genommen hat, obwohl es allein<lb/> die Bewegung beherrſcht und erklärt, verſteht ſich. <hi rendition="#g">Dauernd</hi> aber iſt aus<lb/> dieſer ganzen, von Malthus hervorgerufenen Bewegung im Gebiete der Ver-<lb/> waltung der Bevölkerung eigentlich nur Ein Satz geblieben, den man gegenüber<lb/> der Härte der ziffermäßigen Tabellendurchſchnitte und anderſeits in Harmonie<lb/> mit der ganzen, von den Eingriffen der „Polizei“ ſich mehr und mehr befreien-<lb/> den Richtung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft gerne und allgemein annahm:<lb/> daß der Staat am beſten thue, wenn er ſich <hi rendition="#g">gar nicht</hi> um die Bevölkerung<lb/> kümmere. Malthus hatte dieſe Beſeitigung der Verwaltung noch auf das Ge-<lb/> wiſſen der Einzelnen zurückgeführt; die Neuern dagegen begründen ſie einfach<lb/> auf die Geſetze der Bewegung der Bevölkerung, und haben ſich damit, aufrichtig<lb/> geſtanden, die Sache bequem gemacht. Denn dieſe Geſetze der Bewegung <hi rendition="#g">ſind<lb/> eben keine Geſetze</hi>, ſondern Durchſchnitte aus ſtatiſtiſchen Beobachtungen,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0143]
That tritt, trotz der einſeitigen und zum Theil unanſtändigen Vorſchläge Wein-
holds (Von der Uebervölkerung in Mitteleuropa und deren Folgen, 1827.
Mohl, 1. 1. 490), die eigentliche Frage der Malthus’ſchen Theorie erſt mit der
Julirevolution und dem in ihr gegebenen Siege der induſtriellen Capitalien
über die alten grundherrlichen Ideen in den Vordergrund, und hier muß man
einen Fehler gut machen, den Mohl begangen hat. Die ſyſtematiſche Aufnahme
des Malthus’ſchen Princips in die neue Staatswiſſenſchaft geht von Rau aus
(Volkswirthſchaftslehre §. 111 ff.); obwohl er ſich ſtrenge an die franzöſiſch-
engliſche Bearbeitung hält, und vor allem die Freiheit von polizeilicher Bevor-
mundung urgirt. Er traf mit dem letzten Satze die Tendenzen ſeiner Zeit;
aber die Anſichten Malthus’ vermochte er nicht zu widerlegen, und iſt, indem
er ſie ſyſtematiſch in die Nationalökonomie einführt, zugleich der erſte, der ſie
und ihre mathematiſche Härte umgeht, eine Richtung, in der ihm Roſcher
(a. a. O.) folgt. Rau faßt dann in der Volkswirthſchaftslehre die Bevölkerung
wieder nur als „Zahl der Arbeiter“ auf. (§. 11 ff.) Das ſociale Element ent-
geht ihm ganz. Mohl endlich in ſeiner „Polizeiwiſſenſchaft“ (Bd. I.) berufen
die Sache gründlich zu erforſchen, ſtellt allerdings das erſte Syſtem der Ver-
waltung auf, indem er das „Zählungsweſen“ als vorbereitende Maßregel von
den Maßregeln zur Vermehrung der Bevölkerung und den Maßregeln gegen
Uebervölkerung ſcheidet. Die ſociale Bedeutung der Sache geht ihm jedoch
in der kritiſchen Beleuchtung der einzelnen Regierungsmaßregeln unter, und die
„Maſſenarmuth“ iſt ihm nur ein Theil des Armenweſens. Zu einem Abſchluß
iſt dieſe Theorie nicht gediehen. Daß Mohl in ſeiner Geſchichte auf das von
mir aufgeſtellte Geſetz der Bewegung der Bevölkerung (Syſtem der Staats-
wiſſenſchaft I. S. 112 ff., dem allerdings noch die geſellſchaftliche Seite mangelt und
das daher eine ſehr formale Geſtalt hat), wornach die Gefahr der Uebervölkerung
dadurch organiſch beſeitigt wird, daß die Zunahme der Bevölkerung durch
die arbeitsloſe Einnahme aufhört, und nicht durch die Arbeit an ſich,
ſondern durch die Wechſelwirkung von geſunder und ausreichender Arbeit geregelt
wird, ſo daß ſich die drei mathematiſchen Grundverhältniſſe der Bewegung aller
Bevölkerung, Zunahme, Abnahme und Stillſtand, im Allgemeinen und ſelbſt
örtlich durch die Faktoren: Geſundheit und Quantität der Arbeit und Geſund-
heit des Klimas beſtimmen — keine Rückſicht genommen hat, obwohl es allein
die Bewegung beherrſcht und erklärt, verſteht ſich. Dauernd aber iſt aus
dieſer ganzen, von Malthus hervorgerufenen Bewegung im Gebiete der Ver-
waltung der Bevölkerung eigentlich nur Ein Satz geblieben, den man gegenüber
der Härte der ziffermäßigen Tabellendurchſchnitte und anderſeits in Harmonie
mit der ganzen, von den Eingriffen der „Polizei“ ſich mehr und mehr befreien-
den Richtung der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft gerne und allgemein annahm:
daß der Staat am beſten thue, wenn er ſich gar nicht um die Bevölkerung
kümmere. Malthus hatte dieſe Beſeitigung der Verwaltung noch auf das Ge-
wiſſen der Einzelnen zurückgeführt; die Neuern dagegen begründen ſie einfach
auf die Geſetze der Bewegung der Bevölkerung, und haben ſich damit, aufrichtig
geſtanden, die Sache bequem gemacht. Denn dieſe Geſetze der Bewegung ſind
eben keine Geſetze, ſondern Durchſchnitte aus ſtatiſtiſchen Beobachtungen,
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