Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.hindurch. Sie enthalten wesentlich Befreiung von gewissen örtlichen Lasten, hindurch. Sie enthalten weſentlich Befreiung von gewiſſen örtlichen Laſten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0203" n="181"/> hindurch. Sie enthalten weſentlich Befreiung von gewiſſen örtlichen Laſten,<lb/> theils auch Freijahre für Neubauten (§. 577. 583), theils enthalten ſie Ver-<lb/> gütung der Transportkoſten (§. 576), nach dem Reſcript vom 26. October 1770<lb/> ſogar bei Anbau wüſter Plätze ein Geſchenk von 150 Thlr. nebſt 23 Proc. Ver-<lb/> gütung der Baukoſten und zehnjährige bis fünfzehnjährige Freiheit (§. 580).<lb/> In einigen Provinzen ſind noch beſondere Vorrechte verliehen (§. 583). Aehn-<lb/> liche Vergünſtigungen wie in Preußen fanden in Braunſchweig ſtatt nach Pa-<lb/> tent vom 12. Juli 1718; beachtenswerth iſt hier die Beſtimmung, daß „alle,<lb/> welche über 2000 Rthlr. ins Land bringen und <hi rendition="#g">keine bürgerliche Nahrung</hi><lb/> treiben, nicht ſchuldig ſind die <hi rendition="#g">Bürgerſchaft</hi> zu gewinnen, unter keiner<lb/><hi rendition="#g">Stadtobrigkeit</hi> ſtehen.“ <hi rendition="#g">Berg</hi>, T. Polizeirecht a. a. O. S. 39. 41. Wir<lb/> würden wohl ähnliche Beſtimmungen aus andern Ländern haben, wenn uns<lb/> die Quellen zu Gebote ſtünden. Allein bereits damals war ein gewiſſer Zweifel<lb/> an dem praktiſchen Werthe dieſer Maßregeln lebendig. Selbſt <hi rendition="#g">Süßmilch</hi> ſagt<lb/> ſchon ganz offen a. a. O. §. 275: „Ein eingeborner Unterthan iſt in den meiſten<lb/> Fällen beſſer als zwei Coloniſten“ (S. 553). Eben ſo erklärt ſich <hi rendition="#g">Berg</hi> a. a. O.<lb/> zweifelhaft; und mit unſerm Jahrhundert geht die Frage in ein anderes Gebiet<lb/> hinüber. Während <hi rendition="#g">Möſer</hi> in ſeinen <hi rendition="#g">Patriotiſchen Phantaſien</hi> Bd. 2 ſich<lb/> direkt <hi rendition="#g">gegen</hi> die Einwanderung von ſeinem oft localen patriotiſchen Standpunkt<lb/> ausſpricht, erkennt <hi rendition="#g">Jacobs, Polizeigeſetzgebung</hi> §. 100 ff. (1809), anſtatt<lb/> einer direkten Unterſtützung die Aufgabe der Regierung in der „<hi rendition="#g">Freiheit</hi> der<lb/> Einwanderung“ (S. 168), ohne zu ſagen, was er darunter verſteht, während<lb/> er in den Colonien weſentlich „Ausnahmsfälle“ und „Muſter der vollkommenen<lb/><hi rendition="#g">Gewerbe</hi>“ ſieht, die man übrigens nach ihm ſchon von Inländern anlegen<lb/> laſſen ſoll (S. 112). Das populationiſtiſche Element verſchwindet hier, während<lb/> bei <hi rendition="#g">Soden</hi>, dem denkendſten Nationalökonomen jener Zeit (1807), ſchon das<lb/> allgemeine Princip der <hi rendition="#g">Heeren</hi>’ſchen Ideen, die <hi rendition="#g">ethiſche</hi> Entwicklung, die<lb/> Geſittung und ihre Förderung zum Ziel der Einwanderung wird. Er will ſie,<lb/> „damit die Racen der Menſchen bisweilen gekreuzt, neues Blut, neuer Lebens-<lb/> ſtoff, neue Anſichten, neue Sitten und Meinungen verpflanzt, dadurch die <hi rendition="#g">Ein-<lb/> ſeitigkeit des Nationalegoismus</hi> vernichtet, und allgemeine Humanität<lb/> und Weltbürgerſinn verbreitet werde.“ Dieſe Auffaſſung drängte die Frage aus<lb/> der ſtrengen Polizeiwiſſenſchaft, während zugleich von anderer Seite die Furcht<lb/> vor Uebervölkerung Zweifel an dem Werthe der Volksvermehrung überhaupt,<lb/> und natürlich ſpeciell der Einwanderung erregte, und endlich die, mit den neuen<lb/> Gemeindeordnungen entſtehende Geſetzgebung über das Heimathsrecht das prak-<lb/> tiſche Ende der Einwanderung, die Aufnahme in die Gemeinde, der Staats-<lb/> verwaltung entzog und den Selbſtverwaltungskörpern übergab. Die Einwande-<lb/> rung und innere Coloniſation verſchwindet damit, und erſcheint von da an nur<lb/> noch in der Frage nach dem <hi rendition="#g">Indigenat</hi> und ſeinem Rechte (ſ. unten). An<lb/> ihre Stelle tritt, wenn auch oft unter dem an ſich ganz falſchen Namen einer<lb/> „<hi rendition="#g">Freiheit</hi> der Einwanderung“ in den neuen Gemeinderechten die „Freiheit<lb/> der <hi rendition="#g">Niederlaſſung</hi>,“ und dieſe wurde durch die Bundesgeſetzgebung (Bundes-<lb/> akte Art. 18) als allgemeines deutſches Rechtsprincip der <hi rendition="#g">Freizügigkeit</hi> an-<lb/> erkannt, wobei es freilich den einzelnen Staaten überlaſſen blieb, den Inhalt<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [181/0203]
hindurch. Sie enthalten weſentlich Befreiung von gewiſſen örtlichen Laſten,
theils auch Freijahre für Neubauten (§. 577. 583), theils enthalten ſie Ver-
gütung der Transportkoſten (§. 576), nach dem Reſcript vom 26. October 1770
ſogar bei Anbau wüſter Plätze ein Geſchenk von 150 Thlr. nebſt 23 Proc. Ver-
gütung der Baukoſten und zehnjährige bis fünfzehnjährige Freiheit (§. 580).
In einigen Provinzen ſind noch beſondere Vorrechte verliehen (§. 583). Aehn-
liche Vergünſtigungen wie in Preußen fanden in Braunſchweig ſtatt nach Pa-
tent vom 12. Juli 1718; beachtenswerth iſt hier die Beſtimmung, daß „alle,
welche über 2000 Rthlr. ins Land bringen und keine bürgerliche Nahrung
treiben, nicht ſchuldig ſind die Bürgerſchaft zu gewinnen, unter keiner
Stadtobrigkeit ſtehen.“ Berg, T. Polizeirecht a. a. O. S. 39. 41. Wir
würden wohl ähnliche Beſtimmungen aus andern Ländern haben, wenn uns
die Quellen zu Gebote ſtünden. Allein bereits damals war ein gewiſſer Zweifel
an dem praktiſchen Werthe dieſer Maßregeln lebendig. Selbſt Süßmilch ſagt
ſchon ganz offen a. a. O. §. 275: „Ein eingeborner Unterthan iſt in den meiſten
Fällen beſſer als zwei Coloniſten“ (S. 553). Eben ſo erklärt ſich Berg a. a. O.
zweifelhaft; und mit unſerm Jahrhundert geht die Frage in ein anderes Gebiet
hinüber. Während Möſer in ſeinen Patriotiſchen Phantaſien Bd. 2 ſich
direkt gegen die Einwanderung von ſeinem oft localen patriotiſchen Standpunkt
ausſpricht, erkennt Jacobs, Polizeigeſetzgebung §. 100 ff. (1809), anſtatt
einer direkten Unterſtützung die Aufgabe der Regierung in der „Freiheit der
Einwanderung“ (S. 168), ohne zu ſagen, was er darunter verſteht, während
er in den Colonien weſentlich „Ausnahmsfälle“ und „Muſter der vollkommenen
Gewerbe“ ſieht, die man übrigens nach ihm ſchon von Inländern anlegen
laſſen ſoll (S. 112). Das populationiſtiſche Element verſchwindet hier, während
bei Soden, dem denkendſten Nationalökonomen jener Zeit (1807), ſchon das
allgemeine Princip der Heeren’ſchen Ideen, die ethiſche Entwicklung, die
Geſittung und ihre Förderung zum Ziel der Einwanderung wird. Er will ſie,
„damit die Racen der Menſchen bisweilen gekreuzt, neues Blut, neuer Lebens-
ſtoff, neue Anſichten, neue Sitten und Meinungen verpflanzt, dadurch die Ein-
ſeitigkeit des Nationalegoismus vernichtet, und allgemeine Humanität
und Weltbürgerſinn verbreitet werde.“ Dieſe Auffaſſung drängte die Frage aus
der ſtrengen Polizeiwiſſenſchaft, während zugleich von anderer Seite die Furcht
vor Uebervölkerung Zweifel an dem Werthe der Volksvermehrung überhaupt,
und natürlich ſpeciell der Einwanderung erregte, und endlich die, mit den neuen
Gemeindeordnungen entſtehende Geſetzgebung über das Heimathsrecht das prak-
tiſche Ende der Einwanderung, die Aufnahme in die Gemeinde, der Staats-
verwaltung entzog und den Selbſtverwaltungskörpern übergab. Die Einwande-
rung und innere Coloniſation verſchwindet damit, und erſcheint von da an nur
noch in der Frage nach dem Indigenat und ſeinem Rechte (ſ. unten). An
ihre Stelle tritt, wenn auch oft unter dem an ſich ganz falſchen Namen einer
„Freiheit der Einwanderung“ in den neuen Gemeinderechten die „Freiheit
der Niederlaſſung,“ und dieſe wurde durch die Bundesgeſetzgebung (Bundes-
akte Art. 18) als allgemeines deutſches Rechtsprincip der Freizügigkeit an-
erkannt, wobei es freilich den einzelnen Staaten überlaſſen blieb, den Inhalt
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