Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.gearteten Menschen wird der Regel nach der mehr Besitzende in allem, Um nun aber die rechte Bedeutung desselben zu würdigen, muß Wir haben die Geschlechterordnung, die ständische und die staats- gearteten Menſchen wird der Regel nach der mehr Beſitzende in allem, Um nun aber die rechte Bedeutung deſſelben zu würdigen, muß Wir haben die Geſchlechterordnung, die ſtändiſche und die ſtaats- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0206" n="184"/> gearteten Menſchen wird der Regel nach der <hi rendition="#g">mehr</hi> Beſitzende in allem,<lb/> wodurch das Individuum für das Ganze Werth, Einfluß und Macht<lb/> hat, höher ſtehen, als der weniger Beſitzende. Das iſt kein Zweifel.<lb/> Es iſt ferner kein Zweifel, daß dieſe Größe des Beſitzes nicht etwa eine<lb/> bloße Thatſache iſt, ſondern daß ſie auch zu einem höchſt mächtig wir-<lb/> kenden Faktor für das Leben der Menſchen wird. Dieſelben Menſchen<lb/> werden, je nachdem ſie viel oder wenig beſitzen, anderes thun, anderes<lb/> lernen, anderes erſtreben, anderes lieben und haſſen. Auch das leidet<lb/> keinen Zweifel. Und da es nun im Weſen der Menſchen liegt, daß<lb/> die Gleichartigkeit der Intereſſen die Gemeinſchaft des Wollens und<lb/> Strebens erzeugt, erſt die innere und dann auch die äußere, ſo entſtehen<lb/> auf Grundlage der verſchiedenen Vertheilung des Beſitzes unter den<lb/> Menſchen Gruppen des Geſammtlebens, welche wir mit dem Ausdruck<lb/> der <hi rendition="#g">geſellſchaftlichen Claſſen</hi> bezeichnen. Wir erkennen nun nach<lb/> den Kategorien der Größe des Beſitzes drei ſolcher Claſſen, die <hi rendition="#g">höhere</hi>,<lb/> die <hi rendition="#g">mittlere</hi> und die <hi rendition="#g">niedere</hi> Claſſe. Wie geſagt aber, ſind dieſe<lb/> Claſſen nicht etwa bloß Thatſachen und Zuſtände, ſondern eine jede<lb/> hat ihr eigenthümliches inneres Leben, deſſen Elemente und Bewegungen<lb/> wir eben an dem bezeichneten Orte auseinandergeſetzt haben. Wir haben<lb/> die Wirkung dieſer Claſſenunterſchiede für die Verfaſſung und die ſich<lb/> daran anſchließenden Kämpfe eben dort organiſch entwickelt; wir ſtehen<lb/> jetzt vor der Aufgabe, den Einfluß derſelben auf die <hi rendition="#g">Verwaltung</hi> des<lb/> Staats nachzuweiſen, die ohne ſie gar nicht zu begreifen iſt. Das wird<lb/> ſich im Folgenden faſt in jedem Theile der Verwaltungslehre zeigen;<lb/> hier zunächſt erſcheint dieſer geſellſchaftliche Grundſatz des Claſſenunter-<lb/> ſchiedes nur erſt in der Auswanderungslehre.</p><lb/> <p>Um nun aber die rechte Bedeutung deſſelben zu würdigen, muß<lb/> man hier zuerſt die <hi rendition="#g">Verbindung</hi> des Claſſenunterſchiedes mit den<lb/> Ordnungen der Geſellſchaft wieder hervorheben.</p><lb/> <p>Wir haben die Geſchlechterordnung, die ſtändiſche und die ſtaats-<lb/> bürgerliche Ordnung als die drei Grundformen der Geſellſchaftsord-<lb/> nungen ſtets unterſchieden. Offenbar aber iſt allen dieſen drei Ord-<lb/> nungen bei aller tiefer geiſtigen Verſchiedenheit das Element des Beſitzes<lb/><hi rendition="#g">gemein</hi>. Mithin erſcheint in jeder Ordnung mit dem Beſitze auch die<lb/> Verſchiedenheit deſſelben; und dieſe wird natürlich innerhalb jeder Ord-<lb/> nung ihrer Natur nach ſtets gleichartig wirken. Das heißt, es werden<lb/> ſich nothwendig in <hi rendition="#g">jeder</hi> Geſellſchaftsordnung die <hi rendition="#g">drei Claſſen-<lb/> unterſchiede wieder erzeugen</hi>. Die Geſchlechterordnung ſowohl<lb/> als die ſtändiſche, und ebenſo die ſtaatsbürgerliche werden eine <hi rendition="#g">höhere</hi>,<lb/> eine <hi rendition="#g">mittlere</hi> und eine <hi rendition="#g">niedere</hi> Claſſe haben. Und da nun, wie<lb/> geſagt, dieſe Claſſenunterſchiede ihr eigenes Leben und ihre Gegenſätze<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [184/0206]
gearteten Menſchen wird der Regel nach der mehr Beſitzende in allem,
wodurch das Individuum für das Ganze Werth, Einfluß und Macht
hat, höher ſtehen, als der weniger Beſitzende. Das iſt kein Zweifel.
Es iſt ferner kein Zweifel, daß dieſe Größe des Beſitzes nicht etwa eine
bloße Thatſache iſt, ſondern daß ſie auch zu einem höchſt mächtig wir-
kenden Faktor für das Leben der Menſchen wird. Dieſelben Menſchen
werden, je nachdem ſie viel oder wenig beſitzen, anderes thun, anderes
lernen, anderes erſtreben, anderes lieben und haſſen. Auch das leidet
keinen Zweifel. Und da es nun im Weſen der Menſchen liegt, daß
die Gleichartigkeit der Intereſſen die Gemeinſchaft des Wollens und
Strebens erzeugt, erſt die innere und dann auch die äußere, ſo entſtehen
auf Grundlage der verſchiedenen Vertheilung des Beſitzes unter den
Menſchen Gruppen des Geſammtlebens, welche wir mit dem Ausdruck
der geſellſchaftlichen Claſſen bezeichnen. Wir erkennen nun nach
den Kategorien der Größe des Beſitzes drei ſolcher Claſſen, die höhere,
die mittlere und die niedere Claſſe. Wie geſagt aber, ſind dieſe
Claſſen nicht etwa bloß Thatſachen und Zuſtände, ſondern eine jede
hat ihr eigenthümliches inneres Leben, deſſen Elemente und Bewegungen
wir eben an dem bezeichneten Orte auseinandergeſetzt haben. Wir haben
die Wirkung dieſer Claſſenunterſchiede für die Verfaſſung und die ſich
daran anſchließenden Kämpfe eben dort organiſch entwickelt; wir ſtehen
jetzt vor der Aufgabe, den Einfluß derſelben auf die Verwaltung des
Staats nachzuweiſen, die ohne ſie gar nicht zu begreifen iſt. Das wird
ſich im Folgenden faſt in jedem Theile der Verwaltungslehre zeigen;
hier zunächſt erſcheint dieſer geſellſchaftliche Grundſatz des Claſſenunter-
ſchiedes nur erſt in der Auswanderungslehre.
Um nun aber die rechte Bedeutung deſſelben zu würdigen, muß
man hier zuerſt die Verbindung des Claſſenunterſchiedes mit den
Ordnungen der Geſellſchaft wieder hervorheben.
Wir haben die Geſchlechterordnung, die ſtändiſche und die ſtaats-
bürgerliche Ordnung als die drei Grundformen der Geſellſchaftsord-
nungen ſtets unterſchieden. Offenbar aber iſt allen dieſen drei Ord-
nungen bei aller tiefer geiſtigen Verſchiedenheit das Element des Beſitzes
gemein. Mithin erſcheint in jeder Ordnung mit dem Beſitze auch die
Verſchiedenheit deſſelben; und dieſe wird natürlich innerhalb jeder Ord-
nung ihrer Natur nach ſtets gleichartig wirken. Das heißt, es werden
ſich nothwendig in jeder Geſellſchaftsordnung die drei Claſſen-
unterſchiede wieder erzeugen. Die Geſchlechterordnung ſowohl
als die ſtändiſche, und ebenſo die ſtaatsbürgerliche werden eine höhere,
eine mittlere und eine niedere Claſſe haben. Und da nun, wie
geſagt, dieſe Claſſenunterſchiede ihr eigenes Leben und ihre Gegenſätze
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