Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.tritt ihnen, auf einer wesentlich anderen Grundlage beruhend, vielmehr Fassen wir nun die Zeit vom 16. Jahrhundert bis zum 19. als Offenbar mußte der Zustand, wie wir ihn im Vorhergehenden be- tritt ihnen, auf einer weſentlich anderen Grundlage beruhend, vielmehr Faſſen wir nun die Zeit vom 16. Jahrhundert bis zum 19. als Offenbar mußte der Zuſtand, wie wir ihn im Vorhergehenden be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0344" n="322"/> tritt ihnen, auf einer weſentlich anderen Grundlage beruhend, vielmehr<lb/> faſt direkt entgegen. Es iſt der organiſche und einheitliche <hi rendition="#g">Staat</hi>, der<lb/> Träger des Geſammtintereſſes, der ſich über die in den ſtändiſchen Ver-<lb/> waltungskörpern vertretenen Standes- und Ortsintereſſen erhebt, und<lb/> der, eine von den letztern unabhängige, ja ihnen theilweiſe direkt ent-<lb/> gegengeſetzte Aufgabe verfolgend, auch ein ihm eigenthümliches, jenem<lb/> Angehörigkeitsrecht ſich ziemlich rückſichtslos unterordnendes Syſtem der<lb/> Angehörigkeit erſchafft, deſſen Kern und Macht die Begriffe der <hi rendition="#g">amt-<lb/> lichen Competenz und Zuſtändigkeit</hi> ſind. Nur iſt das Schickſal<lb/> dieſes Kampfes allerdings ein ſehr verſchiedenes in den verſchiedenen<lb/> Ländern Europas, und hier iſt es, wo ſich der Charakter der <hi rendition="#g">deutſchen</hi><lb/> Verwaltungsordnung der Bevölkerung klar heraus bildet. In England<lb/> wird die Verwaltungsgemeinde zum Amt, und das ſtaatliche Amt be-<lb/> ſchränkt ſich faſt auf den Friedensrichter. In Frankreich vernichtet das<lb/> Amt die Gemeinde und die Selbſtverwaltung erhält ſich nur noch in dem<lb/> Syſtem des Conſeils. In Deutſchland dagegen iſt die Bewegung bis zum<lb/> heutigen Tage <hi rendition="#g">nicht</hi> abgeſchloſſen, der Gegenſatz zwiſchen amtlicher und<lb/> Selbſtverwaltung <hi rendition="#g">dauert noch fort</hi>; es iſt verkehrt und darum ver-<lb/> geblich, die dahin gehörigen Zuſtände als fertige in fertigen Terminologien<lb/> und Rechtsformen hinſtellen zu wollen, und der eigentliche Grund aller<lb/> Unklarheit darüber beſteht eben darin, daß man das dennoch theoretiſch<lb/> will, was nach geltendem Recht <hi rendition="#g">nicht</hi> zuläſſig iſt. Denn es kann nicht<lb/> zweifelhaft ſein, daß auch jetzt noch das richtige Verhältniß zwiſchen<lb/> amtlicher und Selbſtverwaltung in Deutſchland <hi rendition="#g">nicht</hi> gefunden, und daß<lb/> daher auch die Geſtalt der Verwaltungsordnung der Bevölkerung <hi rendition="#g">nicht</hi><lb/> eine definitive iſt. Der Grund davon liegt darin, daß die deutſche Ge-<lb/> meinde noch viel <hi rendition="#g">zu ſehr ihre rein hiſtoriſche Geſtalt als Orts-<lb/> gemeinde behalten hat</hi>. Die Entwicklung der Verwaltung hat dieſen<lb/> Standpunkt in Finanzverwaltung und Rechtspflege ſchon zum großen<lb/> Theil überwunden, in dem Innern hat er ſich dagegen noch vielfach<lb/> erhalten. Der Kampf gegen denſelben geht ſeinen Gang fort. Ein<lb/> weſentliches Kriterium deſſelben iſt aber eben die auf ihm beruhende<lb/> adminiſtrative Ordnung der Bevölkerung.</p><lb/> <p>Faſſen wir nun die Zeit vom 16. Jahrhundert bis zum 19. als<lb/> ein Ganzes zuſammen, ſo ſind es hauptſächlich drei Punkte, in denen<lb/> ſich die ſelbſtändige Entwicklung der amtlichen Verwaltungsordnung<lb/> gegenüber der ſtändiſchen zeigt, ohne doch die letztere darum aufzuheben.<lb/> Das iſt die Entwicklung der gerichtlichen Competenz, diejenige der po-<lb/> lizeilichen Competenz, und endlich die des geſetzlichen Heimathweſens.</p><lb/> <p>Offenbar mußte der Zuſtand, wie wir ihn im Vorhergehenden be-<lb/> ſchrieben haben, bei dem ſich freier bewegenden Verkehre ein unerträglicher<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [322/0344]
tritt ihnen, auf einer weſentlich anderen Grundlage beruhend, vielmehr
faſt direkt entgegen. Es iſt der organiſche und einheitliche Staat, der
Träger des Geſammtintereſſes, der ſich über die in den ſtändiſchen Ver-
waltungskörpern vertretenen Standes- und Ortsintereſſen erhebt, und
der, eine von den letztern unabhängige, ja ihnen theilweiſe direkt ent-
gegengeſetzte Aufgabe verfolgend, auch ein ihm eigenthümliches, jenem
Angehörigkeitsrecht ſich ziemlich rückſichtslos unterordnendes Syſtem der
Angehörigkeit erſchafft, deſſen Kern und Macht die Begriffe der amt-
lichen Competenz und Zuſtändigkeit ſind. Nur iſt das Schickſal
dieſes Kampfes allerdings ein ſehr verſchiedenes in den verſchiedenen
Ländern Europas, und hier iſt es, wo ſich der Charakter der deutſchen
Verwaltungsordnung der Bevölkerung klar heraus bildet. In England
wird die Verwaltungsgemeinde zum Amt, und das ſtaatliche Amt be-
ſchränkt ſich faſt auf den Friedensrichter. In Frankreich vernichtet das
Amt die Gemeinde und die Selbſtverwaltung erhält ſich nur noch in dem
Syſtem des Conſeils. In Deutſchland dagegen iſt die Bewegung bis zum
heutigen Tage nicht abgeſchloſſen, der Gegenſatz zwiſchen amtlicher und
Selbſtverwaltung dauert noch fort; es iſt verkehrt und darum ver-
geblich, die dahin gehörigen Zuſtände als fertige in fertigen Terminologien
und Rechtsformen hinſtellen zu wollen, und der eigentliche Grund aller
Unklarheit darüber beſteht eben darin, daß man das dennoch theoretiſch
will, was nach geltendem Recht nicht zuläſſig iſt. Denn es kann nicht
zweifelhaft ſein, daß auch jetzt noch das richtige Verhältniß zwiſchen
amtlicher und Selbſtverwaltung in Deutſchland nicht gefunden, und daß
daher auch die Geſtalt der Verwaltungsordnung der Bevölkerung nicht
eine definitive iſt. Der Grund davon liegt darin, daß die deutſche Ge-
meinde noch viel zu ſehr ihre rein hiſtoriſche Geſtalt als Orts-
gemeinde behalten hat. Die Entwicklung der Verwaltung hat dieſen
Standpunkt in Finanzverwaltung und Rechtspflege ſchon zum großen
Theil überwunden, in dem Innern hat er ſich dagegen noch vielfach
erhalten. Der Kampf gegen denſelben geht ſeinen Gang fort. Ein
weſentliches Kriterium deſſelben iſt aber eben die auf ihm beruhende
adminiſtrative Ordnung der Bevölkerung.
Faſſen wir nun die Zeit vom 16. Jahrhundert bis zum 19. als
ein Ganzes zuſammen, ſo ſind es hauptſächlich drei Punkte, in denen
ſich die ſelbſtändige Entwicklung der amtlichen Verwaltungsordnung
gegenüber der ſtändiſchen zeigt, ohne doch die letztere darum aufzuheben.
Das iſt die Entwicklung der gerichtlichen Competenz, diejenige der po-
lizeilichen Competenz, und endlich die des geſetzlichen Heimathweſens.
Offenbar mußte der Zuſtand, wie wir ihn im Vorhergehenden be-
ſchrieben haben, bei dem ſich freier bewegenden Verkehre ein unerträglicher
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