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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Leumund besitzt," was um so mehr ein Unding ist, als im ganzen
übrigen Rechtsleben sogar mit der abgebüßten Strafe die Folgen des
Verbrechens verschwinden. Und wer wird die Gränze des "Leumundes"
bestimmen, wenn nicht das Interesse?

Zweitens haben sie das Recht, ein Eintrittsgeld und meistens
ein Vermögen als Bedingung der Aufnahme zu fordern, eventuell die
Ehe zu bewilligen (s. oben), wobei es schwer zu sagen ist, welches von
beiden Rechten in größerem Widerspruch mit den Principien des freien
Staatsbürgerthums steht.

Drittens aber sollen sie die Aufnahme in das Gemeindebürger-
thum nicht verweigern dürfen, wenn die gesetzlichen Bedingungen
vorhanden sind. Welchen Sinn hat eine "Aufnahme," die ich vornehmen
muß? Und ist es nothwendig, daß sich der Ansässige aufnehmen
lasse, wozu die Möglichkeit lassen, daß er nicht darum bittet? Enthält
sie neue Verpflichtungen, so wird er sie ohnehin unterlassen. Hat
er aber die Verpflichtungen des Gemeindebürgers in Stimme und Lasten
ohnehin, warum von einer sogenannten "Aufnahme" erst das Recht,
das natürlich aus der Theilnahme an den Lasten folgt, abhängig
machen? Das alles ist, wie gesagt, nur historisch begreiflich.

Endlich haben einige Länder den Grundsatz gesetzlich ausgesprochen,
daß jeder Staatsbürger Mitglied irgend einer Gemeinde sein muß,
was sich von selbst versteht, wenn sich einer darunter eine entweder
natürliche (Geburt) oder gewerbliche (Aufenthalt) Heimath denkt, was
aber gar keinen Sinn hat, wenn man daneben das Princip der
Aufnahme in das Bürgerrecht setzt, da diese ja eben von der Gemeinde
abhängt. -- Dagegen bricht sich dann der ständische Grundsatz in der
Frage Bahn, ob Geistliche, Staatsdiener und zum Theil sogar Grund-
herren
Stadtgemeindebürger sein können, was einige verneinen, andere
bejahen.

Man sieht auf den ersten Blick, daß hier durch das Festhalten der
alten Ortsgemeinde innerhalb der unklaren Vorstellung vom "freien"
Gemeindebürgerthum eine unendliche Verwirrung entsteht. Sie wird
nicht geringer, wenn man die Gemeindeverwaltung betrachtet.

Auch hier sind die sachlichen und formalen Verhältnisse sehr leicht
formulirt; Gemeindelasten, Gemeinderechnungen, Gemeindediener u. s. w.
-- alle diese Dinge gehen fast von selbst aus dem reinen Begriff der
örtlichen Selbstverwaltung hervor. Allein ganz anders gestaltet sich
das, sowie der Begriff der historischen Ortsgemeinde den Satz zur Gel-
tung bringt, daß jede Ortsgemeinde alle Staatsaufgaben örtlich zu
vollziehen habe. In der That nemlich ist ohne diesen Satz die Orts-
gemeinde nur ein, und noch dazu in den bei weitem meisten Fällen

Leumund beſitzt,“ was um ſo mehr ein Unding iſt, als im ganzen
übrigen Rechtsleben ſogar mit der abgebüßten Strafe die Folgen des
Verbrechens verſchwinden. Und wer wird die Gränze des „Leumundes“
beſtimmen, wenn nicht das Intereſſe?

Zweitens haben ſie das Recht, ein Eintrittsgeld und meiſtens
ein Vermögen als Bedingung der Aufnahme zu fordern, eventuell die
Ehe zu bewilligen (ſ. oben), wobei es ſchwer zu ſagen iſt, welches von
beiden Rechten in größerem Widerſpruch mit den Principien des freien
Staatsbürgerthums ſteht.

Drittens aber ſollen ſie die Aufnahme in das Gemeindebürger-
thum nicht verweigern dürfen, wenn die geſetzlichen Bedingungen
vorhanden ſind. Welchen Sinn hat eine „Aufnahme,“ die ich vornehmen
muß? Und iſt es nothwendig, daß ſich der Anſäſſige aufnehmen
laſſe, wozu die Möglichkeit laſſen, daß er nicht darum bittet? Enthält
ſie neue Verpflichtungen, ſo wird er ſie ohnehin unterlaſſen. Hat
er aber die Verpflichtungen des Gemeindebürgers in Stimme und Laſten
ohnehin, warum von einer ſogenannten „Aufnahme“ erſt das Recht,
das natürlich aus der Theilnahme an den Laſten folgt, abhängig
machen? Das alles iſt, wie geſagt, nur hiſtoriſch begreiflich.

Endlich haben einige Länder den Grundſatz geſetzlich ausgeſprochen,
daß jeder Staatsbürger Mitglied irgend einer Gemeinde ſein muß,
was ſich von ſelbſt verſteht, wenn ſich einer darunter eine entweder
natürliche (Geburt) oder gewerbliche (Aufenthalt) Heimath denkt, was
aber gar keinen Sinn hat, wenn man daneben das Princip der
Aufnahme in das Bürgerrecht ſetzt, da dieſe ja eben von der Gemeinde
abhängt. — Dagegen bricht ſich dann der ſtändiſche Grundſatz in der
Frage Bahn, ob Geiſtliche, Staatsdiener und zum Theil ſogar Grund-
herren
Stadtgemeindebürger ſein können, was einige verneinen, andere
bejahen.

Man ſieht auf den erſten Blick, daß hier durch das Feſthalten der
alten Ortsgemeinde innerhalb der unklaren Vorſtellung vom „freien“
Gemeindebürgerthum eine unendliche Verwirrung entſteht. Sie wird
nicht geringer, wenn man die Gemeindeverwaltung betrachtet.

Auch hier ſind die ſachlichen und formalen Verhältniſſe ſehr leicht
formulirt; Gemeindelaſten, Gemeinderechnungen, Gemeindediener u. ſ. w.
— alle dieſe Dinge gehen faſt von ſelbſt aus dem reinen Begriff der
örtlichen Selbſtverwaltung hervor. Allein ganz anders geſtaltet ſich
das, ſowie der Begriff der hiſtoriſchen Ortsgemeinde den Satz zur Gel-
tung bringt, daß jede Ortsgemeinde alle Staatsaufgaben örtlich zu
vollziehen habe. In der That nemlich iſt ohne dieſen Satz die Orts-
gemeinde nur ein, und noch dazu in den bei weitem meiſten Fällen

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[333/0355] Leumund beſitzt,“ was um ſo mehr ein Unding iſt, als im ganzen übrigen Rechtsleben ſogar mit der abgebüßten Strafe die Folgen des Verbrechens verſchwinden. Und wer wird die Gränze des „Leumundes“ beſtimmen, wenn nicht das Intereſſe? Zweitens haben ſie das Recht, ein Eintrittsgeld und meiſtens ein Vermögen als Bedingung der Aufnahme zu fordern, eventuell die Ehe zu bewilligen (ſ. oben), wobei es ſchwer zu ſagen iſt, welches von beiden Rechten in größerem Widerſpruch mit den Principien des freien Staatsbürgerthums ſteht. Drittens aber ſollen ſie die Aufnahme in das Gemeindebürger- thum nicht verweigern dürfen, wenn die geſetzlichen Bedingungen vorhanden ſind. Welchen Sinn hat eine „Aufnahme,“ die ich vornehmen muß? Und iſt es nothwendig, daß ſich der Anſäſſige aufnehmen laſſe, wozu die Möglichkeit laſſen, daß er nicht darum bittet? Enthält ſie neue Verpflichtungen, ſo wird er ſie ohnehin unterlaſſen. Hat er aber die Verpflichtungen des Gemeindebürgers in Stimme und Laſten ohnehin, warum von einer ſogenannten „Aufnahme“ erſt das Recht, das natürlich aus der Theilnahme an den Laſten folgt, abhängig machen? Das alles iſt, wie geſagt, nur hiſtoriſch begreiflich. Endlich haben einige Länder den Grundſatz geſetzlich ausgeſprochen, daß jeder Staatsbürger Mitglied irgend einer Gemeinde ſein muß, was ſich von ſelbſt verſteht, wenn ſich einer darunter eine entweder natürliche (Geburt) oder gewerbliche (Aufenthalt) Heimath denkt, was aber gar keinen Sinn hat, wenn man daneben das Princip der Aufnahme in das Bürgerrecht ſetzt, da dieſe ja eben von der Gemeinde abhängt. — Dagegen bricht ſich dann der ſtändiſche Grundſatz in der Frage Bahn, ob Geiſtliche, Staatsdiener und zum Theil ſogar Grund- herren Stadtgemeindebürger ſein können, was einige verneinen, andere bejahen. Man ſieht auf den erſten Blick, daß hier durch das Feſthalten der alten Ortsgemeinde innerhalb der unklaren Vorſtellung vom „freien“ Gemeindebürgerthum eine unendliche Verwirrung entſteht. Sie wird nicht geringer, wenn man die Gemeindeverwaltung betrachtet. Auch hier ſind die ſachlichen und formalen Verhältniſſe ſehr leicht formulirt; Gemeindelaſten, Gemeinderechnungen, Gemeindediener u. ſ. w. — alle dieſe Dinge gehen faſt von ſelbſt aus dem reinen Begriff der örtlichen Selbſtverwaltung hervor. Allein ganz anders geſtaltet ſich das, ſowie der Begriff der hiſtoriſchen Ortsgemeinde den Satz zur Gel- tung bringt, daß jede Ortsgemeinde alle Staatsaufgaben örtlich zu vollziehen habe. In der That nemlich iſt ohne dieſen Satz die Orts- gemeinde nur ein, und noch dazu in den bei weitem meiſten Fällen

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 333. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/355>, abgerufen am 25.11.2024.