1. März 1822 und das Gesetz über das Gemeindebürger- und Beisitz- recht vom 4. December 1833 (bei Weiske S. 129--177) im Wesent- lichen auf dem alten Standpunkt -- möglichste Abhängigkeit des Er- werbes des Beisitzrechts von der Zustimmung der Gemeinde zur Nieder- lassung, damit sie nicht die Armenpflicht zu übernehmen nöthig habe -- ein Grundsatz, dessen Widerspruch mit der natürlichen Ordnung und mit den §. 62. 63 der Verfassung dann wieder ausgeglichen wird, indem die Behörde diejenigen, welche sich ein solches Besitzrecht nicht haben er- werben können, der Geburtsgemeinde als natürliche Heimath einfach zutheilt. Unbegreiflich, wie man nicht sah, daß dabei im Grunde niemand gewann, denn der durch Geburt zur Heimath Berechtigte ward ja jeder Gemeinde eine zuletzt doch unvermeidliche Last gerade durch den Grundsatz, vermöge dessen dieselbe Gemeinde den Erwerb der Ansässigkeit erschwerte! War es dann nicht klar, daß, wenn man bei sich den Erwerb der Armenzuständigkeit erleichterte, man in demselben Grade die Wahrscheinlichkeit gewann, daß der Geburtsberechtigte sein Anrecht auf Armenunterstützung durch Erwerb der Ansässigkeit bei einer andern Gemeinde verlieren werde? Alle diese Dinge lassen sich wie gesagt nur historisch erklären. Allein daneben zeichnet sich Württemberg vortheilhaft dadurch wie wir glauben vor allen andern Staaten Deutsch- lands aus, daß es allein die Idee der Armengemeinde als Verwal- tungsgemeinde für das Armenwesen festgehalten und in neuester Zeit noch weiter entwickelt hat. Schon die alten "Kastenordnungen" erkennen, wie Mohl (Verwaltungsrecht §. 204 ff.) es richtig auffaßt, eine gewisse Connexität der Gemeindekassen zur Armenunterstützung an. Das was das Gesetz vom 17. September 1853 (Bitzer S. 230) darüber bestimmt, ist im Grunde nur die Wiederholung und genauere Formu- lirung des älteren Rechts. Darnach soll es für die Armenunterstützung "zusammengesetzte Gemeinden" geben; das Verhältniß derselben zu den einzelnen Ortsgemeinden, aus denen sie gebildet sind, beruht bei der Armenunterstützung jedoch nur auf einer subsidiären Hülfsverpflich- tung des Ganzen für den Theil, da zunächst noch jede Ortsgemeinde Armengemeinde ist. Das ist so offenbar eine halbe Maßregel, daß es überflüssig scheint, speziell darauf aufmerksam zu machen. Ohne uns auf die Kritik im Einzelnen einzulassen, muß hier die Bemerkung genügen, daß eben vermöge dieser Unentschiedenheit in der Hauptsache die ganze Ordnung der Armenzuständigkeit und des Heimathswesens dieselbe geblieben ist, mit all ihren verkehrten Rechtsfolgen und Streitigkeiten. Und wenn irgendwo, so wird hier der Satz klar, daß jede wie immer geartete Armenverwaltung erst dann als eine fertige und genügende anerkannt werden kann, wenn sie, indem sie das
1. März 1822 und das Geſetz über das Gemeindebürger- und Beiſitz- recht vom 4. December 1833 (bei Weiske S. 129—177) im Weſent- lichen auf dem alten Standpunkt — möglichſte Abhängigkeit des Er- werbes des Beiſitzrechts von der Zuſtimmung der Gemeinde zur Nieder- laſſung, damit ſie nicht die Armenpflicht zu übernehmen nöthig habe — ein Grundſatz, deſſen Widerſpruch mit der natürlichen Ordnung und mit den §. 62. 63 der Verfaſſung dann wieder ausgeglichen wird, indem die Behörde diejenigen, welche ſich ein ſolches Beſitzrecht nicht haben er- werben können, der Geburtsgemeinde als natürliche Heimath einfach zutheilt. Unbegreiflich, wie man nicht ſah, daß dabei im Grunde niemand gewann, denn der durch Geburt zur Heimath Berechtigte ward ja jeder Gemeinde eine zuletzt doch unvermeidliche Laſt gerade durch den Grundſatz, vermöge deſſen dieſelbe Gemeinde den Erwerb der Anſäſſigkeit erſchwerte! War es dann nicht klar, daß, wenn man bei ſich den Erwerb der Armenzuſtändigkeit erleichterte, man in demſelben Grade die Wahrſcheinlichkeit gewann, daß der Geburtsberechtigte ſein Anrecht auf Armenunterſtützung durch Erwerb der Anſäſſigkeit bei einer andern Gemeinde verlieren werde? Alle dieſe Dinge laſſen ſich wie geſagt nur hiſtoriſch erklären. Allein daneben zeichnet ſich Württemberg vortheilhaft dadurch wie wir glauben vor allen andern Staaten Deutſch- lands aus, daß es allein die Idee der Armengemeinde als Verwal- tungsgemeinde für das Armenweſen feſtgehalten und in neueſter Zeit noch weiter entwickelt hat. Schon die alten „Kaſtenordnungen“ erkennen, wie Mohl (Verwaltungsrecht §. 204 ff.) es richtig auffaßt, eine gewiſſe Connexität der Gemeindekaſſen zur Armenunterſtützung an. Das was das Geſetz vom 17. September 1853 (Bitzer S. 230) darüber beſtimmt, iſt im Grunde nur die Wiederholung und genauere Formu- lirung des älteren Rechts. Darnach ſoll es für die Armenunterſtützung „zuſammengeſetzte Gemeinden“ geben; das Verhältniß derſelben zu den einzelnen Ortsgemeinden, aus denen ſie gebildet ſind, beruht bei der Armenunterſtützung jedoch nur auf einer ſubſidiären Hülfsverpflich- tung des Ganzen für den Theil, da zunächſt noch jede Ortsgemeinde Armengemeinde iſt. Das iſt ſo offenbar eine halbe Maßregel, daß es überflüſſig ſcheint, ſpeziell darauf aufmerkſam zu machen. Ohne uns auf die Kritik im Einzelnen einzulaſſen, muß hier die Bemerkung genügen, daß eben vermöge dieſer Unentſchiedenheit in der Hauptſache die ganze Ordnung der Armenzuſtändigkeit und des Heimathsweſens dieſelbe geblieben iſt, mit all ihren verkehrten Rechtsfolgen und Streitigkeiten. Und wenn irgendwo, ſo wird hier der Satz klar, daß jede wie immer geartete Armenverwaltung erſt dann als eine fertige und genügende anerkannt werden kann, wenn ſie, indem ſie das
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1. März 1822 und das Geſetz über das Gemeindebürger- und Beiſitz-
recht vom 4. December 1833 (bei Weiske S. 129—177) im Weſent-
lichen auf dem alten Standpunkt — möglichſte Abhängigkeit des Er-
werbes des Beiſitzrechts von der Zuſtimmung der Gemeinde zur Nieder-
laſſung, damit ſie nicht die Armenpflicht zu übernehmen nöthig habe —
ein Grundſatz, deſſen Widerſpruch mit der natürlichen Ordnung und
mit den §. 62. 63 der Verfaſſung dann wieder ausgeglichen wird, indem
die Behörde diejenigen, welche ſich ein ſolches Beſitzrecht nicht haben er-
werben können, der Geburtsgemeinde als natürliche Heimath einfach
zutheilt. Unbegreiflich, wie man nicht ſah, daß dabei im Grunde
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ward ja jeder Gemeinde eine zuletzt doch unvermeidliche Laſt gerade
durch den Grundſatz, vermöge deſſen dieſelbe Gemeinde den Erwerb der
Anſäſſigkeit erſchwerte! War es dann nicht klar, daß, wenn man bei
ſich den Erwerb der Armenzuſtändigkeit erleichterte, man in demſelben
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Anrecht auf Armenunterſtützung durch Erwerb der Anſäſſigkeit bei einer
andern Gemeinde verlieren werde? Alle dieſe Dinge laſſen ſich wie
geſagt nur hiſtoriſch erklären. Allein daneben zeichnet ſich Württemberg
vortheilhaft dadurch wie wir glauben vor allen andern Staaten Deutſch-
lands aus, daß es allein die Idee der Armengemeinde als Verwal-
tungsgemeinde für das Armenweſen feſtgehalten und in neueſter
Zeit noch weiter entwickelt hat. Schon die alten „Kaſtenordnungen“
erkennen, wie Mohl (Verwaltungsrecht §. 204 ff.) es richtig auffaßt,
eine gewiſſe Connexität der Gemeindekaſſen zur Armenunterſtützung an.
Das was das Geſetz vom 17. September 1853 (Bitzer S. 230) darüber
beſtimmt, iſt im Grunde nur die Wiederholung und genauere Formu-
lirung des älteren Rechts. Darnach ſoll es für die Armenunterſtützung
„zuſammengeſetzte Gemeinden“ geben; das Verhältniß derſelben zu den
einzelnen Ortsgemeinden, aus denen ſie gebildet ſind, beruht bei der
Armenunterſtützung jedoch nur auf einer ſubſidiären Hülfsverpflich-
tung des Ganzen für den Theil, da zunächſt noch jede Ortsgemeinde
Armengemeinde iſt. Das iſt ſo offenbar eine halbe Maßregel, daß es
überflüſſig ſcheint, ſpeziell darauf aufmerkſam zu machen. Ohne uns
auf die Kritik im Einzelnen einzulaſſen, muß hier die Bemerkung
genügen, daß eben vermöge dieſer Unentſchiedenheit in der Hauptſache
die ganze Ordnung der Armenzuſtändigkeit und des Heimathsweſens
dieſelbe geblieben iſt, mit all ihren verkehrten Rechtsfolgen und
Streitigkeiten. Und wenn irgendwo, ſo wird hier der Satz klar, daß
jede wie immer geartete Armenverwaltung erſt dann als eine fertige
und genügende anerkannt werden kann, wenn ſie, indem ſie das
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/370>, abgerufen am 26.11.2024.
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