Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.ein solches hat auch die Rechtspflege. In beiden Gebieten ist die Sache Wenn es nämlich gewiß ist, daß der Einzelne der Andern bedarf Dieß Princip nun durchzieht natürlich die ganze Verwaltung; es ein ſolches hat auch die Rechtspflege. In beiden Gebieten iſt die Sache Wenn es nämlich gewiß iſt, daß der Einzelne der Andern bedarf Dieß Princip nun durchzieht natürlich die ganze Verwaltung; es <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0081" n="59"/> ein ſolches hat auch die Rechtspflege. In beiden Gebieten iſt die Sache<lb/> ſehr einfach. Aber anders iſt es in der innern Verwaltung. Denn<lb/> hier handelt es ſich eben um eine poſitiv fördernde Thätigkeit, welche<lb/> die Entwicklung des Einzelnen durch die des Staats erzeugt, oder um<lb/> eine direkte Beſchränkung der perſönlichen Freiheit, welche die freie<lb/> Thätigkeit des Einzelnen beſchränkt. Und dieß Princip liegt eben nur<lb/> im Weſen der perſönlichen Entwicklung ſelbſt.</p><lb/> <p>Wenn es nämlich gewiß iſt, daß der Einzelne der Andern bedarf<lb/> und <hi rendition="#g">zugleich</hi> ſelbſtthätig ſein ſoll, um ihrer nicht zu bedürfen, ſo iſt<lb/> es klar, daß er der Andern eben nur ſo weit bedürfen ſoll, als er mit<lb/> ſeiner Selbſtthätigkeit ſich ſelbſt <hi rendition="#g">nicht mehr helfen kann</hi>. An<lb/><hi rendition="#g">dieſer</hi> Gränze beginnt daher die Aufgabe der Gemeinſchaft für den<lb/> Einzelnen. Da aber erſt die Selbſtthätigkeit des Einzelnen den Werth<lb/> deſſelben bildet, ſo muß dieſe Aufgabe der Gemeinſchaft dieſe Selbſt-<lb/> thätigkeit nicht erſetzen, oder überflüſſig, ſondern ſie muß ſie eben nur<lb/><hi rendition="#g">möglich</hi> machen. Möglich machen aber heißt, ihr diejenigen Bedin-<lb/> gungen geben, welche ſie ſich nicht ſelbſt ſchaffen kann. Dieſe <hi rendition="#g">Bedin-<lb/> gungen</hi> bilden dann noch keinen Inhalt der Perſönlichkeit, ſondern<lb/> ſtehen ſelbſtändig außer ihr, liegen vor ihr; ſie kann ſie benützen, ſie<lb/> kann ſie nicht benützen; ſie kann und ſoll aber, wenn ſie ſie benützt,<lb/> ſich durch ſich ſelbſt Maß und Art dieſer Benützung beſtimmen; ſie<lb/> muß ſelbſt dasjenige, was ſie aus dieſen Bedingungen für ſich will,<lb/> mit ſich und ihren Bedürfniſſen in Harmonie bringen, Maß und Ziel<lb/> derſelben ſich ſelber ſetzen. Sie muß ihre eigene Entwicklung noch immer<lb/><hi rendition="#g">ſich ſelbſt</hi> erarbeiten; ſie <hi rendition="#g">empfängt nicht</hi> Wohlſein und Freiheit,<lb/> ſondern ſie muß ſie ſich ſelbſt <hi rendition="#g">erwerben</hi>, damit beide ihr wahrhaft<lb/> gehören. Das iſt der natürliche und einfache Punkt, auf welchem die<lb/> Löſung der obigen Fragen liegt. Und damit iſt auch das einfache<lb/> Princip der Verwaltung gegeben. Der Staat ſoll durch ſeine Verwal-<lb/> tung niemals und unter keinen Umſtänden etwas anderes leiſten, <hi rendition="#g">als<lb/> die Herſtellung der Bedingungen der perſönlichen, wirth-<lb/> ſchaftlichen und geſellſchaftlichen Entwicklung, welche der<lb/> Einzelne ſich nicht ſelber zu ſchaffen vermag</hi>, und es dann<lb/> dem Einzelnen und <hi rendition="#g">ſeiner freien ſelbſtändigen That überlaſſen,<lb/> aus der Benützung dieſer Bedingung ſich ſein eigenes Leben<lb/> zu bilden und zu entwickeln</hi>.</p><lb/> <p>Dieß Princip nun durchzieht natürlich die ganze Verwaltung; es<lb/> iſt ſogar faſt immer der eigentliche Maßſtab ihres rechten Werthes,<lb/> und, wohl verſtanden, gibt es uns ſeinerſeits das Mittel, den Staat<lb/> ſelbſt und die allgemeine Richtung ſeiner Regierung zu beurtheilen.<lb/> Denn ſo einfach es ſcheint, ſo hat es dennoch große und tiefgehende<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [59/0081]
ein ſolches hat auch die Rechtspflege. In beiden Gebieten iſt die Sache
ſehr einfach. Aber anders iſt es in der innern Verwaltung. Denn
hier handelt es ſich eben um eine poſitiv fördernde Thätigkeit, welche
die Entwicklung des Einzelnen durch die des Staats erzeugt, oder um
eine direkte Beſchränkung der perſönlichen Freiheit, welche die freie
Thätigkeit des Einzelnen beſchränkt. Und dieß Princip liegt eben nur
im Weſen der perſönlichen Entwicklung ſelbſt.
Wenn es nämlich gewiß iſt, daß der Einzelne der Andern bedarf
und zugleich ſelbſtthätig ſein ſoll, um ihrer nicht zu bedürfen, ſo iſt
es klar, daß er der Andern eben nur ſo weit bedürfen ſoll, als er mit
ſeiner Selbſtthätigkeit ſich ſelbſt nicht mehr helfen kann. An
dieſer Gränze beginnt daher die Aufgabe der Gemeinſchaft für den
Einzelnen. Da aber erſt die Selbſtthätigkeit des Einzelnen den Werth
deſſelben bildet, ſo muß dieſe Aufgabe der Gemeinſchaft dieſe Selbſt-
thätigkeit nicht erſetzen, oder überflüſſig, ſondern ſie muß ſie eben nur
möglich machen. Möglich machen aber heißt, ihr diejenigen Bedin-
gungen geben, welche ſie ſich nicht ſelbſt ſchaffen kann. Dieſe Bedin-
gungen bilden dann noch keinen Inhalt der Perſönlichkeit, ſondern
ſtehen ſelbſtändig außer ihr, liegen vor ihr; ſie kann ſie benützen, ſie
kann ſie nicht benützen; ſie kann und ſoll aber, wenn ſie ſie benützt,
ſich durch ſich ſelbſt Maß und Art dieſer Benützung beſtimmen; ſie
muß ſelbſt dasjenige, was ſie aus dieſen Bedingungen für ſich will,
mit ſich und ihren Bedürfniſſen in Harmonie bringen, Maß und Ziel
derſelben ſich ſelber ſetzen. Sie muß ihre eigene Entwicklung noch immer
ſich ſelbſt erarbeiten; ſie empfängt nicht Wohlſein und Freiheit,
ſondern ſie muß ſie ſich ſelbſt erwerben, damit beide ihr wahrhaft
gehören. Das iſt der natürliche und einfache Punkt, auf welchem die
Löſung der obigen Fragen liegt. Und damit iſt auch das einfache
Princip der Verwaltung gegeben. Der Staat ſoll durch ſeine Verwal-
tung niemals und unter keinen Umſtänden etwas anderes leiſten, als
die Herſtellung der Bedingungen der perſönlichen, wirth-
ſchaftlichen und geſellſchaftlichen Entwicklung, welche der
Einzelne ſich nicht ſelber zu ſchaffen vermag, und es dann
dem Einzelnen und ſeiner freien ſelbſtändigen That überlaſſen,
aus der Benützung dieſer Bedingung ſich ſein eigenes Leben
zu bilden und zu entwickeln.
Dieß Princip nun durchzieht natürlich die ganze Verwaltung; es
iſt ſogar faſt immer der eigentliche Maßſtab ihres rechten Werthes,
und, wohl verſtanden, gibt es uns ſeinerſeits das Mittel, den Staat
ſelbſt und die allgemeine Richtung ſeiner Regierung zu beurtheilen.
Denn ſo einfach es ſcheint, ſo hat es dennoch große und tiefgehende
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |