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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866.

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Thätigkeiten der Obrigkeit für das innere Staatsleben
geworden.

Auf dieſe Weiſe empfängt die „Polizei“ ihren erſten concreten In-
halt. Und nun war es ganz natürlich, daß dieſer Inhalt, oder das,
was die Polizei getrennt von der Politik lehren mußte, identiſch mit
dem war, was die „Obrigkeit“ zu thun hatte. Das letztere aber lag
eben in den Zuſtänden der Zeit, in denen der junge perſönliche Staat
entſteht.

Das Leben jener Epoche iſt erſt ſo eben aus der Periode des Fauſt-
rechts und Fehderechts, der Berechtigung zur Anwendung der perſönlichen
Gewalt hinausgetreten. Ihr erſtes Bedürfniß, die erſte Bedingung alles
ſtaatsbürgerlichen Fortſchrittes, iſt die rechtliche Sicherheit des Einzelnen.
Allerdings gab es dafür Gerichte, und wohl auch waren dieſe Gerichte
thätig. Allein ein Gericht hat als Grundlage ſeiner Thätigkeit ſtets
ein Geſetz. Allerdings nun gab es Geſetze. Allein dieſe Geſetze hatten
entweder nur, wie das ſogenannte deutſche Privatrecht in Deutſchland oder
das droit coutumier in Frankreich, die ſtändiſchen Rechte und Verhält-
niſſe zum Inhalt, oder, wie das römiſche Recht, die ſtaatsbürgerliche
Rechtsordnung. Eine Verwaltungsgeſetzgebung gab es nicht. Sie
mußte daher erſt geſchaffen und neben ihr als Complement die Straf-
geſetzgebung hingeſtellt werden. So entſtand eine ganz neue Richtung
der Geſetzgebung über das innere Staatsleben, der Anfang der Ver-
waltungsgeſetzgebung und des eigentlichen Verwaltungsrechts, die
Polizeigeſetzgebung. Dieſe Polizeigeſetzgebung hatte nun nicht zur
Grundlage ein ausgebildetes theoretiſches Syſtem der Verwaltung, ſon-
dern ſie ſchloß ſich vielmehr einfach an das praktiſche, wirkliche Leben
an, indem ſie ſich zuerſt und vor allen Dingen an dasjenige hielt, was
das nächſte praktiſche Bedürfniß fordert. Das aber iſt die öffentliche
Ordnung und Sicherheit. Die Zeit des Fauſtrechts muß aufhören, die
Zeit, in welcher der Einzelne den Nachbarn ſo weit unterdrückt oder
ſo weit ſeiner Willkür Spielraum läßt, als ſeine Macht geht. Dieſe
erſte Aufgabe iſt eine allgemeine, alles überragende; das junge Leben
der ſtaatsbürgerlichen Geſellſchaft, das Geſammtintereſſe fordert vor
allen Dingen Schutz und Ruhe: es iſt ſich bewußt, daß es ſchon ſelbſt
weiter kommen wird, wenn es nur zu geſicherten öffentlichen Zuſtänden
gelangt; die einzelnen Aufgaben der eigentlichen Verwaltung liegen noch
ferner; die neuere Staatskunſt iſt zuerſt und vor allen Dingen diejenige
obrigkeitliche Thätigkeit, welche Sicherheit ſchafft. Und ſo entſteht
der Begriff, daß die eigentliche und wahre „Polizei“ vor allem die
Sicherheitspolizei ſein müſſe. Dieß rein negative Element der
innern Verwaltung iſt das urſprünglichſte und wichtigſte; es iſt ganz

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 2 (2,1). Stuttgart, 1866, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre02_1866/92>, abgerufen am 23.02.2025.