Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.zu gehen, und wenigstens diese Gesundheitspolizei zu einem allgemei- Auf diese Weise stehen sich die beiden Systeme der Verwaltung in zu gehen, und wenigſtens dieſe Geſundheitspolizei zu einem allgemei- Auf dieſe Weiſe ſtehen ſich die beiden Syſteme der Verwaltung in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0036" n="20"/> zu gehen, und wenigſtens dieſe Geſundheitspolizei zu einem <hi rendition="#g">allgemei-<lb/> nen</hi> öffentlichen Recht zu machen. Das einfachſte wäre nun geweſen,<lb/> die Vorſchriften derſelben ganz nach dem Vorgange des Continents zu<lb/> einem förmlichen Geſetz zu machen, das für alle Gemeinden gleiche<lb/> öffentlich-rechtliche Gültigkeit hat und deſſen Vollziehung von öffent-<lb/> lichen Beamten überwacht werde. Allein dem widerſprach die ganze Natur<lb/> des engliſchen öffentlichen Rechts. Die Geſetzgebung ſelbſt darf und<lb/> ſoll nichts befehlen, und die Regierung darf und ſoll <hi rendition="#g">nichts</hi> verwalten,<lb/> was durch die Organe der Selbſtverwaltungskörper vollzogen und be-<lb/> ſtimmt werden kann. Um demnach dieſe Freiheit der letzteren mit dem<lb/> öffentlichen Wohle zu vereinigen, wurde das Syſtem der <hi rendition="#aq">Nuisances<lb/> Removal and Diseases Prevention Acts</hi> aufgeſtellt. Die erſte dieſer<lb/><hi rendition="#aq">Acts</hi> erſchien gleichzeitig mit der <hi rendition="#aq">Public Health Act</hi> (11, 12 <hi rendition="#aq">Vict.</hi> 123.<lb/> 1848). Die beiden folgenden Geſetze unter demſelben Titel (12, 13<lb/><hi rendition="#aq">Vict.</hi> 111 und 18, 19 <hi rendition="#aq">Vict.</hi> 121) ſind Fortſetzungen und Erweiterungen.<lb/> Das eigentliche Princip dieſer Geſetze iſt, die Geſundheitspolizei dadurch<lb/> in Ausführung zu bringen, daß die einzelnen Einwohner in jedem Ort<lb/> das Recht der <hi rendition="#g">Privatklage</hi> haben, wenn die Behörden einen geſund-<lb/> heitsgefährlichen Zuſtand dulden. Das Vorhandenſein des letzteren wird<lb/> conſtatirt, indem zwei <hi rendition="#aq">Householders</hi> auf eine behördliche Unterſuchung<lb/> antragen. Ergibt ſich daraus eine <hi rendition="#aq">public nuisance,</hi> ſo hat die Orts-<lb/> behörde das Recht, die Beſeitigung derſelben durch eine <hi rendition="#aq">ordre of remo-<lb/> val of nuisances</hi> zu befehlen, und der Ungehorſam wird beſtraft, die<lb/> Ortsbehörde aber kann die Beſeitigung auf Koſten des Betreffenden<lb/> vornehmen. Als <hi rendition="#aq">public nuisances</hi> ſind weſentlich geſundheitswidrige<lb/> Verhältniſſe der Wohnungen und Straßen anerkannt. Man erkennt<lb/> auf den erſten Blick das höchſt Unvollkommene in dieſem ganzen Syſtem,<lb/> das doch im Grunde von allen Einzelnen umgangen werden kann, und<lb/> ebenſo gar keine Gewähr für die wirkliche Vollziehung ſeiner Aufgabe<lb/> bietet. Der ganz unfertige Verſuch, eine Art von Oberaufſicht durch<lb/> die Organiſation des <hi rendition="#aq">General Board of Health</hi> zu bilden, muß für ſo<lb/> gut als mißlungen angeſehen werden (ſ. unten). Das Verordnungs-<lb/> recht des <hi rendition="#aq">Privy Council</hi> hat ſeinerſeits nur ſehr enge Grenzen, und ſo<lb/> iſt der Zuſtand der Geſundheitspflege in England ein höchſt unvoll-<lb/> kommener, dem auch die neue Geſetzgebung über das <hi rendition="#g">Heilperſonal</hi><lb/> im <hi rendition="#aq">Medical Act</hi> (21, 22. <hi rendition="#aq">Vict.</hi> 90, 1858) durchaus nicht abgeholfen<lb/> hat. Das Genauere über dieſe Geſetzgebung bei <hi rendition="#g">Gneiſt</hi>, engliſches Ver-<lb/> waltungsrecht, 21. Aufl., §. 113 ff. und unten bei den einzelnen Punkten.</p><lb/> <p>Auf dieſe Weiſe ſtehen ſich die beiden Syſteme der Verwaltung in<lb/> Frankreich und England entgegen. Das Syſtem des <hi rendition="#g">belgiſchen</hi> und<lb/> des <hi rendition="#g">holländiſchen</hi> Geſundheitsweſens ſchließt ſich nun in allem<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [20/0036]
zu gehen, und wenigſtens dieſe Geſundheitspolizei zu einem allgemei-
nen öffentlichen Recht zu machen. Das einfachſte wäre nun geweſen,
die Vorſchriften derſelben ganz nach dem Vorgange des Continents zu
einem förmlichen Geſetz zu machen, das für alle Gemeinden gleiche
öffentlich-rechtliche Gültigkeit hat und deſſen Vollziehung von öffent-
lichen Beamten überwacht werde. Allein dem widerſprach die ganze Natur
des engliſchen öffentlichen Rechts. Die Geſetzgebung ſelbſt darf und
ſoll nichts befehlen, und die Regierung darf und ſoll nichts verwalten,
was durch die Organe der Selbſtverwaltungskörper vollzogen und be-
ſtimmt werden kann. Um demnach dieſe Freiheit der letzteren mit dem
öffentlichen Wohle zu vereinigen, wurde das Syſtem der Nuisances
Removal and Diseases Prevention Acts aufgeſtellt. Die erſte dieſer
Acts erſchien gleichzeitig mit der Public Health Act (11, 12 Vict. 123.
1848). Die beiden folgenden Geſetze unter demſelben Titel (12, 13
Vict. 111 und 18, 19 Vict. 121) ſind Fortſetzungen und Erweiterungen.
Das eigentliche Princip dieſer Geſetze iſt, die Geſundheitspolizei dadurch
in Ausführung zu bringen, daß die einzelnen Einwohner in jedem Ort
das Recht der Privatklage haben, wenn die Behörden einen geſund-
heitsgefährlichen Zuſtand dulden. Das Vorhandenſein des letzteren wird
conſtatirt, indem zwei Householders auf eine behördliche Unterſuchung
antragen. Ergibt ſich daraus eine public nuisance, ſo hat die Orts-
behörde das Recht, die Beſeitigung derſelben durch eine ordre of remo-
val of nuisances zu befehlen, und der Ungehorſam wird beſtraft, die
Ortsbehörde aber kann die Beſeitigung auf Koſten des Betreffenden
vornehmen. Als public nuisances ſind weſentlich geſundheitswidrige
Verhältniſſe der Wohnungen und Straßen anerkannt. Man erkennt
auf den erſten Blick das höchſt Unvollkommene in dieſem ganzen Syſtem,
das doch im Grunde von allen Einzelnen umgangen werden kann, und
ebenſo gar keine Gewähr für die wirkliche Vollziehung ſeiner Aufgabe
bietet. Der ganz unfertige Verſuch, eine Art von Oberaufſicht durch
die Organiſation des General Board of Health zu bilden, muß für ſo
gut als mißlungen angeſehen werden (ſ. unten). Das Verordnungs-
recht des Privy Council hat ſeinerſeits nur ſehr enge Grenzen, und ſo
iſt der Zuſtand der Geſundheitspflege in England ein höchſt unvoll-
kommener, dem auch die neue Geſetzgebung über das Heilperſonal
im Medical Act (21, 22. Vict. 90, 1858) durchaus nicht abgeholfen
hat. Das Genauere über dieſe Geſetzgebung bei Gneiſt, engliſches Ver-
waltungsrecht, 21. Aufl., §. 113 ff. und unten bei den einzelnen Punkten.
Auf dieſe Weiſe ſtehen ſich die beiden Syſteme der Verwaltung in
Frankreich und England entgegen. Das Syſtem des belgiſchen und
des holländiſchen Geſundheitsweſens ſchließt ſich nun in allem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |