Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 3 (2,2). Stuttgart, 1867.angehören. Die Verschiedenheit von der letzteren besteht darin, daß die Der gemeinschaftliche Charakter aller betreffenden Bestimmungen be- angehören. Die Verſchiedenheit von der letzteren beſteht darin, daß die Der gemeinſchaftliche Charakter aller betreffenden Beſtimmungen be- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0093" n="77"/> angehören. Die Verſchiedenheit von der letzteren beſteht darin, daß die<lb/> erſtere das Moment der menſchlichen Geſundheit im Auge behält, wäh-<lb/> rend die letztere ſich <hi rendition="#g">ohne</hi> Unterſcheidung auf das perſönliche Leben<lb/> bezieht. Der Unterſchied iſt freilich ſo abſtrakt, daß er im Einzelnen<lb/> nicht durchzuführen iſt, und daß man daher unvermeidlich in die Lage<lb/> kommt, eine gewiſſe Wiederholung eintreten zu laſſen.</p><lb/> <p>Der gemeinſchaftliche Charakter aller betreffenden Beſtimmungen be-<lb/> ſteht nun darin, daß dieſelben urſprünglich ausſchließlich von den ört-<lb/> lichen Behörden ausgehen, und daß erſt mit dem Entſtehen der Medi-<lb/> cinalverwaltungen der Verſuch entſteht, <hi rendition="#g">allgemeine</hi> Vorſchriften dar-<lb/> über zu geben. Mit unſerem Jahrhundert tritt dann die gegenwärtige<lb/> Geſtalt dieſes Rechts ein, die wir bereits oben charakteriſirt haben.<lb/> Die Verpflichtung der <hi rendition="#g">Einzelnen</hi>, Gefährdungen der Geſundheit zu<lb/> vermeiden, iſt jetzt eine ſtaatsbürgerliche <hi rendition="#g">Pflicht</hi>, und die Vernachläſ-<lb/> ſigung derſelben wird damit zu einem <hi rendition="#g">Vergehen</hi>, das ſelbſtändig unter<lb/> das allgemeine Strafrecht ſubſumirt, von demſelben mit eigener Strafe<lb/> belegt, und in ſeiner Verfolgung und Beurtheilung den Gerichten über-<lb/> wieſen wird. So entſteht das, was wir kurz das <hi rendition="#g">Strafrecht</hi> der<lb/> niederen Sanitätspolizei (neben dem der höheren) nennen können, und<lb/> das einen eigenen Theil in einigen Strafgeſetzbüchern, wie im öſter-<lb/> reichiſchen, oder in den Polizeiſtrafgeſetzbüchern, wie in dem bayriſchen<lb/> und württembergiſchen bildet. Auch hier aber kann nur die einfache<lb/> Verweiſung auf die Strafgeſetzbücher ſelbſt da nicht genügen, wo die-<lb/> ſelben ſo umſtändlich und ſpeziell lauten, wie das öſterreichiſche im<lb/><hi rendition="#aq">II.</hi> Thl. Hptſt. <hi rendition="#aq">IX. X. XI.</hi> Denn auch hier hat das Strafgeſetz es mit<lb/> der <hi rendition="#g">geſchehenen</hi> That zu thun, inſofern ſie eine beſtehende Vorſchrift<lb/> nicht beachtet. Die Verwaltungslehre dagegen hat ihrerſeits zu beſtim-<lb/> men, welche Vorſchriften im Intereſſe der Sicherung von Leben und<lb/> Geſundheit der Einzelnen gegen die Vornahmen der Einzelnen <hi rendition="#g">gegeben<lb/> werden ſollen</hi>; und zweitens hat ſie die Punkte anzudeuten, auf<lb/> denen das geſundheitspolizeiliche <hi rendition="#g">Verordnungsrecht</hi> der Natur der<lb/> Sache nach neben dem allgemeinen Strafgeſetz einzuſchreiten hat. Dieſe<lb/> Verordnungen beruhen größtentheils auf den wiſſenſchaftlichen Grund-<lb/> ſätzen der Heilkunde, aber ihre Ausführung iſt formell der Ortsbehörde<lb/> überlaſſen, während ein großer Theil der betreffenden Funktionen ſeiner<lb/> Natur nach gar nicht von der Selbſtverwaltung getrennt werden kann.<lb/> Dabei ſind die Strafen, ſofern ſie in leichten Geldbußen beſtehen, in<lb/> einigen Ländern durch eigene allgemeine Polizeiſtrafgeſetze feſtgeſtellt,<lb/> während in andern, wie namentlich in England, die Polizeibehörden<lb/> geſetzlich das Recht haben, dieſe ſicherheits- und geſundheitspolizeilichen<lb/> Vorſchriften ſelbſtändig mit Geldbußen zu ſanctioniren. Es wird demnach<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0093]
angehören. Die Verſchiedenheit von der letzteren beſteht darin, daß die
erſtere das Moment der menſchlichen Geſundheit im Auge behält, wäh-
rend die letztere ſich ohne Unterſcheidung auf das perſönliche Leben
bezieht. Der Unterſchied iſt freilich ſo abſtrakt, daß er im Einzelnen
nicht durchzuführen iſt, und daß man daher unvermeidlich in die Lage
kommt, eine gewiſſe Wiederholung eintreten zu laſſen.
Der gemeinſchaftliche Charakter aller betreffenden Beſtimmungen be-
ſteht nun darin, daß dieſelben urſprünglich ausſchließlich von den ört-
lichen Behörden ausgehen, und daß erſt mit dem Entſtehen der Medi-
cinalverwaltungen der Verſuch entſteht, allgemeine Vorſchriften dar-
über zu geben. Mit unſerem Jahrhundert tritt dann die gegenwärtige
Geſtalt dieſes Rechts ein, die wir bereits oben charakteriſirt haben.
Die Verpflichtung der Einzelnen, Gefährdungen der Geſundheit zu
vermeiden, iſt jetzt eine ſtaatsbürgerliche Pflicht, und die Vernachläſ-
ſigung derſelben wird damit zu einem Vergehen, das ſelbſtändig unter
das allgemeine Strafrecht ſubſumirt, von demſelben mit eigener Strafe
belegt, und in ſeiner Verfolgung und Beurtheilung den Gerichten über-
wieſen wird. So entſteht das, was wir kurz das Strafrecht der
niederen Sanitätspolizei (neben dem der höheren) nennen können, und
das einen eigenen Theil in einigen Strafgeſetzbüchern, wie im öſter-
reichiſchen, oder in den Polizeiſtrafgeſetzbüchern, wie in dem bayriſchen
und württembergiſchen bildet. Auch hier aber kann nur die einfache
Verweiſung auf die Strafgeſetzbücher ſelbſt da nicht genügen, wo die-
ſelben ſo umſtändlich und ſpeziell lauten, wie das öſterreichiſche im
II. Thl. Hptſt. IX. X. XI. Denn auch hier hat das Strafgeſetz es mit
der geſchehenen That zu thun, inſofern ſie eine beſtehende Vorſchrift
nicht beachtet. Die Verwaltungslehre dagegen hat ihrerſeits zu beſtim-
men, welche Vorſchriften im Intereſſe der Sicherung von Leben und
Geſundheit der Einzelnen gegen die Vornahmen der Einzelnen gegeben
werden ſollen; und zweitens hat ſie die Punkte anzudeuten, auf
denen das geſundheitspolizeiliche Verordnungsrecht der Natur der
Sache nach neben dem allgemeinen Strafgeſetz einzuſchreiten hat. Dieſe
Verordnungen beruhen größtentheils auf den wiſſenſchaftlichen Grund-
ſätzen der Heilkunde, aber ihre Ausführung iſt formell der Ortsbehörde
überlaſſen, während ein großer Theil der betreffenden Funktionen ſeiner
Natur nach gar nicht von der Selbſtverwaltung getrennt werden kann.
Dabei ſind die Strafen, ſofern ſie in leichten Geldbußen beſtehen, in
einigen Ländern durch eigene allgemeine Polizeiſtrafgeſetze feſtgeſtellt,
während in andern, wie namentlich in England, die Polizeibehörden
geſetzlich das Recht haben, dieſe ſicherheits- und geſundheitspolizeilichen
Vorſchriften ſelbſtändig mit Geldbußen zu ſanctioniren. Es wird demnach
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