Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.Entweder kann der Belagerungszustand nur durch den Beschluß der In Betreff des zweiten Punktes muß man einfach sagen, daß die Gesetzgebung und Literatur. Mohl schweigt. Fast die einzige Entweder kann der Belagerungszuſtand nur durch den Beſchluß der In Betreff des zweiten Punktes muß man einfach ſagen, daß die Geſetzgebung und Literatur. Mohl ſchweigt. Faſt die einzige <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0152" n="130"/> Entweder kann der Belagerungszuſtand nur durch den Beſchluß der<lb/> Reichsvertretung eingeführt werden, wie in England, oder er kann<lb/> durch Verordnung des Miniſteriums, aber gegen deſſen Verantwortlich-<lb/> keit gegenüber der Volksvertretung erklärt werden, wie in Preußen, oder<lb/> endlich erklären ihn einfach die höheren und höchſten Verwaltungsbehörden<lb/> als ſicherheitspolizeiliche Maßregel, wie in Frankreich und Oeſterreich.<lb/> Von dieſen Syſtemen iſt ohne Zweifel das zweite das beſte.</p><lb/> <p>In Betreff des zweiten Punktes muß man einfach ſagen, daß die<lb/> Vornahme der verfaſſungsmäßigen Funktionen durch den Belagerungs-<lb/> zuſtand <hi rendition="#g">als ſolchem</hi> nicht unterbrochen werden dürfe, ſondern daß eine<lb/> ſolche Unterbrechung, wie namentlich die Siſtirung von Wahlen, nur<lb/> auf Grundlage <hi rendition="#g">örtlicher</hi> Unruhen, und zwar alsdann gegen Mittheilung<lb/> an die verfaſſungsmäßigen Vertretungskörper und unter Verantwort-<lb/> lichkeit der Verwaltungsbehörde eintreten kann.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p><hi rendition="#g">Geſetzgebung und Literatur. Mohl</hi> ſchweigt. Faſt die einzige<lb/> Arbeit iſt <hi rendition="#g">Mittermaier</hi>, Geſetz über die <hi rendition="#g">perſönliche Freiheit</hi> (Ar-<lb/> chiv des Criminalrechtes 1849). — In <hi rendition="#g">England</hi> erſcheint der Belage-<lb/> rungszuſtand als Aufhebung der Habeas-Corpus-Akte, kann nur durch<lb/> Parlamentsbeſchluß eingeführt werden, enthält nie das Eintreten der<lb/> Militärgerichte, ſondern weſentlich nur das Recht auf Verhaftung und<lb/> die Aufhebung der Freilaſſung gegen Caution. <hi rendition="#g">Mittermaier</hi> ebend.<lb/> S. 20. (S. das Folgende.) — In <hi rendition="#g">Frankreich</hi> iſt die verfaſſungsmäßige<lb/> Möglichkeit des bürgerlichen Belagerungszuſtandes zuerſt durch das Geſetz<lb/> vom 10 <hi rendition="#aq">Frimaire, an VII</hi> eingeführt und dann die Grundzüge des Rechts<lb/> deſſelben in der Conſtitution von 1799 (<hi rendition="#aq">an VIII</hi>) Art. 91 aufgeſtellt, die<lb/> wir anführen, weil ſie nicht eben das ſicherheitspolizeiliche, wohl aber das<lb/> rechtliche Verhältniß des Belagerungszuſtandes zur Verfaſſung ſo formu-<lb/> liren, daß die deutſchen Geſetze derſelben faſt ausſchließlich gefolgt ſind.<lb/> Es heißt: <hi rendition="#aq">„Dans le cas de révolte à main armée, ou de troubles qui<lb/> menacent la sûreté de l’État, <hi rendition="#i">la loi</hi> peut suspendre <hi rendition="#i">dans les lieux</hi><lb/> ou pour <hi rendition="#i">le temps qu’elle</hi> détermine, l’empire de la constitution.<lb/> Cette suspension peut être provisoirement declarée dans les mêmes<lb/> cas, par un <hi rendition="#i">arrêté du gouvernement</hi>, le corps législatif étant en<lb/> vacances, pourvu que ce corps soit convoqué au plus court terme<lb/> par un article <hi rendition="#i">du même arrêté</hi>.“</hi> Nur überſah man, daß dieſer<lb/> Artikel <hi rendition="#g">alle</hi> verfaſſungsmäßigen Funktionen aufhebt, und <hi rendition="#g">daher</hi> die<lb/> ſofortige Berufung des geſetzgebenden Körpers fordert. Erſt unter Na-<lb/> poleon <hi rendition="#aq">I.</hi> wird dann der <hi rendition="#aq">état de guerre</hi> von dem <hi rendition="#aq">état de siège</hi> ge-<lb/> ſchieden, jeder mit eigenem Recht; die polizeiliche und gerichtliche<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [130/0152]
Entweder kann der Belagerungszuſtand nur durch den Beſchluß der
Reichsvertretung eingeführt werden, wie in England, oder er kann
durch Verordnung des Miniſteriums, aber gegen deſſen Verantwortlich-
keit gegenüber der Volksvertretung erklärt werden, wie in Preußen, oder
endlich erklären ihn einfach die höheren und höchſten Verwaltungsbehörden
als ſicherheitspolizeiliche Maßregel, wie in Frankreich und Oeſterreich.
Von dieſen Syſtemen iſt ohne Zweifel das zweite das beſte.
In Betreff des zweiten Punktes muß man einfach ſagen, daß die
Vornahme der verfaſſungsmäßigen Funktionen durch den Belagerungs-
zuſtand als ſolchem nicht unterbrochen werden dürfe, ſondern daß eine
ſolche Unterbrechung, wie namentlich die Siſtirung von Wahlen, nur
auf Grundlage örtlicher Unruhen, und zwar alsdann gegen Mittheilung
an die verfaſſungsmäßigen Vertretungskörper und unter Verantwort-
lichkeit der Verwaltungsbehörde eintreten kann.
Geſetzgebung und Literatur. Mohl ſchweigt. Faſt die einzige
Arbeit iſt Mittermaier, Geſetz über die perſönliche Freiheit (Ar-
chiv des Criminalrechtes 1849). — In England erſcheint der Belage-
rungszuſtand als Aufhebung der Habeas-Corpus-Akte, kann nur durch
Parlamentsbeſchluß eingeführt werden, enthält nie das Eintreten der
Militärgerichte, ſondern weſentlich nur das Recht auf Verhaftung und
die Aufhebung der Freilaſſung gegen Caution. Mittermaier ebend.
S. 20. (S. das Folgende.) — In Frankreich iſt die verfaſſungsmäßige
Möglichkeit des bürgerlichen Belagerungszuſtandes zuerſt durch das Geſetz
vom 10 Frimaire, an VII eingeführt und dann die Grundzüge des Rechts
deſſelben in der Conſtitution von 1799 (an VIII) Art. 91 aufgeſtellt, die
wir anführen, weil ſie nicht eben das ſicherheitspolizeiliche, wohl aber das
rechtliche Verhältniß des Belagerungszuſtandes zur Verfaſſung ſo formu-
liren, daß die deutſchen Geſetze derſelben faſt ausſchließlich gefolgt ſind.
Es heißt: „Dans le cas de révolte à main armée, ou de troubles qui
menacent la sûreté de l’État, la loi peut suspendre dans les lieux
ou pour le temps qu’elle détermine, l’empire de la constitution.
Cette suspension peut être provisoirement declarée dans les mêmes
cas, par un arrêté du gouvernement, le corps législatif étant en
vacances, pourvu que ce corps soit convoqué au plus court terme
par un article du même arrêté.“ Nur überſah man, daß dieſer
Artikel alle verfaſſungsmäßigen Funktionen aufhebt, und daher die
ſofortige Berufung des geſetzgebenden Körpers fordert. Erſt unter Na-
poleon I. wird dann der état de guerre von dem état de siège ge-
ſchieden, jeder mit eigenem Recht; die polizeiliche und gerichtliche
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |