Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

Bild:
<< vorherige Seite

28. März 1849 (Art. IV.) meist allgemeine Anerkennung des Rechts der
Regierung auf Erklärung des Standrechts, jedoch ohne bestimmte Ge-
setzgebung. Oldenburg: Verfassungsurkunde von 1852, Art. 54. Wal-
deck
: §. 96. Reuß: Gesetz vom 20. Juni 1856, Art. 38. Luxem-
burg
: Verfassungsurkunde von 1856, Art. 113. Dagegen in Baden
eine ganze Gesetzgebung: Gesetz vom 7. Juni 1848; strenges Gesetz
vom 23. Oktober 1848; endlich besser organisirt durch Gesetz vom
29. Januar 1851 über Kriegszustand und ein zweites eodem über Be-
lagerungszustand. In Württemberg bezieht sich das "Standrecht"
nur auf das Militär; für den Belagerungszustand keine Gesetzgebung.
(Mohl, Württemb. Verwaltungsrecht §. 236.) Königreich Sachsen:
Minist.-Gesetz v. 10. Mai 1851 enthält im §. 13 ff. die Bestimmungen über
die Erklärung des ganzen Landes oder einzelner Orte in Belagerungs-
stand. (Funke, Polizeirecht V. S. 124. 125. In den übrigen Staaten
fehlt die Gesetzgebung. Mittermaier a. a. O. 41 ff. Zöpfl, deutsches
Staatsrecht I. 414.) In Holland ist man sich nach de Bosch-Kemper
§. 343 (Maatregelen by oproer, in-staat-van-beleg-stelling)
nicht
einig darüber geworden, ob das französische Recht (s. oben), das seiner
Zeit auch in Holland eingeführt ward, daselbst noch gilt oder nicht,
obwohl man zugibt, daß bei Aufruhr "die Gemeinde in eine außer-
ordentliche Stellung zur Regierung kommen kann, welche ungewöhnliche
Maßregeln nöthig macht." (S. Literatur darüber a. a. O.) -- Das
belgische Recht scheint ganz das französische beibehalten zu haben. (De
Fooz
, Droit adm. c. T. 1. Chap. II.
)


Zweite Abtheilung.
Einzelpolizei.
I. Begriff und Recht der gerichtlichen und der eigentlichen Einzelpolizei.

Bei der großen Wichtigkeit des Gebietes der Einzelpolizei und
ihrem innigen Zusammenhange mit dem bisher dargestellten Systeme
des Polizeirechtes wird es uns verstattet sein, diesen Gegenstand auf
seine allgemeinen Grundlagen zurück zu führen, bevor wir auf die ein-
zelnen Punkte eingehen, namentlich da man gerade hier ohne die strenge
Scheidung von gerichtlicher und Verwaltungspolizei nicht zu einem klaren
Rechtssysteme gelangen kann.

Diese allgemeinen Grundlagen dürften nun folgende sein:

Die Einzelpolizei enthält ihrem formalen Begriffe nach diejenigen

28. März 1849 (Art. IV.) meiſt allgemeine Anerkennung des Rechts der
Regierung auf Erklärung des Standrechts, jedoch ohne beſtimmte Ge-
ſetzgebung. Oldenburg: Verfaſſungsurkunde von 1852, Art. 54. Wal-
deck
: §. 96. Reuß: Geſetz vom 20. Juni 1856, Art. 38. Luxem-
burg
: Verfaſſungsurkunde von 1856, Art. 113. Dagegen in Baden
eine ganze Geſetzgebung: Geſetz vom 7. Juni 1848; ſtrenges Geſetz
vom 23. Oktober 1848; endlich beſſer organiſirt durch Geſetz vom
29. Januar 1851 über Kriegszuſtand und ein zweites eodem über Be-
lagerungszuſtand. In Württemberg bezieht ſich das „Standrecht“
nur auf das Militär; für den Belagerungszuſtand keine Geſetzgebung.
(Mohl, Württemb. Verwaltungsrecht §. 236.) Königreich Sachſen:
Miniſt.-Geſetz v. 10. Mai 1851 enthält im §. 13 ff. die Beſtimmungen über
die Erklärung des ganzen Landes oder einzelner Orte in Belagerungs-
ſtand. (Funke, Polizeirecht V. S. 124. 125. In den übrigen Staaten
fehlt die Geſetzgebung. Mittermaier a. a. O. 41 ff. Zöpfl, deutſches
Staatsrecht I. 414.) In Holland iſt man ſich nach de Bosch-Kemper
§. 343 (Maatregelen by oproer, in-staat-van-beleg-stelling)
nicht
einig darüber geworden, ob das franzöſiſche Recht (ſ. oben), das ſeiner
Zeit auch in Holland eingeführt ward, daſelbſt noch gilt oder nicht,
obwohl man zugibt, daß bei Aufruhr „die Gemeinde in eine außer-
ordentliche Stellung zur Regierung kommen kann, welche ungewöhnliche
Maßregeln nöthig macht.“ (S. Literatur darüber a. a. O.) — Das
belgiſche Recht ſcheint ganz das franzöſiſche beibehalten zu haben. (De
Fooz
, Droit adm. c. T. 1. Chap. II.
)


Zweite Abtheilung.
Einzelpolizei.
I. Begriff und Recht der gerichtlichen und der eigentlichen Einzelpolizei.

Bei der großen Wichtigkeit des Gebietes der Einzelpolizei und
ihrem innigen Zuſammenhange mit dem bisher dargeſtellten Syſteme
des Polizeirechtes wird es uns verſtattet ſein, dieſen Gegenſtand auf
ſeine allgemeinen Grundlagen zurück zu führen, bevor wir auf die ein-
zelnen Punkte eingehen, namentlich da man gerade hier ohne die ſtrenge
Scheidung von gerichtlicher und Verwaltungspolizei nicht zu einem klaren
Rechtsſyſteme gelangen kann.

Dieſe allgemeinen Grundlagen dürften nun folgende ſein:

Die Einzelpolizei enthält ihrem formalen Begriffe nach diejenigen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0154" n="132"/>
28. März 1849 (Art. <hi rendition="#aq">IV.</hi>) mei&#x017F;t allgemeine Anerkennung des Rechts der<lb/>
Regierung auf Erklärung des Standrechts, jedoch <hi rendition="#g">ohne</hi> be&#x017F;timmte Ge-<lb/>
&#x017F;etzgebung. <hi rendition="#g">Oldenburg</hi>: Verfa&#x017F;&#x017F;ungsurkunde von 1852, Art. 54. <hi rendition="#g">Wal-<lb/>
deck</hi>: §. 96. <hi rendition="#g">Reuß</hi>: Ge&#x017F;etz vom 20. Juni 1856, Art. 38. <hi rendition="#g">Luxem-<lb/>
burg</hi>: Verfa&#x017F;&#x017F;ungsurkunde von 1856, Art. 113. Dagegen in <hi rendition="#g">Baden</hi><lb/>
eine ganze Ge&#x017F;etzgebung: Ge&#x017F;etz vom 7. Juni 1848; &#x017F;trenges Ge&#x017F;etz<lb/>
vom 23. Oktober 1848; endlich be&#x017F;&#x017F;er organi&#x017F;irt durch Ge&#x017F;etz vom<lb/>
29. Januar 1851 über Kriegszu&#x017F;tand und ein zweites <hi rendition="#aq">eodem</hi> über Be-<lb/>
lagerungszu&#x017F;tand. In <hi rendition="#g">Württemberg</hi> bezieht &#x017F;ich das &#x201E;Standrecht&#x201C;<lb/>
nur auf das Militär; für den Belagerungszu&#x017F;tand keine Ge&#x017F;etzgebung.<lb/>
(<hi rendition="#g">Mohl</hi>, Württemb. Verwaltungsrecht §. 236.) Königreich <hi rendition="#g">Sach&#x017F;en</hi>:<lb/>
Mini&#x017F;t.-Ge&#x017F;etz v. 10. Mai 1851 enthält im §. 13 ff. die Be&#x017F;timmungen über<lb/>
die Erklärung des ganzen Landes oder einzelner Orte in Belagerungs-<lb/>
&#x017F;tand. (<hi rendition="#g">Funke</hi>, Polizeirecht <hi rendition="#aq">V.</hi> S. 124. 125. In den übrigen Staaten<lb/><hi rendition="#g">fehlt</hi> die Ge&#x017F;etzgebung. <hi rendition="#g">Mittermaier</hi> a. a. O. 41 ff. <hi rendition="#g">Zöpfl</hi>, deut&#x017F;ches<lb/>
Staatsrecht <hi rendition="#aq">I.</hi> 414.) In <hi rendition="#g">Holland</hi> i&#x017F;t man &#x017F;ich nach <hi rendition="#aq">de <hi rendition="#g">Bosch-Kemper</hi><lb/>
§. 343 (Maatregelen by oproer, in-staat-van-beleg-stelling)</hi> nicht<lb/>
einig darüber geworden, ob das franzö&#x017F;i&#x017F;che Recht (&#x017F;. oben), das &#x017F;einer<lb/>
Zeit auch in Holland eingeführt ward, da&#x017F;elb&#x017F;t noch gilt oder nicht,<lb/>
obwohl man zugibt, daß bei Aufruhr &#x201E;die Gemeinde in eine außer-<lb/>
ordentliche Stellung zur Regierung kommen kann, welche ungewöhnliche<lb/>
Maßregeln nöthig macht.&#x201C; (S. Literatur darüber a. a. O.) &#x2014; Das<lb/>
belgi&#x017F;che Recht &#x017F;cheint ganz das franzö&#x017F;i&#x017F;che beibehalten zu haben. (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">De<lb/>
Fooz</hi>, Droit adm. c. T. 1. Chap. II.</hi>)</p>
              </div>
            </div>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/>
          <div n="3">
            <head><hi rendition="#b">Zweite Abtheilung.</hi><lb/>
Einzelpolizei.</head><lb/>
            <div n="4">
              <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">I.</hi> Begriff und Recht der gerichtlichen und der eigentlichen Einzelpolizei.</hi> </head><lb/>
              <p>Bei der großen Wichtigkeit des Gebietes der Einzelpolizei und<lb/>
ihrem innigen Zu&#x017F;ammenhange mit dem bisher darge&#x017F;tellten Sy&#x017F;teme<lb/>
des Polizeirechtes wird es uns ver&#x017F;tattet &#x017F;ein, die&#x017F;en Gegen&#x017F;tand auf<lb/>
&#x017F;eine allgemeinen Grundlagen zurück zu führen, bevor wir auf die ein-<lb/>
zelnen Punkte eingehen, namentlich da man gerade hier ohne die &#x017F;trenge<lb/>
Scheidung von gerichtlicher und Verwaltungspolizei nicht zu einem klaren<lb/>
Rechts&#x017F;y&#x017F;teme gelangen kann.</p><lb/>
              <p>Die&#x017F;e allgemeinen Grundlagen dürften nun folgende &#x017F;ein:</p><lb/>
              <p>Die Einzelpolizei enthält ihrem formalen Begriffe nach diejenigen<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[132/0154] 28. März 1849 (Art. IV.) meiſt allgemeine Anerkennung des Rechts der Regierung auf Erklärung des Standrechts, jedoch ohne beſtimmte Ge- ſetzgebung. Oldenburg: Verfaſſungsurkunde von 1852, Art. 54. Wal- deck: §. 96. Reuß: Geſetz vom 20. Juni 1856, Art. 38. Luxem- burg: Verfaſſungsurkunde von 1856, Art. 113. Dagegen in Baden eine ganze Geſetzgebung: Geſetz vom 7. Juni 1848; ſtrenges Geſetz vom 23. Oktober 1848; endlich beſſer organiſirt durch Geſetz vom 29. Januar 1851 über Kriegszuſtand und ein zweites eodem über Be- lagerungszuſtand. In Württemberg bezieht ſich das „Standrecht“ nur auf das Militär; für den Belagerungszuſtand keine Geſetzgebung. (Mohl, Württemb. Verwaltungsrecht §. 236.) Königreich Sachſen: Miniſt.-Geſetz v. 10. Mai 1851 enthält im §. 13 ff. die Beſtimmungen über die Erklärung des ganzen Landes oder einzelner Orte in Belagerungs- ſtand. (Funke, Polizeirecht V. S. 124. 125. In den übrigen Staaten fehlt die Geſetzgebung. Mittermaier a. a. O. 41 ff. Zöpfl, deutſches Staatsrecht I. 414.) In Holland iſt man ſich nach de Bosch-Kemper §. 343 (Maatregelen by oproer, in-staat-van-beleg-stelling) nicht einig darüber geworden, ob das franzöſiſche Recht (ſ. oben), das ſeiner Zeit auch in Holland eingeführt ward, daſelbſt noch gilt oder nicht, obwohl man zugibt, daß bei Aufruhr „die Gemeinde in eine außer- ordentliche Stellung zur Regierung kommen kann, welche ungewöhnliche Maßregeln nöthig macht.“ (S. Literatur darüber a. a. O.) — Das belgiſche Recht ſcheint ganz das franzöſiſche beibehalten zu haben. (De Fooz, Droit adm. c. T. 1. Chap. II.) Zweite Abtheilung. Einzelpolizei. I. Begriff und Recht der gerichtlichen und der eigentlichen Einzelpolizei. Bei der großen Wichtigkeit des Gebietes der Einzelpolizei und ihrem innigen Zuſammenhange mit dem bisher dargeſtellten Syſteme des Polizeirechtes wird es uns verſtattet ſein, dieſen Gegenſtand auf ſeine allgemeinen Grundlagen zurück zu führen, bevor wir auf die ein- zelnen Punkte eingehen, namentlich da man gerade hier ohne die ſtrenge Scheidung von gerichtlicher und Verwaltungspolizei nicht zu einem klaren Rechtsſyſteme gelangen kann. Dieſe allgemeinen Grundlagen dürften nun folgende ſein: Die Einzelpolizei enthält ihrem formalen Begriffe nach diejenigen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/154
Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/154>, abgerufen am 28.11.2024.