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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.

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Für unsere Zeit giebt es daher statt der alten Preßpolizei als
der einzigen Form, in der die Verwaltung sich um die Presse
kümmerte, ein Preßwesen, wie es ein Gesundheits- und ein Unter-
richts-, ein Communications- und ein Creditwesen und anderes
giebt. Dieß Preßwesen soll als solches in die Verwaltungslehre
aufgenommen und von derselben behandelt werden; es ist nicht
mehr bloß Gegenstand der Polizei, sondern der geistigen Bildung
überhaupt, und die Lehre von ihm und seinem Recht ist künftig
das Bewußtsein der Staatswissenschaft von der geistigen Welt und
ihrer Arbeit im Staate. Das ist der Standpunkt, den wir ein-
nehmen, und diesem Standpunkt entspricht in der That das posi-
tive Preßrecht und seine Geschichte. Die Bewegung zur "Freiheit
der Presse" ist nicht bloß negativ die Beseitigung der polizeilichen
Maßregeln gegen dieselbe, sondern eben so sehr positiv die Ent-
wicklung einer organischen Auffassung ihrer Function. In dieser
Weise haben wir im folgenden Theil, der Verwaltung des geistigen
Lebens, die Presse aufgefaßt und ihr Recht behandelt. Es ist klar,
daß dabei die Polizei der Presse keineswegs verschwindet. Die
Presse fordert ihre gerichtliche und Verwaltungspolizei eben so gut
als der Unterricht, das Maß und Gewicht, der Werthumlauf,
die Land- und Forstwirthschaft u. s. w. Allein das Wesentliche
ist, daß die Preßpolizei nicht mehr wie früher das Preßrecht
selber ist
, sondern vielmehr nur in dem Preßrecht vorkommt,
in demselben Sinne, wie die Polizei als die schützende negative
Seite der Verwaltung in jedem Gebiete des Verwaltungsrechts
erscheint. Die würdige Auffassung der Presse im Ganzen fordert
daher, daß man das Preßrecht nicht mehr als selbständige Kate-
gorie der Sicherheitspolizei, und damit die Presse selbst nicht mehr
als eine beständige, immanente, wir möchten sagen organische Ge-
fährdung der öffentlichen Rechtsordnung betrachte. Die Verwal-
tungslehre, will sie ihrem Zweck entsprechen, muß sich gewöhnen,
statt wie bisher von den Gefahren, jetzt vielmehr von den Auf-
gaben und der selbstgebildeten Organisation der Presse zu reden
und sie wie jeden innern Lebensgenuß der freien Selbstentwicklung

Für unſere Zeit giebt es daher ſtatt der alten Preßpolizei als
der einzigen Form, in der die Verwaltung ſich um die Preſſe
kümmerte, ein Preßweſen, wie es ein Geſundheits- und ein Unter-
richts-, ein Communications- und ein Creditweſen und anderes
giebt. Dieß Preßweſen ſoll als ſolches in die Verwaltungslehre
aufgenommen und von derſelben behandelt werden; es iſt nicht
mehr bloß Gegenſtand der Polizei, ſondern der geiſtigen Bildung
überhaupt, und die Lehre von ihm und ſeinem Recht iſt künftig
das Bewußtſein der Staatswiſſenſchaft von der geiſtigen Welt und
ihrer Arbeit im Staate. Das iſt der Standpunkt, den wir ein-
nehmen, und dieſem Standpunkt entſpricht in der That das poſi-
tive Preßrecht und ſeine Geſchichte. Die Bewegung zur „Freiheit
der Preſſe“ iſt nicht bloß negativ die Beſeitigung der polizeilichen
Maßregeln gegen dieſelbe, ſondern eben ſo ſehr poſitiv die Ent-
wicklung einer organiſchen Auffaſſung ihrer Function. In dieſer
Weiſe haben wir im folgenden Theil, der Verwaltung des geiſtigen
Lebens, die Preſſe aufgefaßt und ihr Recht behandelt. Es iſt klar,
daß dabei die Polizei der Preſſe keineswegs verſchwindet. Die
Preſſe fordert ihre gerichtliche und Verwaltungspolizei eben ſo gut
als der Unterricht, das Maß und Gewicht, der Werthumlauf,
die Land- und Forſtwirthſchaft u. ſ. w. Allein das Weſentliche
iſt, daß die Preßpolizei nicht mehr wie früher das Preßrecht
ſelber iſt
, ſondern vielmehr nur in dem Preßrecht vorkommt,
in demſelben Sinne, wie die Polizei als die ſchützende negative
Seite der Verwaltung in jedem Gebiete des Verwaltungsrechts
erſcheint. Die würdige Auffaſſung der Preſſe im Ganzen fordert
daher, daß man das Preßrecht nicht mehr als ſelbſtändige Kate-
gorie der Sicherheitspolizei, und damit die Preſſe ſelbſt nicht mehr
als eine beſtändige, immanente, wir möchten ſagen organiſche Ge-
fährdung der öffentlichen Rechtsordnung betrachte. Die Verwal-
tungslehre, will ſie ihrem Zweck entſprechen, muß ſich gewöhnen,
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[XI/0017] Für unſere Zeit giebt es daher ſtatt der alten Preßpolizei als der einzigen Form, in der die Verwaltung ſich um die Preſſe kümmerte, ein Preßweſen, wie es ein Geſundheits- und ein Unter- richts-, ein Communications- und ein Creditweſen und anderes giebt. Dieß Preßweſen ſoll als ſolches in die Verwaltungslehre aufgenommen und von derſelben behandelt werden; es iſt nicht mehr bloß Gegenſtand der Polizei, ſondern der geiſtigen Bildung überhaupt, und die Lehre von ihm und ſeinem Recht iſt künftig das Bewußtſein der Staatswiſſenſchaft von der geiſtigen Welt und ihrer Arbeit im Staate. Das iſt der Standpunkt, den wir ein- nehmen, und dieſem Standpunkt entſpricht in der That das poſi- tive Preßrecht und ſeine Geſchichte. Die Bewegung zur „Freiheit der Preſſe“ iſt nicht bloß negativ die Beſeitigung der polizeilichen Maßregeln gegen dieſelbe, ſondern eben ſo ſehr poſitiv die Ent- wicklung einer organiſchen Auffaſſung ihrer Function. In dieſer Weiſe haben wir im folgenden Theil, der Verwaltung des geiſtigen Lebens, die Preſſe aufgefaßt und ihr Recht behandelt. Es iſt klar, daß dabei die Polizei der Preſſe keineswegs verſchwindet. Die Preſſe fordert ihre gerichtliche und Verwaltungspolizei eben ſo gut als der Unterricht, das Maß und Gewicht, der Werthumlauf, die Land- und Forſtwirthſchaft u. ſ. w. Allein das Weſentliche iſt, daß die Preßpolizei nicht mehr wie früher das Preßrecht ſelber iſt, ſondern vielmehr nur in dem Preßrecht vorkommt, in demſelben Sinne, wie die Polizei als die ſchützende negative Seite der Verwaltung in jedem Gebiete des Verwaltungsrechts erſcheint. Die würdige Auffaſſung der Preſſe im Ganzen fordert daher, daß man das Preßrecht nicht mehr als ſelbſtändige Kate- gorie der Sicherheitspolizei, und damit die Preſſe ſelbſt nicht mehr als eine beſtändige, immanente, wir möchten ſagen organiſche Ge- fährdung der öffentlichen Rechtsordnung betrachte. Die Verwal- tungslehre, will ſie ihrem Zweck entſprechen, muß ſich gewöhnen, ſtatt wie bisher von den Gefahren, jetzt vielmehr von den Auf- gaben und der ſelbſtgebildeten Organiſation der Preſſe zu reden und ſie wie jeden innern Lebensgenuß der freien Selbſtentwicklung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867, S. XI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre04_1867/17>, abgerufen am 23.11.2024.