Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 4. Stuttgart, 1867.In der polizeilichen Epoche tritt dagegen ein neues System ins Leben, Natürlich bestehen nun eine Menge der ausführlichsten Vorschriften In der polizeilichen Epoche tritt dagegen ein neues Syſtem ins Leben, Natürlich beſtehen nun eine Menge der ausführlichſten Vorſchriften <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0184" n="162"/> In der polizeilichen Epoche tritt dagegen ein neues Syſtem ins Leben,<lb/> deſſen Grundlage das geſetzliche Armenweſen iſt. In ihm entſpricht<lb/> die Pflicht der Gemeinde, ihre Armen zu ernähren, dem Recht derſelben,<lb/> die Bettelei zu verfolgen. Das ganze Bettlerweſen als ſolches erſcheint<lb/> dadurch als eine Uebertretung der öffentlichen Ordnung, als ein Ver-<lb/> gehen des Armen gegen ſeine Pflicht, ſich nach den Regeln des Armen-<lb/> weſens ſeiner Heimath unterſtützen zu laſſen, und ſo entſteht der Grund-<lb/> ſatz der <hi rendition="#g">Strafe</hi> für die Bettelei, die urſprünglich als eine Polizeiſtrafe<lb/> auftretend und von den Selbſtverwaltungskörpern gehandhabt, durch<lb/> Härte, Willkür und zufällige Ausführung von Seiten der örtlichen<lb/> Polizeiorgane die Geſetzgebung der ſtaatsbürgerlichen Epoche dazu nöthigt,<lb/> die Beſtrafung der Bettelei in das <hi rendition="#g">allgemeine Strafrecht</hi> aufzu-<lb/> nehmen. Das Vagabundenthum dagegen bleibt ſeiner Natur nach ein<lb/> Gegenſtand der Polizei, da es auf keine beſtimmbare rechtswidrige Hand-<lb/> lung zurückgeführt werden kann. Es wird daher gleichſam in ſeine<lb/> Momente aufgelöst. Grundlage iſt das polizeiliche Verbot des erwerb-<lb/> loſen Herumtreibens, mit der Conſequenz, daß die geſetzliche Armen-<lb/> heimath nöthigenfalls den Vagabunden zu unterhalten habe. Die daraus<lb/> entſtehenden Maßregeln ſind <hi rendition="#g">erſtlich</hi>: die Verpflichtung des Unſeßhaften<lb/> ſelbſt im Fall eines auf das Herumziehen berechneten Erwerbes, den<lb/> letztern <hi rendition="#g">legitimiren</hi> zu können (Wanderbuch, Hauſirpaß); <hi rendition="#g">zweitens</hi>:<lb/> das Recht der Polizeiorgane bei mangelnder Legitimation den Betreffen-<lb/> den feſtzuhalten; <hi rendition="#g">drittens</hi>: denſelben an die Armenheimath abzuſen-<lb/> den (das ſogenannte Schubweſen.) Zu einer <hi rendition="#g">Beſtrafung</hi> der Vaga-<lb/> bunden liegt an ſich kein Grund vor. Dieſelbe kann rationell nur da<lb/> eintreten, wo der Unterſtützte ſeine Armenheimath verläßt ohne Anzeige,<lb/> und ohne Grund zu einem Erwerbe zu haben. Das Hauſiren ſteht<lb/> unter der Gewerbeordnung.</p><lb/> <p>Natürlich beſtehen nun eine Menge der ausführlichſten Vorſchriften<lb/> über das Einzelne bei dieſem Verfahren, die manches Verſchiedene ent-<lb/> halten. Doch iſt die Grundlage allenthalben gleichartig wie die Natur<lb/> der Sache es fordert. Dieſelbe läßt ſich in folgende Punkte zuſammen-<lb/> faſſen: Betteln iſt an ſich ſtraffällig bei organiſirtem Armenweſen,<lb/> Herumtreiben nur bedingt. Die Polizei hat in Beziehung auf das letzte<lb/> die Aufgabe, den erwerbloſen Herumtreiber <hi rendition="#g">dem organiſirten Ar-<lb/> menweſen ſeiner Heimath zu übergeben</hi>. Das Betteln iſt ein<lb/> Verſtoß gegen das <hi rendition="#g">Recht</hi>, das Vagabundenthum ein Verſtoß gegen die<lb/><hi rendition="#g">Ordnung</hi>. Mit im Grunde ſehr geringen Abweichungen ſind daher<lb/> Geſchichte und Recht in allen Ländern, bei aller Verſchiedenheit doch<lb/> weſentlich gleich. Regel iſt jedoch, daß das Strafverfahren in <hi rendition="#g">dem<lb/> Grade ſtrenger</hi> iſt, in welchem das Armenweſen allgemeiner und<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [162/0184]
In der polizeilichen Epoche tritt dagegen ein neues Syſtem ins Leben,
deſſen Grundlage das geſetzliche Armenweſen iſt. In ihm entſpricht
die Pflicht der Gemeinde, ihre Armen zu ernähren, dem Recht derſelben,
die Bettelei zu verfolgen. Das ganze Bettlerweſen als ſolches erſcheint
dadurch als eine Uebertretung der öffentlichen Ordnung, als ein Ver-
gehen des Armen gegen ſeine Pflicht, ſich nach den Regeln des Armen-
weſens ſeiner Heimath unterſtützen zu laſſen, und ſo entſteht der Grund-
ſatz der Strafe für die Bettelei, die urſprünglich als eine Polizeiſtrafe
auftretend und von den Selbſtverwaltungskörpern gehandhabt, durch
Härte, Willkür und zufällige Ausführung von Seiten der örtlichen
Polizeiorgane die Geſetzgebung der ſtaatsbürgerlichen Epoche dazu nöthigt,
die Beſtrafung der Bettelei in das allgemeine Strafrecht aufzu-
nehmen. Das Vagabundenthum dagegen bleibt ſeiner Natur nach ein
Gegenſtand der Polizei, da es auf keine beſtimmbare rechtswidrige Hand-
lung zurückgeführt werden kann. Es wird daher gleichſam in ſeine
Momente aufgelöst. Grundlage iſt das polizeiliche Verbot des erwerb-
loſen Herumtreibens, mit der Conſequenz, daß die geſetzliche Armen-
heimath nöthigenfalls den Vagabunden zu unterhalten habe. Die daraus
entſtehenden Maßregeln ſind erſtlich: die Verpflichtung des Unſeßhaften
ſelbſt im Fall eines auf das Herumziehen berechneten Erwerbes, den
letztern legitimiren zu können (Wanderbuch, Hauſirpaß); zweitens:
das Recht der Polizeiorgane bei mangelnder Legitimation den Betreffen-
den feſtzuhalten; drittens: denſelben an die Armenheimath abzuſen-
den (das ſogenannte Schubweſen.) Zu einer Beſtrafung der Vaga-
bunden liegt an ſich kein Grund vor. Dieſelbe kann rationell nur da
eintreten, wo der Unterſtützte ſeine Armenheimath verläßt ohne Anzeige,
und ohne Grund zu einem Erwerbe zu haben. Das Hauſiren ſteht
unter der Gewerbeordnung.
Natürlich beſtehen nun eine Menge der ausführlichſten Vorſchriften
über das Einzelne bei dieſem Verfahren, die manches Verſchiedene ent-
halten. Doch iſt die Grundlage allenthalben gleichartig wie die Natur
der Sache es fordert. Dieſelbe läßt ſich in folgende Punkte zuſammen-
faſſen: Betteln iſt an ſich ſtraffällig bei organiſirtem Armenweſen,
Herumtreiben nur bedingt. Die Polizei hat in Beziehung auf das letzte
die Aufgabe, den erwerbloſen Herumtreiber dem organiſirten Ar-
menweſen ſeiner Heimath zu übergeben. Das Betteln iſt ein
Verſtoß gegen das Recht, das Vagabundenthum ein Verſtoß gegen die
Ordnung. Mit im Grunde ſehr geringen Abweichungen ſind daher
Geſchichte und Recht in allen Ländern, bei aller Verſchiedenheit doch
weſentlich gleich. Regel iſt jedoch, daß das Strafverfahren in dem
Grade ſtrenger iſt, in welchem das Armenweſen allgemeiner und
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