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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Aufgabe der hohen Schulen, ganz gleichgültig dagegen, ob es mit oder
ohne Bewußtsein geschieht, bestimmt wird durch die Stellung, welche
die hohe Schule im gesammten Bildungssystem einnimmt. Die Ge-
schichte der Lehrpläne und ihres Rechts ist der Ausdruck der geschicht-
lichen Entwicklung dieser organischen Stellung jenes Bildungssystems,
während die Geschichte ihrer Verwaltung durch ihr Verhältniß zur staat-
lichen (administrativen) Auffassung des gelehrten Berufsbildungswesens
überhaupt bedingt wird.

Die erste Epoche dieser Entwicklung des hohen Schulwesens zeigt
uns die hohe Schule in der Gestalt, in welcher sie noch eigentlich gar
keine Vorbildungsanstalt, sondern die allgemeine höhere Bildungsanstalt
überhaupt ist. Man wird diese Epoche wieder in zwei Theile scheiden
müssen. Der erste Zeitraum geht bis zur Erfindung der Buchdrucker-
kunst. In diesem Zeitraum bestehen die Lehrmittel nur noch in den
Manuscripten, welche ihrerseits wieder fast nur in den Klöstern vor-
handen sind. An diese schließt sich daher das erste höhere Bildungs-
wesen an; der Mönch ist der einzige Gelehrte; seine Vorlesungen sind
noch an keine äußere Ordnung gebunden; er hält sie meistens auf Grund-
lage eines Manuscripts und bringt dann in die Vorträge hinein, was
ihm als nothwendig erscheint. Das sind die alten Scholae, die Kloster-
schulen. Die erste Vorbildung, die classische Sprache, ist dabei meist
dem Einzelunterricht überlassen. Niemand denkt noch daran, eine solche
Bildung als Bedingung einer öffentlichen Berufsthätigkeit anzusehen;
es ist ein ganz freier Anfang der noch durch keine Tradition und noch
weniger durch ein Gesetz geregelten höhern Bildung überhaupt. Bis
zum dreizehnten Jahrhundert stehen diese Scholae noch ganz allein da.
Mit dem Auftreten der Universitäten aber nehmen sie allmählig einen
andern Charakter an. Da es nur wenig Universitäten gibt, so bleiben
sie noch ein paar Jahrhunderte hindurch die eigentliche höhere Bildungs-
anstalt; allein für diejenigen, welche die Universitas besuchen wollen,
werden sie schon jetzt Vorbildungsanstalten. An ihnen lernt der
künftige Studiosus sein Latein, die Elemente der Rhetorik, Philosophie
und Classicität; aber er kann sich auch noch eben so gut zu Hause für
die Universitas vorbereiten und ebensowohl kann er von ihnen aus un-
mittelbar ins öffentliche Leben übertreten. Es ist ein noch sporadisches,
nur örtlich gestaltetes Bildungswesen. Erst dann, als die Classiker durch
die Buchdruckerei allgemein werden und als sich an dieselbe eine selb-
ständige Literatur und in der letztern eine allgemein gültige, öffentlich
rechtliche Scheidung ihrer Gebiete in Theologie, Medicin, Jurisprudenz
und Philosophie entwickelt und die Universitäten selbst sich vermehren,
wird das Bedürfniß nach hohen Schulen allgemeiner. Der höhere

Aufgabe der hohen Schulen, ganz gleichgültig dagegen, ob es mit oder
ohne Bewußtſein geſchieht, beſtimmt wird durch die Stellung, welche
die hohe Schule im geſammten Bildungsſyſtem einnimmt. Die Ge-
ſchichte der Lehrpläne und ihres Rechts iſt der Ausdruck der geſchicht-
lichen Entwicklung dieſer organiſchen Stellung jenes Bildungsſyſtems,
während die Geſchichte ihrer Verwaltung durch ihr Verhältniß zur ſtaat-
lichen (adminiſtrativen) Auffaſſung des gelehrten Berufsbildungsweſens
überhaupt bedingt wird.

Die erſte Epoche dieſer Entwicklung des hohen Schulweſens zeigt
uns die hohe Schule in der Geſtalt, in welcher ſie noch eigentlich gar
keine Vorbildungsanſtalt, ſondern die allgemeine höhere Bildungsanſtalt
überhaupt iſt. Man wird dieſe Epoche wieder in zwei Theile ſcheiden
müſſen. Der erſte Zeitraum geht bis zur Erfindung der Buchdrucker-
kunſt. In dieſem Zeitraum beſtehen die Lehrmittel nur noch in den
Manuſcripten, welche ihrerſeits wieder faſt nur in den Klöſtern vor-
handen ſind. An dieſe ſchließt ſich daher das erſte höhere Bildungs-
weſen an; der Mönch iſt der einzige Gelehrte; ſeine Vorleſungen ſind
noch an keine äußere Ordnung gebunden; er hält ſie meiſtens auf Grund-
lage eines Manuſcripts und bringt dann in die Vorträge hinein, was
ihm als nothwendig erſcheint. Das ſind die alten Scholae, die Kloſter-
ſchulen. Die erſte Vorbildung, die claſſiſche Sprache, iſt dabei meiſt
dem Einzelunterricht überlaſſen. Niemand denkt noch daran, eine ſolche
Bildung als Bedingung einer öffentlichen Berufsthätigkeit anzuſehen;
es iſt ein ganz freier Anfang der noch durch keine Tradition und noch
weniger durch ein Geſetz geregelten höhern Bildung überhaupt. Bis
zum dreizehnten Jahrhundert ſtehen dieſe Scholae noch ganz allein da.
Mit dem Auftreten der Univerſitäten aber nehmen ſie allmählig einen
andern Charakter an. Da es nur wenig Univerſitäten gibt, ſo bleiben
ſie noch ein paar Jahrhunderte hindurch die eigentliche höhere Bildungs-
anſtalt; allein für diejenigen, welche die Universitas beſuchen wollen,
werden ſie ſchon jetzt Vorbildungsanſtalten. An ihnen lernt der
künftige Studioſus ſein Latein, die Elemente der Rhetorik, Philoſophie
und Claſſicität; aber er kann ſich auch noch eben ſo gut zu Hauſe für
die Universitas vorbereiten und ebenſowohl kann er von ihnen aus un-
mittelbar ins öffentliche Leben übertreten. Es iſt ein noch ſporadiſches,
nur örtlich geſtaltetes Bildungsweſen. Erſt dann, als die Claſſiker durch
die Buchdruckerei allgemein werden und als ſich an dieſelbe eine ſelb-
ſtändige Literatur und in der letztern eine allgemein gültige, öffentlich
rechtliche Scheidung ihrer Gebiete in Theologie, Medicin, Jurisprudenz
und Philoſophie entwickelt und die Univerſitäten ſelbſt ſich vermehren,
wird das Bedürfniß nach hohen Schulen allgemeiner. Der höhere

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[197/0225] Aufgabe der hohen Schulen, ganz gleichgültig dagegen, ob es mit oder ohne Bewußtſein geſchieht, beſtimmt wird durch die Stellung, welche die hohe Schule im geſammten Bildungsſyſtem einnimmt. Die Ge- ſchichte der Lehrpläne und ihres Rechts iſt der Ausdruck der geſchicht- lichen Entwicklung dieſer organiſchen Stellung jenes Bildungsſyſtems, während die Geſchichte ihrer Verwaltung durch ihr Verhältniß zur ſtaat- lichen (adminiſtrativen) Auffaſſung des gelehrten Berufsbildungsweſens überhaupt bedingt wird. Die erſte Epoche dieſer Entwicklung des hohen Schulweſens zeigt uns die hohe Schule in der Geſtalt, in welcher ſie noch eigentlich gar keine Vorbildungsanſtalt, ſondern die allgemeine höhere Bildungsanſtalt überhaupt iſt. Man wird dieſe Epoche wieder in zwei Theile ſcheiden müſſen. Der erſte Zeitraum geht bis zur Erfindung der Buchdrucker- kunſt. In dieſem Zeitraum beſtehen die Lehrmittel nur noch in den Manuſcripten, welche ihrerſeits wieder faſt nur in den Klöſtern vor- handen ſind. An dieſe ſchließt ſich daher das erſte höhere Bildungs- weſen an; der Mönch iſt der einzige Gelehrte; ſeine Vorleſungen ſind noch an keine äußere Ordnung gebunden; er hält ſie meiſtens auf Grund- lage eines Manuſcripts und bringt dann in die Vorträge hinein, was ihm als nothwendig erſcheint. Das ſind die alten Scholae, die Kloſter- ſchulen. Die erſte Vorbildung, die claſſiſche Sprache, iſt dabei meiſt dem Einzelunterricht überlaſſen. Niemand denkt noch daran, eine ſolche Bildung als Bedingung einer öffentlichen Berufsthätigkeit anzuſehen; es iſt ein ganz freier Anfang der noch durch keine Tradition und noch weniger durch ein Geſetz geregelten höhern Bildung überhaupt. Bis zum dreizehnten Jahrhundert ſtehen dieſe Scholae noch ganz allein da. Mit dem Auftreten der Univerſitäten aber nehmen ſie allmählig einen andern Charakter an. Da es nur wenig Univerſitäten gibt, ſo bleiben ſie noch ein paar Jahrhunderte hindurch die eigentliche höhere Bildungs- anſtalt; allein für diejenigen, welche die Universitas beſuchen wollen, werden ſie ſchon jetzt Vorbildungsanſtalten. An ihnen lernt der künftige Studioſus ſein Latein, die Elemente der Rhetorik, Philoſophie und Claſſicität; aber er kann ſich auch noch eben ſo gut zu Hauſe für die Universitas vorbereiten und ebenſowohl kann er von ihnen aus un- mittelbar ins öffentliche Leben übertreten. Es iſt ein noch ſporadiſches, nur örtlich geſtaltetes Bildungsweſen. Erſt dann, als die Claſſiker durch die Buchdruckerei allgemein werden und als ſich an dieſelbe eine ſelb- ſtändige Literatur und in der letztern eine allgemein gültige, öffentlich rechtliche Scheidung ihrer Gebiete in Theologie, Medicin, Jurisprudenz und Philoſophie entwickelt und die Univerſitäten ſelbſt ſich vermehren, wird das Bedürfniß nach hohen Schulen allgemeiner. Der höhere

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/225>, abgerufen am 21.11.2024.