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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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dieser ersten Epoche ist sie selbst noch gar nicht genug entwickelt, um
mehr als die abstrakte Vorstellung von dem Werthe und der Funktion
der Universität zu haben. Beide große Faktoren der künftigen Staats-
bildung stehen noch ganz getrennt. Das gesammte öffentliche Recht der
Universität ist das der ständischen Selbstverwaltung.

Den Uebergang von dieser ersten Periode zur zweiten bildet das
Auftreten der selbständigen Entwicklung der eigentlichen Verwaltung,
die sich allenthalben an das Königthum anschließt. Wir können diese
Zeit ungefähr ins sechzehnte Jahrhundert setzen. Die Buchdruckerkunst
hat bereits die Werke der alten Classiker und der jungen Gelehrten all-
gemein gemacht; die Zahl der Universitäten ist vermehrt; auch dem
Minderbemittelten ist es möglich sie zu besuchen; die Zahl der wissen-
schaftlich Gebildeten steigt mit jedem Jahre; die neue Verwaltung, ihrer-
seits vielfach in heftigem Gegensatz zu der Unwirthschaft der grundherr-
lichen Verwaltung, sieht sich mehr und mehr um nach Männern, die
eine selbständige Bildung haben; sie fängt allmählig an, dieselbe als
Bedingung für gewisse Berufsthätigkeiten zu fordern; die Funktion der
Universitäten wird als eine der großen Voraussetzungen des Sieges der
neuen Staatsgewalt über das ständische Wesen erkannt; in allen Theilen
der Verwaltung sitzen bereits Beamtete, die ihre Universitätslaufbahn
durchgemacht; der Richter muß das römische Recht, der Arzt die wissen-
schaftliche Medicin, der Lehrer die Philosophie, selbst der Geistliche muß
die Theologie methodisch kennen. So kann denn nun auch die Univer-
sität nicht länger in ihrer starren Abgeschiedenheit von dem Fortschritte
der übrigen Welt bleiben. Was sie wissenschaftlich leistet, ist hier nicht
die Frage; aber es ist ihr Verhältniß zur Verwaltung, es ist ihr öffent-
liches Recht, das durch jene Bewegung erfaßt wird. Indem der Staat
die wissenschaftliche Bildung fordert, muß er die Mittel derselben her-
stellen; indem er die Mittel hergibt, gewinnt er ein Recht auf Theil-
nahme an der Thätigkeit jener Organe; so zieht er allmählig aber un-
widerstehlich die altständische Universität in das junge System seines
Bildungswesens hinein; sie wird fast unwillkürlich ein Glied desselben;
sie muß, wollend oder nicht, allmählig ihre wissenschaftlichen Funktionen
nach den Forderungen richten, welche der Staat an den künftigen Be-
amteten stellt; sie muß daran denken, den Prüfungen zu genügen, um
derentwillen der Student die Vorlesung besucht; es bildet sich ein tra-
ditioneller Lehrplan aus; derselbe erweitert sich allmählig mit dem wach-
senden Bedürfniß, und wird in sich immer abgeschlossener und fester mit
der wachsenden Gleichartigkeit des Amtswesens; und so entsteht einer-
seits der Grundsatz, daß die Universitätsglieder Staatsbeamtete sind,
und anderseits wird die unabweisbare Nothwendigkeit der Harmonie

dieſer erſten Epoche iſt ſie ſelbſt noch gar nicht genug entwickelt, um
mehr als die abſtrakte Vorſtellung von dem Werthe und der Funktion
der Univerſität zu haben. Beide große Faktoren der künftigen Staats-
bildung ſtehen noch ganz getrennt. Das geſammte öffentliche Recht der
Univerſität iſt das der ſtändiſchen Selbſtverwaltung.

Den Uebergang von dieſer erſten Periode zur zweiten bildet das
Auftreten der ſelbſtändigen Entwicklung der eigentlichen Verwaltung,
die ſich allenthalben an das Königthum anſchließt. Wir können dieſe
Zeit ungefähr ins ſechzehnte Jahrhundert ſetzen. Die Buchdruckerkunſt
hat bereits die Werke der alten Claſſiker und der jungen Gelehrten all-
gemein gemacht; die Zahl der Univerſitäten iſt vermehrt; auch dem
Minderbemittelten iſt es möglich ſie zu beſuchen; die Zahl der wiſſen-
ſchaftlich Gebildeten ſteigt mit jedem Jahre; die neue Verwaltung, ihrer-
ſeits vielfach in heftigem Gegenſatz zu der Unwirthſchaft der grundherr-
lichen Verwaltung, ſieht ſich mehr und mehr um nach Männern, die
eine ſelbſtändige Bildung haben; ſie fängt allmählig an, dieſelbe als
Bedingung für gewiſſe Berufsthätigkeiten zu fordern; die Funktion der
Univerſitäten wird als eine der großen Vorausſetzungen des Sieges der
neuen Staatsgewalt über das ſtändiſche Weſen erkannt; in allen Theilen
der Verwaltung ſitzen bereits Beamtete, die ihre Univerſitätslaufbahn
durchgemacht; der Richter muß das römiſche Recht, der Arzt die wiſſen-
ſchaftliche Medicin, der Lehrer die Philoſophie, ſelbſt der Geiſtliche muß
die Theologie methodiſch kennen. So kann denn nun auch die Univer-
ſität nicht länger in ihrer ſtarren Abgeſchiedenheit von dem Fortſchritte
der übrigen Welt bleiben. Was ſie wiſſenſchaftlich leiſtet, iſt hier nicht
die Frage; aber es iſt ihr Verhältniß zur Verwaltung, es iſt ihr öffent-
liches Recht, das durch jene Bewegung erfaßt wird. Indem der Staat
die wiſſenſchaftliche Bildung fordert, muß er die Mittel derſelben her-
ſtellen; indem er die Mittel hergibt, gewinnt er ein Recht auf Theil-
nahme an der Thätigkeit jener Organe; ſo zieht er allmählig aber un-
widerſtehlich die altſtändiſche Univerſität in das junge Syſtem ſeines
Bildungsweſens hinein; ſie wird faſt unwillkürlich ein Glied deſſelben;
ſie muß, wollend oder nicht, allmählig ihre wiſſenſchaftlichen Funktionen
nach den Forderungen richten, welche der Staat an den künftigen Be-
amteten ſtellt; ſie muß daran denken, den Prüfungen zu genügen, um
derentwillen der Student die Vorleſung beſucht; es bildet ſich ein tra-
ditioneller Lehrplan aus; derſelbe erweitert ſich allmählig mit dem wach-
ſenden Bedürfniß, und wird in ſich immer abgeſchloſſener und feſter mit
der wachſenden Gleichartigkeit des Amtsweſens; und ſo entſteht einer-
ſeits der Grundſatz, daß die Univerſitätsglieder Staatsbeamtete ſind,
und anderſeits wird die unabweisbare Nothwendigkeit der Harmonie

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[221/0249] dieſer erſten Epoche iſt ſie ſelbſt noch gar nicht genug entwickelt, um mehr als die abſtrakte Vorſtellung von dem Werthe und der Funktion der Univerſität zu haben. Beide große Faktoren der künftigen Staats- bildung ſtehen noch ganz getrennt. Das geſammte öffentliche Recht der Univerſität iſt das der ſtändiſchen Selbſtverwaltung. Den Uebergang von dieſer erſten Periode zur zweiten bildet das Auftreten der ſelbſtändigen Entwicklung der eigentlichen Verwaltung, die ſich allenthalben an das Königthum anſchließt. Wir können dieſe Zeit ungefähr ins ſechzehnte Jahrhundert ſetzen. Die Buchdruckerkunſt hat bereits die Werke der alten Claſſiker und der jungen Gelehrten all- gemein gemacht; die Zahl der Univerſitäten iſt vermehrt; auch dem Minderbemittelten iſt es möglich ſie zu beſuchen; die Zahl der wiſſen- ſchaftlich Gebildeten ſteigt mit jedem Jahre; die neue Verwaltung, ihrer- ſeits vielfach in heftigem Gegenſatz zu der Unwirthſchaft der grundherr- lichen Verwaltung, ſieht ſich mehr und mehr um nach Männern, die eine ſelbſtändige Bildung haben; ſie fängt allmählig an, dieſelbe als Bedingung für gewiſſe Berufsthätigkeiten zu fordern; die Funktion der Univerſitäten wird als eine der großen Vorausſetzungen des Sieges der neuen Staatsgewalt über das ſtändiſche Weſen erkannt; in allen Theilen der Verwaltung ſitzen bereits Beamtete, die ihre Univerſitätslaufbahn durchgemacht; der Richter muß das römiſche Recht, der Arzt die wiſſen- ſchaftliche Medicin, der Lehrer die Philoſophie, ſelbſt der Geiſtliche muß die Theologie methodiſch kennen. So kann denn nun auch die Univer- ſität nicht länger in ihrer ſtarren Abgeſchiedenheit von dem Fortſchritte der übrigen Welt bleiben. Was ſie wiſſenſchaftlich leiſtet, iſt hier nicht die Frage; aber es iſt ihr Verhältniß zur Verwaltung, es iſt ihr öffent- liches Recht, das durch jene Bewegung erfaßt wird. Indem der Staat die wiſſenſchaftliche Bildung fordert, muß er die Mittel derſelben her- ſtellen; indem er die Mittel hergibt, gewinnt er ein Recht auf Theil- nahme an der Thätigkeit jener Organe; ſo zieht er allmählig aber un- widerſtehlich die altſtändiſche Univerſität in das junge Syſtem ſeines Bildungsweſens hinein; ſie wird faſt unwillkürlich ein Glied deſſelben; ſie muß, wollend oder nicht, allmählig ihre wiſſenſchaftlichen Funktionen nach den Forderungen richten, welche der Staat an den künftigen Be- amteten ſtellt; ſie muß daran denken, den Prüfungen zu genügen, um derentwillen der Student die Vorleſung beſucht; es bildet ſich ein tra- ditioneller Lehrplan aus; derſelbe erweitert ſich allmählig mit dem wach- ſenden Bedürfniß, und wird in ſich immer abgeſchloſſener und feſter mit der wachſenden Gleichartigkeit des Amtsweſens; und ſo entſteht einer- ſeits der Grundſatz, daß die Univerſitätsglieder Staatsbeamtete ſind, und anderſeits wird die unabweisbare Nothwendigkeit der Harmonie

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/249>, abgerufen am 24.11.2024.