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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.

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Naturwissenschaft, sondern auch Landbau, Forstwesen, Schifffahrt, und
gewerbliche Kunst gleichsam als Fakultäten in die polytechnischen
Schulen aufgenommen werden müßten, was schon an und für sich,
selbst äußerlich, unthunlich ist. Die polytechnische Universität ist schon
deßhalb nicht darzustellen. Allein der Widerspruch ist ein viel tieferer,
wirklicherer. Die Voraussetzung jeder Universität, das, was sie eigent-
lich zur Universität macht, besteht darin, daß das alle Fakultäten
Umschließende und Vereinende wieder eine selbständige Fakultät (die
philosophische) ist, welche die geistige Einheit des Verschiedenen zu
einer selbständigen Aufgabe der Bildung macht. Nun aber ist es klar,
daß die Technik, die Lehre von den mechanisch oder chemisch wirkenden
Kräften der Natur, diese Einheit nicht bietet, so wenig als die bloße
Nationalökonomie oder die Statistik. Das was die technischen oder
polytechnischen Schulen lehren, ist selbst nichts als Theil des Ganzen;
sie sind in der That nur die Fachbildungsanstalten für Bau- und
Maschinenwesen, und stehen somit einfach neben den übrigen Fach-
schulen. Der Versuch, durch einfache äußerliche Hinzufügung aller
höheren, auf die wirthschaftliche Bildung bezüglichen Fächer zu der
technischen Fachbildung dem Polytechnikum die Funktion der Univer-
sität beizulegen, muß daher stets mißlingen, schon physisch deßhalb,
weil die specielle technische Bildung doch die Ansprüche, die sie an die
Zeit der Schüler macht, entweder die allgemeinen Fächer erdrückt, oder
von diesen erdrückt wird. Der entschiedenste Versuch, jenen Gedanken
zu verwirklichen, hat die Wiener polytechnische Anstalt in ihrer
neuen Organisation gemacht, und dieser Versuch muß nach dieser Rich-
tung als ein vollkommen mißlungener angesehen werden, da die Theil-
nahme an den rein technischen Gebieten die Betheiligung selbst an der
allgemeinen volkswirthschaftlichen Bildung, namentlich Nationalöko-
nomie und Statistik, zu einer bloßen Form machen muß. Man muß
daher principiell davon ausgehen, daß jede jener Fachschulen ihr spe-
cielles Gebiet hat; und daß es nicht ihre Bestimmung ist, das All-
gemeine dieses Gebietes zu erschöpfen, sondern vielmehr nur die An-
wendung derselben auf das wirthschaftliche Leben und seine großen
Unternehmungen zu lehren. Die übrigen Fachbildungsanstalten be-
zeichnen schon durch ihren Namen, was in diesem Sinne ihr Gegen-
stand ist. Die polytechnische Schule, auf ihr organisches Maß zurück-
geführt, ist die Lehre von der Anwendung der natürlichen Kräfte in
zwei ganz bestimmten Gebieten, der Baukunde und der Maschinenkunde.
Alles andere liegt außerhalb ihres Kreises, und muß in der unnatür-
lichen Verbindung mit diesen beschränkten Specialfächern eben so zu
Grunde gehen, als wenn man eine medicinische Fakultät mit einer

Naturwiſſenſchaft, ſondern auch Landbau, Forſtweſen, Schifffahrt, und
gewerbliche Kunſt gleichſam als Fakultäten in die polytechniſchen
Schulen aufgenommen werden müßten, was ſchon an und für ſich,
ſelbſt äußerlich, unthunlich iſt. Die polytechniſche Univerſität iſt ſchon
deßhalb nicht darzuſtellen. Allein der Widerſpruch iſt ein viel tieferer,
wirklicherer. Die Vorausſetzung jeder Univerſität, das, was ſie eigent-
lich zur Univerſität macht, beſteht darin, daß das alle Fakultäten
Umſchließende und Vereinende wieder eine ſelbſtändige Fakultät (die
philoſophiſche) iſt, welche die geiſtige Einheit des Verſchiedenen zu
einer ſelbſtändigen Aufgabe der Bildung macht. Nun aber iſt es klar,
daß die Technik, die Lehre von den mechaniſch oder chemiſch wirkenden
Kräften der Natur, dieſe Einheit nicht bietet, ſo wenig als die bloße
Nationalökonomie oder die Statiſtik. Das was die techniſchen oder
polytechniſchen Schulen lehren, iſt ſelbſt nichts als Theil des Ganzen;
ſie ſind in der That nur die Fachbildungsanſtalten für Bau- und
Maſchinenweſen, und ſtehen ſomit einfach neben den übrigen Fach-
ſchulen. Der Verſuch, durch einfache äußerliche Hinzufügung aller
höheren, auf die wirthſchaftliche Bildung bezüglichen Fächer zu der
techniſchen Fachbildung dem Polytechnikum die Funktion der Univer-
ſität beizulegen, muß daher ſtets mißlingen, ſchon phyſiſch deßhalb,
weil die ſpecielle techniſche Bildung doch die Anſprüche, die ſie an die
Zeit der Schüler macht, entweder die allgemeinen Fächer erdrückt, oder
von dieſen erdrückt wird. Der entſchiedenſte Verſuch, jenen Gedanken
zu verwirklichen, hat die Wiener polytechniſche Anſtalt in ihrer
neuen Organiſation gemacht, und dieſer Verſuch muß nach dieſer Rich-
tung als ein vollkommen mißlungener angeſehen werden, da die Theil-
nahme an den rein techniſchen Gebieten die Betheiligung ſelbſt an der
allgemeinen volkswirthſchaftlichen Bildung, namentlich Nationalöko-
nomie und Statiſtik, zu einer bloßen Form machen muß. Man muß
daher principiell davon ausgehen, daß jede jener Fachſchulen ihr ſpe-
cielles Gebiet hat; und daß es nicht ihre Beſtimmung iſt, das All-
gemeine dieſes Gebietes zu erſchöpfen, ſondern vielmehr nur die An-
wendung derſelben auf das wirthſchaftliche Leben und ſeine großen
Unternehmungen zu lehren. Die übrigen Fachbildungsanſtalten be-
zeichnen ſchon durch ihren Namen, was in dieſem Sinne ihr Gegen-
ſtand iſt. Die polytechniſche Schule, auf ihr organiſches Maß zurück-
geführt, iſt die Lehre von der Anwendung der natürlichen Kräfte in
zwei ganz beſtimmten Gebieten, der Baukunde und der Maſchinenkunde.
Alles andere liegt außerhalb ihres Kreiſes, und muß in der unnatür-
lichen Verbindung mit dieſen beſchränkten Specialfächern eben ſo zu
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[272/0300] Naturwiſſenſchaft, ſondern auch Landbau, Forſtweſen, Schifffahrt, und gewerbliche Kunſt gleichſam als Fakultäten in die polytechniſchen Schulen aufgenommen werden müßten, was ſchon an und für ſich, ſelbſt äußerlich, unthunlich iſt. Die polytechniſche Univerſität iſt ſchon deßhalb nicht darzuſtellen. Allein der Widerſpruch iſt ein viel tieferer, wirklicherer. Die Vorausſetzung jeder Univerſität, das, was ſie eigent- lich zur Univerſität macht, beſteht darin, daß das alle Fakultäten Umſchließende und Vereinende wieder eine ſelbſtändige Fakultät (die philoſophiſche) iſt, welche die geiſtige Einheit des Verſchiedenen zu einer ſelbſtändigen Aufgabe der Bildung macht. Nun aber iſt es klar, daß die Technik, die Lehre von den mechaniſch oder chemiſch wirkenden Kräften der Natur, dieſe Einheit nicht bietet, ſo wenig als die bloße Nationalökonomie oder die Statiſtik. Das was die techniſchen oder polytechniſchen Schulen lehren, iſt ſelbſt nichts als Theil des Ganzen; ſie ſind in der That nur die Fachbildungsanſtalten für Bau- und Maſchinenweſen, und ſtehen ſomit einfach neben den übrigen Fach- ſchulen. Der Verſuch, durch einfache äußerliche Hinzufügung aller höheren, auf die wirthſchaftliche Bildung bezüglichen Fächer zu der techniſchen Fachbildung dem Polytechnikum die Funktion der Univer- ſität beizulegen, muß daher ſtets mißlingen, ſchon phyſiſch deßhalb, weil die ſpecielle techniſche Bildung doch die Anſprüche, die ſie an die Zeit der Schüler macht, entweder die allgemeinen Fächer erdrückt, oder von dieſen erdrückt wird. Der entſchiedenſte Verſuch, jenen Gedanken zu verwirklichen, hat die Wiener polytechniſche Anſtalt in ihrer neuen Organiſation gemacht, und dieſer Verſuch muß nach dieſer Rich- tung als ein vollkommen mißlungener angeſehen werden, da die Theil- nahme an den rein techniſchen Gebieten die Betheiligung ſelbſt an der allgemeinen volkswirthſchaftlichen Bildung, namentlich Nationalöko- nomie und Statiſtik, zu einer bloßen Form machen muß. Man muß daher principiell davon ausgehen, daß jede jener Fachſchulen ihr ſpe- cielles Gebiet hat; und daß es nicht ihre Beſtimmung iſt, das All- gemeine dieſes Gebietes zu erſchöpfen, ſondern vielmehr nur die An- wendung derſelben auf das wirthſchaftliche Leben und ſeine großen Unternehmungen zu lehren. Die übrigen Fachbildungsanſtalten be- zeichnen ſchon durch ihren Namen, was in dieſem Sinne ihr Gegen- ſtand iſt. Die polytechniſche Schule, auf ihr organiſches Maß zurück- geführt, iſt die Lehre von der Anwendung der natürlichen Kräfte in zwei ganz beſtimmten Gebieten, der Baukunde und der Maſchinenkunde. Alles andere liegt außerhalb ihres Kreiſes, und muß in der unnatür- lichen Verbindung mit dieſen beſchränkten Specialfächern eben ſo zu Grunde gehen, als wenn man eine mediciniſche Fakultät mit einer

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre05_1868/300>, abgerufen am 22.11.2024.