Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.Als Napoleon die Codifikation fertig und die Verwaltung des Stein, die Verwaltungslehre. V. 19
Als Napoleon die Codifikation fertig und die Verwaltung des Stein, die Verwaltungslehre. V. 19
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Als Napoleon die Codifikation fertig und die Verwaltung des
Staats ſtreng geordnet hatte, mußten ihm in Beziehung auf das
Berufsbildungsweſen zwei Fragen entſtehen. Die erſte war die, für
welche Gebiete die Verwaltung eine Berufsbildung zu fordern habe.
Die zweite war die, wie ſie organiſirt werden ſolle. Die ſocialen
Zuſtände beantworteten die erſte, der Geſammtcharakter der Adminiſtra-
tion die zweite Frage. Das Princip der vollen ſtaatsbürgerlichen
Freiheit ſchloß nämlich die wirthſchaftliche Vorbildung von der
Aufgabe des Staates grundſätzlich aus, jedoch allerdings nicht ohne
Ausnahmen zuzulaſſen, und überwies dem Staate als Object ſeiner
Thätigkeit nur den eigentlichen, öffentlichen Beruf; das Princip der
ſtrengen Centraliſation dagegen ergänzte den Grundſatz, auch die Berufs-
bildung unter die centrale Gewalt des Staats zu ſtellen, und ihr auf
jedem Punkte Charakter und Form eines adminiſtrativen Organismus
zu geben. So entſtand die Napoleoniſche Université. Sie iſt dem-
gemäß einerſeits Ein das ganze franzöſiſche Bildungsweſen umfaſſen-
des Ganze; ſie hat daher neben der Elementarbildung der instruction
primaire auch die gelehrte Vorbildung in der instruction secondaire
und die gelehrte Fachbildung in der instruction supérieure in ſich auf-
genommen. Jene umfaßte unſer hohes Schulweſen, dieſes vertritt das
Univerſitätsweſen, wenn auch ohne eine deutſche Univerſität in den
von einander geſchiedenen ſelbſtändigen und ganz örtlich vertheilten
Facultés. Damit hat Frankreich zwei große Elemente der höhern und
freieren geiſtigen Bildung verloren, einerſeits die Idee der Einheit der
Wiſſenſchaften, andererſeits die Selbſtändigkeit des Lehrkörpers. Es
war ein wirklicher Fortſchritt in dieſer Napoleoniſchen Université
mit ſeinem, das ganze Reich gleichmäßig umfaſſenden Corps enseignant
gegen die erſte Epoche; aber es war zugleich in derſelben eine ſehr
ernſte Gefahr gegen die freiere geiſtige Bewegung. Das nächſte aber,
was hier als eigentlicher auch formell erkennbarer Mangel des ganzen
Syſtems erſchien, war offenbar die Thatſache, daß jene große Idee
der Einheit der Wiſſenſchaft, deren Träger die deutſchen Univerſitäten
ſind, keinen Ausdruck gefunden hatte. Napoleon ſtand zu hoch, um
das nicht zu ſehen; nicht hoch genug, um die Löſung dieſer Frage in
einem Syſtem eigentlicher Univerſitäten zu ſichern. Er ſchuf daher ein
zweites Organ, das eben dieſe ſpecifiſche Funktion zu vertreten hatte;
das war das Institut de France, das die Geſammtheit der höchſten ge-
lehrten Bildung in Frankreich als eine mächtige, alle Gebiete menſch-
licher Erkenntniß in ſeinem Körper umfaſſende geiſtige Potenz vertreten
ſollte, die eigentliche Univerſität in Frankreich im deutſchen Sinne mit
wiſſenſchaftlicher und ſelbſt adminiſtrativer Selbſtändigkeit und eigenem
Stein, die Verwaltungslehre. V. 19
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