Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 5. Stuttgart, 1868.Lehrerwesens und der Gemeinde ist noch nie ernstlich in Frage ge- Der Grundzug der ganzen französischen Verwaltung, alle Funktionen Lehrerweſens und der Gemeinde iſt noch nie ernſtlich in Frage ge- Der Grundzug der ganzen franzöſiſchen Verwaltung, alle Funktionen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0325" n="297"/> Lehrerweſens und der Gemeinde iſt noch nie ernſtlich in Frage ge-<lb/> kommen. Dieß nun aber gilt weſentlich von der <hi rendition="#aq">Université.</hi> In der<lb/> wirthſchaftlichen Fachbildung dagegen regt ſich ein anderer Geiſt. Freilich<lb/> iſt die dem Realſchulweſen entſprechende Vorbildung in den <hi rendition="#aq">sciences</hi> der<lb/><hi rendition="#aq">Lycées</hi> dem <hi rendition="#aq">régime universitaire</hi> mit unterworfen und die <hi rendition="#aq">Collèges<lb/> communaux</hi> ſind nicht viel beſſer daran; allein das in den <hi rendition="#aq">Écoles<lb/> professionelles</hi> enthaltene Fortbildungsweſen iſt ohne freie Verfügung<lb/> der Gemeinden einerſeits und der Stifter andererſeits nicht denkbar.<lb/> Daneben beſteht der Unterricht durch Privatunternehmungen, natürlich<lb/> in um ſo ſtärkerer Blüthe, je weniger die ſtreng amtlichen Staatsan-<lb/> ſtalten an Geiſt und Zahl, namentlich der nördlichen, mit germaniſchem<lb/> Blut ſtark gemiſchten Provinzen genügen. Es iſt durch das Zuſammen-<lb/> wirken aller dieſer Elemente ſehr ſchwer, ſich ein klares Bild über das<lb/> Syſtem im Einzelnen zu verſchaffen, namentlich da die Statiſtik des<lb/> Privatunterrichts, der eine ſo mächtige Rolle ſpielt und der ſeit 1850<lb/> faſt vollkommen frei, gänzlich fehlt und der Mangel an Staatsdienſt-<lb/> prüfungen niemanden zwingt, für die amtliche Laufbahn die Staats-<lb/> bildung zu abſolviren. Indeſſen müſſen doch zwei Momente hier hervor-<lb/> gehoben werden, von denen das erſte über den pädagogiſchen und zum<lb/> Theil ſocialen Charakter der Vorbildung, das zweite über den wiſſen-<lb/> ſchaftlichen der Fachbildung entſcheidet. Das erſte iſt das <hi rendition="#g">Penſionat-</hi><lb/> und <hi rendition="#g">Bourſenſyſtem</hi>, das den Charakter der Erziehung in den Coll<hi rendition="#aq">è</hi>ges<lb/> beſtimmt, das zweite die <hi rendition="#g">Berufung</hi> der Profeſſoren, das über den<lb/> Charakter der wiſſenſchaftlichen Thätigkeit der Fachmänner entſcheidet.</p><lb/> <p>Der Grundzug der ganzen franzöſiſchen Verwaltung, alle Funktionen<lb/> des Geſammtlebens der Staatsgewalt zu übergeben, fand in der Re-<lb/> volution das meiſt kirchliche Syſtem der Penſionate vor. Das Pen-<lb/> ſionat iſt nicht bloß ein Verhältniß, in welchem der Schüler an einem<lb/> fremden Orte in Pflege genommen wird, ſondern iſt die, durch die ſyſte-<lb/> matiſche Aufnahme der Kinder und Zöglinge in die Bildungsanſtalten<lb/> durchgeführte Verbindung <hi rendition="#g">der Erziehung mit der Bildung</hi>. Das<lb/> Penſionat iſt nicht ein Auskunftsmittel für fremde Kinder, und nicht<lb/> ein Unternehmen auf Koſt und Pflege, ſondern iſt ein öffentlich recht-<lb/> liches <hi rendition="#g">Syſtem</hi> zunächſt für das <hi rendition="#g">geſammte</hi> Vorbildungsweſen. <hi rendition="#g">Jedes<lb/> Lyceum iſt principiell zugleich ein Penſionat</hi>; die Externen<lb/> ſind dem Grundſatze nach die Ausnahmen. Die Regierung hat dieß<lb/> Syſtem theils vorgefunden, theils ſanctionirt und befeſtigt durch das<lb/> daran anſchließende Syſtem der ſtaatlichen <hi rendition="#g">Freiplätze</hi>, <hi rendition="#aq">bourses,</hi> deren<lb/> es in jedem Lyceum gibt. Dieß Syſtem tödtet die Selbſtändigkeit des<lb/> Individuums vollſtändig. Es hat nicht bloß die wiſſenſchaftliche Vor-<lb/> bildung gänzlich verdorben, indem, wie Bücheler ſehr richtig bemerkt,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [297/0325]
Lehrerweſens und der Gemeinde iſt noch nie ernſtlich in Frage ge-
kommen. Dieß nun aber gilt weſentlich von der Université. In der
wirthſchaftlichen Fachbildung dagegen regt ſich ein anderer Geiſt. Freilich
iſt die dem Realſchulweſen entſprechende Vorbildung in den sciences der
Lycées dem régime universitaire mit unterworfen und die Collèges
communaux ſind nicht viel beſſer daran; allein das in den Écoles
professionelles enthaltene Fortbildungsweſen iſt ohne freie Verfügung
der Gemeinden einerſeits und der Stifter andererſeits nicht denkbar.
Daneben beſteht der Unterricht durch Privatunternehmungen, natürlich
in um ſo ſtärkerer Blüthe, je weniger die ſtreng amtlichen Staatsan-
ſtalten an Geiſt und Zahl, namentlich der nördlichen, mit germaniſchem
Blut ſtark gemiſchten Provinzen genügen. Es iſt durch das Zuſammen-
wirken aller dieſer Elemente ſehr ſchwer, ſich ein klares Bild über das
Syſtem im Einzelnen zu verſchaffen, namentlich da die Statiſtik des
Privatunterrichts, der eine ſo mächtige Rolle ſpielt und der ſeit 1850
faſt vollkommen frei, gänzlich fehlt und der Mangel an Staatsdienſt-
prüfungen niemanden zwingt, für die amtliche Laufbahn die Staats-
bildung zu abſolviren. Indeſſen müſſen doch zwei Momente hier hervor-
gehoben werden, von denen das erſte über den pädagogiſchen und zum
Theil ſocialen Charakter der Vorbildung, das zweite über den wiſſen-
ſchaftlichen der Fachbildung entſcheidet. Das erſte iſt das Penſionat-
und Bourſenſyſtem, das den Charakter der Erziehung in den Collèges
beſtimmt, das zweite die Berufung der Profeſſoren, das über den
Charakter der wiſſenſchaftlichen Thätigkeit der Fachmänner entſcheidet.
Der Grundzug der ganzen franzöſiſchen Verwaltung, alle Funktionen
des Geſammtlebens der Staatsgewalt zu übergeben, fand in der Re-
volution das meiſt kirchliche Syſtem der Penſionate vor. Das Pen-
ſionat iſt nicht bloß ein Verhältniß, in welchem der Schüler an einem
fremden Orte in Pflege genommen wird, ſondern iſt die, durch die ſyſte-
matiſche Aufnahme der Kinder und Zöglinge in die Bildungsanſtalten
durchgeführte Verbindung der Erziehung mit der Bildung. Das
Penſionat iſt nicht ein Auskunftsmittel für fremde Kinder, und nicht
ein Unternehmen auf Koſt und Pflege, ſondern iſt ein öffentlich recht-
liches Syſtem zunächſt für das geſammte Vorbildungsweſen. Jedes
Lyceum iſt principiell zugleich ein Penſionat; die Externen
ſind dem Grundſatze nach die Ausnahmen. Die Regierung hat dieß
Syſtem theils vorgefunden, theils ſanctionirt und befeſtigt durch das
daran anſchließende Syſtem der ſtaatlichen Freiplätze, bourses, deren
es in jedem Lyceum gibt. Dieß Syſtem tödtet die Selbſtändigkeit des
Individuums vollſtändig. Es hat nicht bloß die wiſſenſchaftliche Vor-
bildung gänzlich verdorben, indem, wie Bücheler ſehr richtig bemerkt,
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