Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.machen solle. In der That ist man darüber niemals zweifelhaft ge- machen ſolle. In der That iſt man darüber niemals zweifelhaft ge- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <p><pb facs="#f0143" n="127"/> machen ſolle. In der That iſt man darüber niemals zweifelhaft ge-<lb/> weſen. Vortrefflich hat dieß <hi rendition="#g">Glaſer</hi> a. a. O. hervorgehoben und nament-<lb/> lich die hier entſcheidende Stelle <hi rendition="#g">Blackſtones</hi> citirt. Mit Recht ſagt<lb/> er: Blackſtone faßt die Preßfreiheit ganz formell auf <hi rendition="#aq">(IV, 152);</hi> ſie iſt<lb/> ihm die Befreiung vom Präventivzwang. „Es iſt für die Erhaltung<lb/> des Friedens und der guten Ordnung nothwendig, gefährliche oder<lb/> Aergerniß gebende (<hi rendition="#aq">offensive</hi>) Schriften zu ſtrafen, deren <hi rendition="#g">Tendenz</hi><lb/> durch eine gerechte und unparteiiſche Proceßführung (Geſchworene) feſt-<lb/> geſtellt iſt. Dadurch wird die Freiheit des Denkens und Forſchens<lb/> nicht beeinträchtigt. Die Privatmeinung iſt frei, allein die Ausſtreuung<lb/> oder Veröffentlichung ſchlechter, die Zwecke der Geſellſchaft vereitelnder<lb/><hi rendition="#g">Meinungen</hi> iſt ein Verbrechen, das die Geſellſchaft beſtraft.“ Daß<lb/> dieſe „Geſellſchaft“ ſelbſt wieder aus ſcharfen Gegenſätzen beſteht, von<lb/> denen das eine Element eben für gefährlich hält, was das andere für<lb/> hochlöblich anſieht und daß die Zurückführung auf das Weſen der Ge-<lb/> ſellſchaft daher eben die größte Gefahr für die angeblich freie Privat-<lb/> meinung wird, davon ahnt natürlich Blackſtone nichts; daß zur Zeit<lb/> des <hi rendition="#aq">Starchamber</hi> der <hi rendition="#aq">„temper of judges and jurys“</hi> gerade auf Grund-<lb/> lage der obigen Anſicht der Juriſten, deren Vertreter Blackſtone iſt, die<lb/> ganze Preſſe geknebelt hatte, das hatte noch kein Macaulay nachge-<lb/> wieſen. Andrerſeits wird natürlich das Preßrecht durch dieſe allgemeine<lb/> Auffaſſung, welche eben die Vermiſchung des Strafrechts des Geiſtes<lb/> oder der Tendenz mit dem des Einzelausdrucks enthält, unſicher, und<lb/> zwar erſchien dieſe Unſicherheit für England in der dem engliſchen Ge-<lb/> richtsverfahren eigenthümlichen Form. Die Jury hatte ihr Verdikt zu<lb/> geben; die Frage, <hi rendition="#g">worüber</hi> ſie ſchuldig oder nichtſchuldig ausſprechen<lb/> dürfe, war <hi rendition="#g">nicht</hi> entſchieden. Hält die Jury ſich an <hi rendition="#g">einzelne</hi> Aus-<lb/> drücke, ſo iſt der Geiſt dem Strafrecht entzogen, ſpricht ſie dagegen über<lb/> das Ganze, ſo iſt ſie nur eine freie Form des Repreſſivſyſtems und es<lb/> beſteht <hi rendition="#g">kein</hi> freies Preßrecht. Dieß blieb unbeſtimmt bis zum Ende<lb/> des vorigen Jahrhunderts; aber die Wirkungen der franzöſiſchen Revo-<lb/> lution waren auch über den Kanal gedrungen. Der Kampf der freien<lb/> Volksvertretung gegen das höchſt beſchränkte Parlamentsſyſtem begann.<lb/> Die Regierung ſtand natürlich auf der Seite des letztern. Es war klar,<lb/> daß mit einem Geſetze, welches bloß einzelne Ausdrücke in den Druck-<lb/> werken ſtrafbar machte, in dieſem Kampfe nicht viel gewonnen ſei. Man<lb/> mußte die Tendenz ſelber bekämpfen. Und ſo entſtand das <hi rendition="#g">erſte eigent-<lb/> liche Strafgeſetz des Repreſſivſyſtems</hi>, das wir in Europa kennen<lb/> und das weit mehr als man glaubt, den folgenden Geſetzgebungen zum<lb/> Muſter gedient hat. Die <hi rendition="#aq"><hi rendition="#g">Fox-Libell-Bill</hi> (Stat. 32. Georg. III.<lb/> c. 60,</hi> im Auszug überſetzt bei Lorbeer, S. 452), welche in <hi rendition="#aq">sect. I.</hi><lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [127/0143]
machen ſolle. In der That iſt man darüber niemals zweifelhaft ge-
weſen. Vortrefflich hat dieß Glaſer a. a. O. hervorgehoben und nament-
lich die hier entſcheidende Stelle Blackſtones citirt. Mit Recht ſagt
er: Blackſtone faßt die Preßfreiheit ganz formell auf (IV, 152); ſie iſt
ihm die Befreiung vom Präventivzwang. „Es iſt für die Erhaltung
des Friedens und der guten Ordnung nothwendig, gefährliche oder
Aergerniß gebende (offensive) Schriften zu ſtrafen, deren Tendenz
durch eine gerechte und unparteiiſche Proceßführung (Geſchworene) feſt-
geſtellt iſt. Dadurch wird die Freiheit des Denkens und Forſchens
nicht beeinträchtigt. Die Privatmeinung iſt frei, allein die Ausſtreuung
oder Veröffentlichung ſchlechter, die Zwecke der Geſellſchaft vereitelnder
Meinungen iſt ein Verbrechen, das die Geſellſchaft beſtraft.“ Daß
dieſe „Geſellſchaft“ ſelbſt wieder aus ſcharfen Gegenſätzen beſteht, von
denen das eine Element eben für gefährlich hält, was das andere für
hochlöblich anſieht und daß die Zurückführung auf das Weſen der Ge-
ſellſchaft daher eben die größte Gefahr für die angeblich freie Privat-
meinung wird, davon ahnt natürlich Blackſtone nichts; daß zur Zeit
des Starchamber der „temper of judges and jurys“ gerade auf Grund-
lage der obigen Anſicht der Juriſten, deren Vertreter Blackſtone iſt, die
ganze Preſſe geknebelt hatte, das hatte noch kein Macaulay nachge-
wieſen. Andrerſeits wird natürlich das Preßrecht durch dieſe allgemeine
Auffaſſung, welche eben die Vermiſchung des Strafrechts des Geiſtes
oder der Tendenz mit dem des Einzelausdrucks enthält, unſicher, und
zwar erſchien dieſe Unſicherheit für England in der dem engliſchen Ge-
richtsverfahren eigenthümlichen Form. Die Jury hatte ihr Verdikt zu
geben; die Frage, worüber ſie ſchuldig oder nichtſchuldig ausſprechen
dürfe, war nicht entſchieden. Hält die Jury ſich an einzelne Aus-
drücke, ſo iſt der Geiſt dem Strafrecht entzogen, ſpricht ſie dagegen über
das Ganze, ſo iſt ſie nur eine freie Form des Repreſſivſyſtems und es
beſteht kein freies Preßrecht. Dieß blieb unbeſtimmt bis zum Ende
des vorigen Jahrhunderts; aber die Wirkungen der franzöſiſchen Revo-
lution waren auch über den Kanal gedrungen. Der Kampf der freien
Volksvertretung gegen das höchſt beſchränkte Parlamentsſyſtem begann.
Die Regierung ſtand natürlich auf der Seite des letztern. Es war klar,
daß mit einem Geſetze, welches bloß einzelne Ausdrücke in den Druck-
werken ſtrafbar machte, in dieſem Kampfe nicht viel gewonnen ſei. Man
mußte die Tendenz ſelber bekämpfen. Und ſo entſtand das erſte eigent-
liche Strafgeſetz des Repreſſivſyſtems, das wir in Europa kennen
und das weit mehr als man glaubt, den folgenden Geſetzgebungen zum
Muſter gedient hat. Die Fox-Libell-Bill (Stat. 32. Georg. III.
c. 60, im Auszug überſetzt bei Lorbeer, S. 452), welche in sect. I.
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