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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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Berufsbibliotheken der wissenschaftlichen Körperschaften; das zweite Sta-
dium liegt in der Errichtung landesherrlicher Bibliotheken mit öffent-
licher Benützung; das dritte, noch kaum begonnene, wird sich erst aus
der Errichtung örtlicher öffentlicher Bibliotheken ergeben. Die letztern
werden bis jetzt durch die Leihbibliotheken ersetzt. Der naturgemäße
Weg ist der, daß sich allmählig das Bildungsvereinswesen der Biblio-
thekfrage bemächtigt, und daß Vereine für öffentliche Bibliotheken der
allgemeinen Bildung entstehen, wie es Vereine und Stiftungen für
einzelne Berufsbildungen mit Bibliotheken gibt. Das öffentliche Recht
der Bibliotheken besteht naturgemäß aus den Reglements für ihre Er-
haltung, Erweiterung und Benützung. Es ist natürlich, daß jede Biblio-
thek ihre specielle Ordnung hat; eben so natürlich ist es, daß diese im
Wesentlichen übereinstimmen. Die öffentlichen Bibliotheken stehen stets
unter dem Ministerium der geistigen Angelegenheiten; die Leihbiblio-
theken dagegen unter der Polizei. Die Frage nach dem Eigenthums-
recht
an den öffentlichen Bibliotheken gehört der Lehre von Staatsgut;
für die Verwaltungslehre ist sie nur so weit von Bedeutung, als das
Eigenthumsrecht des Staats im Grunde die Anerkennung der Biblio-
theken als Mittel der Verwaltung enthält.


Das interessanteste System der Bibliotheken und ihres Rechts ist
ohne Zweifel das französische. Bis zur Revolution bestanden, wie gegen-
wärtig fast ausschließlich in Deutschland, die beiden Bibliotheksysteme
der ständischen (die Berufsbibliotheken, Universitätsbibliotheken und
Klosterbibliotheken) und der polizeilichen Epoche (die königlichen Biblio-
theken). Die Revolution erklärte sie einfach und ohne weitere Unter-
scheidung für Staatsgut und stellte sie in ihrer Gesammtheit -- zuerst
in Europa -- unter die Verwaltung (Dekret vom 14. November 1789).
Dieser Verwaltung wurden dann auch alle Archive des Reichs unter-
geordnet, und zwar auf der Grundlage, daß namentlich die Kataloge
der Handschriften und Aktenstücke von allen Provinzen eingesendet und
somit ein Generalkatalog der bestehenden Bibliotheken verfaßt werden
sollte (Dekret vom 20--29. März 1790 und folgende). Durch Gesetz
vom 7. Mess. an II. wurden dann die Bibliotheken und die Archive ge-
schieden und die Vertheilung derselben angeordnet. Durch Dekret vom
20. Februar 1809 wurden alle Manuscripte in allen Bibliotheken als
Staatseigenthum erklärt, und gleichfalls alle Archive aller Ver-
waltungskörper; der Grundsatz, daß von jetzt an die Veröffentlichungen
nur unter Zustimmung des Ministeriums des Innern erfolgen können,
war davon die nothwendige Folge, eben so die systematisch in ganz

Berufsbibliotheken der wiſſenſchaftlichen Körperſchaften; das zweite Sta-
dium liegt in der Errichtung landesherrlicher Bibliotheken mit öffent-
licher Benützung; das dritte, noch kaum begonnene, wird ſich erſt aus
der Errichtung örtlicher öffentlicher Bibliotheken ergeben. Die letztern
werden bis jetzt durch die Leihbibliotheken erſetzt. Der naturgemäße
Weg iſt der, daß ſich allmählig das Bildungsvereinsweſen der Biblio-
thekfrage bemächtigt, und daß Vereine für öffentliche Bibliotheken der
allgemeinen Bildung entſtehen, wie es Vereine und Stiftungen für
einzelne Berufsbildungen mit Bibliotheken gibt. Das öffentliche Recht
der Bibliotheken beſteht naturgemäß aus den Reglements für ihre Er-
haltung, Erweiterung und Benützung. Es iſt natürlich, daß jede Biblio-
thek ihre ſpecielle Ordnung hat; eben ſo natürlich iſt es, daß dieſe im
Weſentlichen übereinſtimmen. Die öffentlichen Bibliotheken ſtehen ſtets
unter dem Miniſterium der geiſtigen Angelegenheiten; die Leihbiblio-
theken dagegen unter der Polizei. Die Frage nach dem Eigenthums-
recht
an den öffentlichen Bibliotheken gehört der Lehre von Staatsgut;
für die Verwaltungslehre iſt ſie nur ſo weit von Bedeutung, als das
Eigenthumsrecht des Staats im Grunde die Anerkennung der Biblio-
theken als Mittel der Verwaltung enthält.


Das intereſſanteſte Syſtem der Bibliotheken und ihres Rechts iſt
ohne Zweifel das franzöſiſche. Bis zur Revolution beſtanden, wie gegen-
wärtig faſt ausſchließlich in Deutſchland, die beiden Bibliothekſyſteme
der ſtändiſchen (die Berufsbibliotheken, Univerſitätsbibliotheken und
Kloſterbibliotheken) und der polizeilichen Epoche (die königlichen Biblio-
theken). Die Revolution erklärte ſie einfach und ohne weitere Unter-
ſcheidung für Staatsgut und ſtellte ſie in ihrer Geſammtheit — zuerſt
in Europa — unter die Verwaltung (Dekret vom 14. November 1789).
Dieſer Verwaltung wurden dann auch alle Archive des Reichs unter-
geordnet, und zwar auf der Grundlage, daß namentlich die Kataloge
der Handſchriften und Aktenſtücke von allen Provinzen eingeſendet und
ſomit ein Generalkatalog der beſtehenden Bibliotheken verfaßt werden
ſollte (Dekret vom 20—29. März 1790 und folgende). Durch Geſetz
vom 7. Mess. an II. wurden dann die Bibliotheken und die Archive ge-
ſchieden und die Vertheilung derſelben angeordnet. Durch Dekret vom
20. Februar 1809 wurden alle Manuſcripte in allen Bibliotheken als
Staatseigenthum erklärt, und gleichfalls alle Archive aller Ver-
waltungskörper; der Grundſatz, daß von jetzt an die Veröffentlichungen
nur unter Zuſtimmung des Miniſteriums des Innern erfolgen können,
war davon die nothwendige Folge, eben ſo die ſyſtematiſch in ganz

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[37/0053] Berufsbibliotheken der wiſſenſchaftlichen Körperſchaften; das zweite Sta- dium liegt in der Errichtung landesherrlicher Bibliotheken mit öffent- licher Benützung; das dritte, noch kaum begonnene, wird ſich erſt aus der Errichtung örtlicher öffentlicher Bibliotheken ergeben. Die letztern werden bis jetzt durch die Leihbibliotheken erſetzt. Der naturgemäße Weg iſt der, daß ſich allmählig das Bildungsvereinsweſen der Biblio- thekfrage bemächtigt, und daß Vereine für öffentliche Bibliotheken der allgemeinen Bildung entſtehen, wie es Vereine und Stiftungen für einzelne Berufsbildungen mit Bibliotheken gibt. Das öffentliche Recht der Bibliotheken beſteht naturgemäß aus den Reglements für ihre Er- haltung, Erweiterung und Benützung. Es iſt natürlich, daß jede Biblio- thek ihre ſpecielle Ordnung hat; eben ſo natürlich iſt es, daß dieſe im Weſentlichen übereinſtimmen. Die öffentlichen Bibliotheken ſtehen ſtets unter dem Miniſterium der geiſtigen Angelegenheiten; die Leihbiblio- theken dagegen unter der Polizei. Die Frage nach dem Eigenthums- recht an den öffentlichen Bibliotheken gehört der Lehre von Staatsgut; für die Verwaltungslehre iſt ſie nur ſo weit von Bedeutung, als das Eigenthumsrecht des Staats im Grunde die Anerkennung der Biblio- theken als Mittel der Verwaltung enthält. Das intereſſanteſte Syſtem der Bibliotheken und ihres Rechts iſt ohne Zweifel das franzöſiſche. Bis zur Revolution beſtanden, wie gegen- wärtig faſt ausſchließlich in Deutſchland, die beiden Bibliothekſyſteme der ſtändiſchen (die Berufsbibliotheken, Univerſitätsbibliotheken und Kloſterbibliotheken) und der polizeilichen Epoche (die königlichen Biblio- theken). Die Revolution erklärte ſie einfach und ohne weitere Unter- ſcheidung für Staatsgut und ſtellte ſie in ihrer Geſammtheit — zuerſt in Europa — unter die Verwaltung (Dekret vom 14. November 1789). Dieſer Verwaltung wurden dann auch alle Archive des Reichs unter- geordnet, und zwar auf der Grundlage, daß namentlich die Kataloge der Handſchriften und Aktenſtücke von allen Provinzen eingeſendet und ſomit ein Generalkatalog der beſtehenden Bibliotheken verfaßt werden ſollte (Dekret vom 20—29. März 1790 und folgende). Durch Geſetz vom 7. Mess. an II. wurden dann die Bibliotheken und die Archive ge- ſchieden und die Vertheilung derſelben angeordnet. Durch Dekret vom 20. Februar 1809 wurden alle Manuſcripte in allen Bibliotheken als Staatseigenthum erklärt, und gleichfalls alle Archive aller Ver- waltungskörper; der Grundſatz, daß von jetzt an die Veröffentlichungen nur unter Zuſtimmung des Miniſteriums des Innern erfolgen können, war davon die nothwendige Folge, eben ſo die ſyſtematiſch in ganz

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/53>, abgerufen am 09.11.2024.