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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868.

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Presse, erscheint da, wo der Gedanke als ein fertiger in das geistige
Leben des Andern hineintritt. Fertigsein des Gedankens heißt, den
Grund seiner Geltung für Andere nicht mehr in einer geistigen Thätig-
keit des Andern suchen, sondern sich ihnen als objektive Erscheinung,
als eine auf der Selbstbestimmung des Denkenden ruhende Thatsache
hinstellen. Dieses Fertigsein ist zunächst ein inneres; indem aber der
Gedanke in dem Körper des Wortes erscheint, tritt er eben als geistige
That auf; und hier ist es daher, wo auch sein Recht beginnt, weil er als
That die geistige Lebenssphäre des Andern wirklich bestimmt oder doch
zu bestimmen sucht.

Eine geistige Arbeit dagegen ist diejenige, welche ihr Ergebniß zu-
gleich mit den Gründen, aus denen es entstanden ist, aufstellt. Indem
sie das thut, macht sie ihre Geltung von der geistigen Thätigkeit des
Andern abhängig. Sie erzeugt daher selbst keine äußere Be-
rührung der geistigen Lebenssphäre Anderer, sondern eine innere Arbeit
derselben. Ihre Absicht ist, durch die Gleichheit dieser inneren Arbeit
das gleiche Ergebniß auch für Andere zu erzielen. Geschieht das nicht,
so bleibt sie seinem geistigen Leben fremd. Geschieht das aber, so wird
sie eben dadurch selbst zu einer inneren That des Andern. Die aber,
der freien Selbstbestimmung angehörend, hat kein Recht, sondern ge-
hört dem auf sich selbst ruhenden, seine Harmonie sich selbst setzenden
Leben des Geistes.

Jeder sich in Wort, Bild, Schrift oder Druck äußerlich verkörpernde
Gedanke hat nun die Fähigkeit, in dem obigen Sinne entweder als eine
That zu erscheinen oder als eine Arbeit. Das wird nicht können be-
stritten werden. Ist dem aber so, so ergibt sich, daß das Gesammt-
leben sich zu jedem geäußerten Gedanken je nach dem einen oder dem
andern Charakter dieser Aeußerung in ein zweifaches Verhältniß tritt;
und dieß Verhältniß ist es, welches wir, aus dem Wesen des Gedankens
selbst entspringend, als die beiden großen leitenden Principien für
alle Formen des äußerlich erscheinenden geistigen Lebens anerkennen.
Die geistige That nämlich fordert wie jede That, ihr Recht und ihr
Rechtssystem; die geistige Arbeit dagegen, dem innern Gebiete der
Selbstbestimmung gehörig, fordert die Freiheit, die selbst nichts anderes
ist, als die Entfernung jeder äußern Macht von dem sich selbst voll-
ziehenden Processe der Selbstbestimmung. Diese beiden Principien gelten
für jede Form der Aeußerung des Gedankens; also auch für die des
Drucks. Und es ergibt sich somit, daß es überhaupt ein Recht der Presse
nur so weit gibt, als die Presse eine geistige That enthält, während für
die geistige Arbeit der Presse der Grundsatz der Freiheit maßgebend ist.

Diese an sich sehr einfache Unterscheidung wird nun allerdings für

Preſſe, erſcheint da, wo der Gedanke als ein fertiger in das geiſtige
Leben des Andern hineintritt. Fertigſein des Gedankens heißt, den
Grund ſeiner Geltung für Andere nicht mehr in einer geiſtigen Thätig-
keit des Andern ſuchen, ſondern ſich ihnen als objektive Erſcheinung,
als eine auf der Selbſtbeſtimmung des Denkenden ruhende Thatſache
hinſtellen. Dieſes Fertigſein iſt zunächſt ein inneres; indem aber der
Gedanke in dem Körper des Wortes erſcheint, tritt er eben als geiſtige
That auf; und hier iſt es daher, wo auch ſein Recht beginnt, weil er als
That die geiſtige Lebensſphäre des Andern wirklich beſtimmt oder doch
zu beſtimmen ſucht.

Eine geiſtige Arbeit dagegen iſt diejenige, welche ihr Ergebniß zu-
gleich mit den Gründen, aus denen es entſtanden iſt, aufſtellt. Indem
ſie das thut, macht ſie ihre Geltung von der geiſtigen Thätigkeit des
Andern abhängig. Sie erzeugt daher ſelbſt keine äußere Be-
rührung der geiſtigen Lebensſphäre Anderer, ſondern eine innere Arbeit
derſelben. Ihre Abſicht iſt, durch die Gleichheit dieſer inneren Arbeit
das gleiche Ergebniß auch für Andere zu erzielen. Geſchieht das nicht,
ſo bleibt ſie ſeinem geiſtigen Leben fremd. Geſchieht das aber, ſo wird
ſie eben dadurch ſelbſt zu einer inneren That des Andern. Die aber,
der freien Selbſtbeſtimmung angehörend, hat kein Recht, ſondern ge-
hört dem auf ſich ſelbſt ruhenden, ſeine Harmonie ſich ſelbſt ſetzenden
Leben des Geiſtes.

Jeder ſich in Wort, Bild, Schrift oder Druck äußerlich verkörpernde
Gedanke hat nun die Fähigkeit, in dem obigen Sinne entweder als eine
That zu erſcheinen oder als eine Arbeit. Das wird nicht können be-
ſtritten werden. Iſt dem aber ſo, ſo ergibt ſich, daß das Geſammt-
leben ſich zu jedem geäußerten Gedanken je nach dem einen oder dem
andern Charakter dieſer Aeußerung in ein zweifaches Verhältniß tritt;
und dieß Verhältniß iſt es, welches wir, aus dem Weſen des Gedankens
ſelbſt entſpringend, als die beiden großen leitenden Principien für
alle Formen des äußerlich erſcheinenden geiſtigen Lebens anerkennen.
Die geiſtige That nämlich fordert wie jede That, ihr Recht und ihr
Rechtsſyſtem; die geiſtige Arbeit dagegen, dem innern Gebiete der
Selbſtbeſtimmung gehörig, fordert die Freiheit, die ſelbſt nichts anderes
iſt, als die Entfernung jeder äußern Macht von dem ſich ſelbſt voll-
ziehenden Proceſſe der Selbſtbeſtimmung. Dieſe beiden Principien gelten
für jede Form der Aeußerung des Gedankens; alſo auch für die des
Drucks. Und es ergibt ſich ſomit, daß es überhaupt ein Recht der Preſſe
nur ſo weit gibt, als die Preſſe eine geiſtige That enthält, während für
die geiſtige Arbeit der Preſſe der Grundſatz der Freiheit maßgebend iſt.

Dieſe an ſich ſehr einfache Unterſcheidung wird nun allerdings für

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[60/0076] Preſſe, erſcheint da, wo der Gedanke als ein fertiger in das geiſtige Leben des Andern hineintritt. Fertigſein des Gedankens heißt, den Grund ſeiner Geltung für Andere nicht mehr in einer geiſtigen Thätig- keit des Andern ſuchen, ſondern ſich ihnen als objektive Erſcheinung, als eine auf der Selbſtbeſtimmung des Denkenden ruhende Thatſache hinſtellen. Dieſes Fertigſein iſt zunächſt ein inneres; indem aber der Gedanke in dem Körper des Wortes erſcheint, tritt er eben als geiſtige That auf; und hier iſt es daher, wo auch ſein Recht beginnt, weil er als That die geiſtige Lebensſphäre des Andern wirklich beſtimmt oder doch zu beſtimmen ſucht. Eine geiſtige Arbeit dagegen iſt diejenige, welche ihr Ergebniß zu- gleich mit den Gründen, aus denen es entſtanden iſt, aufſtellt. Indem ſie das thut, macht ſie ihre Geltung von der geiſtigen Thätigkeit des Andern abhängig. Sie erzeugt daher ſelbſt keine äußere Be- rührung der geiſtigen Lebensſphäre Anderer, ſondern eine innere Arbeit derſelben. Ihre Abſicht iſt, durch die Gleichheit dieſer inneren Arbeit das gleiche Ergebniß auch für Andere zu erzielen. Geſchieht das nicht, ſo bleibt ſie ſeinem geiſtigen Leben fremd. Geſchieht das aber, ſo wird ſie eben dadurch ſelbſt zu einer inneren That des Andern. Die aber, der freien Selbſtbeſtimmung angehörend, hat kein Recht, ſondern ge- hört dem auf ſich ſelbſt ruhenden, ſeine Harmonie ſich ſelbſt ſetzenden Leben des Geiſtes. Jeder ſich in Wort, Bild, Schrift oder Druck äußerlich verkörpernde Gedanke hat nun die Fähigkeit, in dem obigen Sinne entweder als eine That zu erſcheinen oder als eine Arbeit. Das wird nicht können be- ſtritten werden. Iſt dem aber ſo, ſo ergibt ſich, daß das Geſammt- leben ſich zu jedem geäußerten Gedanken je nach dem einen oder dem andern Charakter dieſer Aeußerung in ein zweifaches Verhältniß tritt; und dieß Verhältniß iſt es, welches wir, aus dem Weſen des Gedankens ſelbſt entſpringend, als die beiden großen leitenden Principien für alle Formen des äußerlich erſcheinenden geiſtigen Lebens anerkennen. Die geiſtige That nämlich fordert wie jede That, ihr Recht und ihr Rechtsſyſtem; die geiſtige Arbeit dagegen, dem innern Gebiete der Selbſtbeſtimmung gehörig, fordert die Freiheit, die ſelbſt nichts anderes iſt, als die Entfernung jeder äußern Macht von dem ſich ſelbſt voll- ziehenden Proceſſe der Selbſtbeſtimmung. Dieſe beiden Principien gelten für jede Form der Aeußerung des Gedankens; alſo auch für die des Drucks. Und es ergibt ſich ſomit, daß es überhaupt ein Recht der Preſſe nur ſo weit gibt, als die Preſſe eine geiſtige That enthält, während für die geiſtige Arbeit der Preſſe der Grundſatz der Freiheit maßgebend iſt. Dieſe an ſich ſehr einfache Unterſcheidung wird nun allerdings für

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 6. Stuttgart, 1868, S. 60. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre06_1868/76>, abgerufen am 25.11.2024.