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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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ausmacht -- da fühlten sie, daß diese tenure ihnen doch im Grunde,
trotz des Beibehaltens der Ausdrücke von "tenant" und villenagium
die Gewalt über den Hintersassen nahmen. Sie begannen daher viel-
fach, diejenigen Hufen, die noch nicht in copyhold übergegangen waren,
deren Leistungen also noch nicht durch custom vollkommen bestimmt er-
schienen, entweder gegen eigene Verträge, oder wenigstens gegen das
Recht zu überlassen, daß sie zwar nicht die Lasten der Hufe vermehren
können gegen die custom, wohl aber nicht gezwungen sein sollen, den
Besitzer dauernd zu belassen, oder als Erbpächter sitzen zu lassen; son-
dern daß es vielmehr von ihrem "Willen" abhangen solle, ob der Pächter
bleibt oder nicht. So war der Besitzer einer solchen Hufe nur durch
den "Willen" des Lord Besitzer; er war in der That ein "tenant at
the will of the Lord;"
er war ein Pächter im neuern Sinn, das was
wir den "farmer" nennen. Damit dann entstand eine ganz neue Classe.
Sie war nicht eine Klasse von Eigenthümern, wie die free-
holders
und copyholders, sondern von Pächtern. Ihre Verpflich-
tungen wurden vertragsmäßig festgestellt; der Vertrag selbst hieß "lease,"
und so entstehen die "leaseholders," vertragsmäßige Pächter auf der
dem Grundherrn gehörigen Hufe, der "estate." Die leaseholders
sind nun wieder je nach dem Rechtsakte, durch den sie die Pacht gewinnen,
"tenants" -- und hier sollte man sagen farmers "for years" -- ge-
wöhnliche Pächter, mit Pachtvertrag, der wieder eine Menge von For-
men haben kann; oder sie sind tenants (farmers) "by will," frei künd-
bare, jeden Augenblick entlaßbare Pächter -- "so that either of them
may determine his will, and quit his connexions with the others
at his own pleasure"
(Blackstone I. 9) oder sie sind "tenants by sut-
france"
wo über die Bedingungen gar nichts ausgemacht wird, und
ohne Vertrag das Pachtverhältniß durch stillschweigende Verlängerung
fortbesteht. Es ist kein Zweifel, daß wir in diesen tenants nicht mehr
eine gesellschaftliche, sondern eine wirthschaftliche Klasse vor
uns haben, wieder also von einer Anwendung des Begriffs der Ent-
währung keine Rede sein kann. Allein in der Wirklichkeit war jene
Gränze sehr schwer zu ziehen zwischen der neuen Klasse der farmers und
der alten, der copyholders. Denn formell waren ja auch die copy-
holders
ursprünglich tenants at the will of the lord, nur daß die
Bedingungen, unter denen sie das Eigenthum erworben, oder eben dieser
will of the Lord, nicht mehr als Vertrag erschien, sondern als eine
Reallast. Andrerseits saßen viele von den Hintersassen des manor
vielleicht schon von ältester Zeit so auf dem Gute, daß es zu keiner
gewohnheitsrechtlichen Fixirung der servitia gekommen war, und daß
daher weder eine feste court roll, noch mithin eine copy davon existirte.

ausmacht — da fühlten ſie, daß dieſe tenure ihnen doch im Grunde,
trotz des Beibehaltens der Ausdrücke von „tenant“ und villenagium
die Gewalt über den Hinterſaſſen nahmen. Sie begannen daher viel-
fach, diejenigen Hufen, die noch nicht in copyhold übergegangen waren,
deren Leiſtungen alſo noch nicht durch custom vollkommen beſtimmt er-
ſchienen, entweder gegen eigene Verträge, oder wenigſtens gegen das
Recht zu überlaſſen, daß ſie zwar nicht die Laſten der Hufe vermehren
können gegen die custom, wohl aber nicht gezwungen ſein ſollen, den
Beſitzer dauernd zu belaſſen, oder als Erbpächter ſitzen zu laſſen; ſon-
dern daß es vielmehr von ihrem „Willen“ abhangen ſolle, ob der Pächter
bleibt oder nicht. So war der Beſitzer einer ſolchen Hufe nur durch
den „Willen“ des Lord Beſitzer; er war in der That ein „tenant at
the will of the Lord;“
er war ein Pächter im neuern Sinn, das was
wir den „farmer“ nennen. Damit dann entſtand eine ganz neue Claſſe.
Sie war nicht eine Klaſſe von Eigenthümern, wie die free-
holders
und copyholders, ſondern von Pächtern. Ihre Verpflich-
tungen wurden vertragsmäßig feſtgeſtellt; der Vertrag ſelbſt hieß „lease,“
und ſo entſtehen die „leaseholders,“ vertragsmäßige Pächter auf der
dem Grundherrn gehörigen Hufe, der „estate.“ Die leaseholders
ſind nun wieder je nach dem Rechtsakte, durch den ſie die Pacht gewinnen,
„tenants“ — und hier ſollte man ſagen farmers „for years“ — ge-
wöhnliche Pächter, mit Pachtvertrag, der wieder eine Menge von For-
men haben kann; oder ſie ſind tenants (farmers) „by will,“ frei künd-
bare, jeden Augenblick entlaßbare Pächter — „so that either of them
may determine his will, and quit his connexions with the others
at his own pleasure“
(Blackſtone I. 9) oder ſie ſind „tenants by sut-
france“
wo über die Bedingungen gar nichts ausgemacht wird, und
ohne Vertrag das Pachtverhältniß durch ſtillſchweigende Verlängerung
fortbeſteht. Es iſt kein Zweifel, daß wir in dieſen tenants nicht mehr
eine geſellſchaftliche, ſondern eine wirthſchaftliche Klaſſe vor
uns haben, wieder alſo von einer Anwendung des Begriffs der Ent-
währung keine Rede ſein kann. Allein in der Wirklichkeit war jene
Gränze ſehr ſchwer zu ziehen zwiſchen der neuen Klaſſe der farmers und
der alten, der copyholders. Denn formell waren ja auch die copy-
holders
urſprünglich tenants at the will of the lord, nur daß die
Bedingungen, unter denen ſie das Eigenthum erworben, oder eben dieſer
will of the Lord, nicht mehr als Vertrag erſchien, ſondern als eine
Reallaſt. Andrerſeits ſaßen viele von den Hinterſaſſen des manor
vielleicht ſchon von älteſter Zeit ſo auf dem Gute, daß es zu keiner
gewohnheitsrechtlichen Fixirung der servitia gekommen war, und daß
daher weder eine feſte court roll, noch mithin eine copy davon exiſtirte.

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[128/0146] ausmacht — da fühlten ſie, daß dieſe tenure ihnen doch im Grunde, trotz des Beibehaltens der Ausdrücke von „tenant“ und villenagium die Gewalt über den Hinterſaſſen nahmen. Sie begannen daher viel- fach, diejenigen Hufen, die noch nicht in copyhold übergegangen waren, deren Leiſtungen alſo noch nicht durch custom vollkommen beſtimmt er- ſchienen, entweder gegen eigene Verträge, oder wenigſtens gegen das Recht zu überlaſſen, daß ſie zwar nicht die Laſten der Hufe vermehren können gegen die custom, wohl aber nicht gezwungen ſein ſollen, den Beſitzer dauernd zu belaſſen, oder als Erbpächter ſitzen zu laſſen; ſon- dern daß es vielmehr von ihrem „Willen“ abhangen ſolle, ob der Pächter bleibt oder nicht. So war der Beſitzer einer ſolchen Hufe nur durch den „Willen“ des Lord Beſitzer; er war in der That ein „tenant at the will of the Lord;“ er war ein Pächter im neuern Sinn, das was wir den „farmer“ nennen. Damit dann entſtand eine ganz neue Claſſe. Sie war nicht eine Klaſſe von Eigenthümern, wie die free- holders und copyholders, ſondern von Pächtern. Ihre Verpflich- tungen wurden vertragsmäßig feſtgeſtellt; der Vertrag ſelbſt hieß „lease,“ und ſo entſtehen die „leaseholders,“ vertragsmäßige Pächter auf der dem Grundherrn gehörigen Hufe, der „estate.“ Die leaseholders ſind nun wieder je nach dem Rechtsakte, durch den ſie die Pacht gewinnen, „tenants“ — und hier ſollte man ſagen farmers „for years“ — ge- wöhnliche Pächter, mit Pachtvertrag, der wieder eine Menge von For- men haben kann; oder ſie ſind tenants (farmers) „by will,“ frei künd- bare, jeden Augenblick entlaßbare Pächter — „so that either of them may determine his will, and quit his connexions with the others at his own pleasure“ (Blackſtone I. 9) oder ſie ſind „tenants by sut- france“ wo über die Bedingungen gar nichts ausgemacht wird, und ohne Vertrag das Pachtverhältniß durch ſtillſchweigende Verlängerung fortbeſteht. Es iſt kein Zweifel, daß wir in dieſen tenants nicht mehr eine geſellſchaftliche, ſondern eine wirthſchaftliche Klaſſe vor uns haben, wieder alſo von einer Anwendung des Begriffs der Ent- währung keine Rede ſein kann. Allein in der Wirklichkeit war jene Gränze ſehr ſchwer zu ziehen zwiſchen der neuen Klaſſe der farmers und der alten, der copyholders. Denn formell waren ja auch die copy- holders urſprünglich tenants at the will of the lord, nur daß die Bedingungen, unter denen ſie das Eigenthum erworben, oder eben dieſer will of the Lord, nicht mehr als Vertrag erſchien, ſondern als eine Reallaſt. Andrerſeits ſaßen viele von den Hinterſaſſen des manor vielleicht ſchon von älteſter Zeit ſo auf dem Gute, daß es zu keiner gewohnheitsrechtlichen Fixirung der servitia gekommen war, und daß daher weder eine feſte court roll, noch mithin eine copy davon exiſtirte.

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/146>, abgerufen am 24.11.2024.