habe, die alten Lehnsleistungen, aber freilich wohl nur die der tenentes und subtenentes,nicht die der copyhold, gegen eine Geldleistung abzulösen, und das Stat. 22. Ch. II. 24 war im Grunde nichts anderes, als eine solche Geldablösung, da dasselbe als Ablösungspreis eine dauernde Getränkesteuer an den König ausbedang (BlackstoneII. V). Das Ende des vorigen Jahrhunderts zeigt nun in England denselben Proceß, der stets der gesetzlichen Ablösung vorangeht, den Versuch, dieselbe durch gegenseitige freie Vereinbarung zu Stande zu bringen. In der That hatte der Zehnte schon im 18. Jahrhundert seine alte Gestalt als Naturalzehnte verloren, und war zu einer Geldleistung in den meisten Theilen von England geworden. Dennoch bestand er zum Theil fort, zum Theil wurde die Leistung jährlich neu vereinbart, und die Folgen davon ließen es als unmöglich erscheinen, diesen Zustand fortdauern zu lassen (Thaer, englische Landwirthschaft III. 83 ff.) Ja es traten zum Theil direkte und gewaltsame Verweigerungen des Zehnten ein, und daran schloßen sich gerne diejenigen copyholders an, die auch jetzt noch statt einer mäßigen Geldrente an den Grundherrn wirkliche, wenn auch streng gemessene Frohnden leisten mußten (Thaer, englische Land- wirthschaft II. 2. 49. III. 139). Die Bewegungen des Landmannes fielen zusammen mit denen der Städter, und die Volksvertretung mußte sich nach heftigem Widerstand bequemen, die ganze Ablösungsfrage definitiv in die Hand zu nehmen. Schon 1816 war die Forderung, namentlich in Beziehung auf die Umwandlung der Zehnten ernsthaft aufgetreten; 1822 fanden heftige Debatten im Parlamente statt, und 1824 ward die freiwillige Ablösbarkeit des Zehnten beschlossen (Pauli, Geschichte Englands, Bd. I.; leider nicht mit gehöriger Sachkenntniß und Ausführlichkeit bearbeitet). Bei den scharf entgegenstehenden Interessen hat dieses Gesetz nicht viel Erfolg gehabt. Der Kampf der niedern Klasse gegen die höhere, der Arbeit gegen das Capital, hatte allent- halben die Gemüther zu tief erregt, und so geschah hier, was allent- halben geschehen ist, daß nämlich die Bewegung des Volkes nach einer Reform des Parlaments, oder nach einer neuen Gestalt der Verfassung, sich von den Städten auf das Land verpflanzte, und nunmehr eben durch die Verbindung des Bauernstandes mit dem Städter unwidersteh- lich ward. Das feste Capital associirte sich auch in England mit dem beweglichen, der Grundbesitz mit dem Gewerbe, um durch eine neue Vertretung eine neue Ordnung der Lasten des Grundbesitzes zu erzielen. Der Sturm, der 1830 in Paris losbrach, ergriff auch England. Die Reform trat ein und mit ihr ward wie immer die Erhebung der Ablösung aus einem bloß facultativen Recht zu einer gesetzlichen Pflicht. Das geschah durch das erste eigentliche Ablösungsgesetz für die Zehnten
habe, die alten Lehnsleiſtungen, aber freilich wohl nur die der tenentes und subtenentes,nicht die der copyhold, gegen eine Geldleiſtung abzulöſen, und das Stat. 22. Ch. II. 24 war im Grunde nichts anderes, als eine ſolche Geldablöſung, da daſſelbe als Ablöſungspreis eine dauernde Getränkeſteuer an den König ausbedang (BlackſtoneII. V). Das Ende des vorigen Jahrhunderts zeigt nun in England denſelben Proceß, der ſtets der geſetzlichen Ablöſung vorangeht, den Verſuch, dieſelbe durch gegenſeitige freie Vereinbarung zu Stande zu bringen. In der That hatte der Zehnte ſchon im 18. Jahrhundert ſeine alte Geſtalt als Naturalzehnte verloren, und war zu einer Geldleiſtung in den meiſten Theilen von England geworden. Dennoch beſtand er zum Theil fort, zum Theil wurde die Leiſtung jährlich neu vereinbart, und die Folgen davon ließen es als unmöglich erſcheinen, dieſen Zuſtand fortdauern zu laſſen (Thaer, engliſche Landwirthſchaft III. 83 ff.) Ja es traten zum Theil direkte und gewaltſame Verweigerungen des Zehnten ein, und daran ſchloßen ſich gerne diejenigen copyholders an, die auch jetzt noch ſtatt einer mäßigen Geldrente an den Grundherrn wirkliche, wenn auch ſtreng gemeſſene Frohnden leiſten mußten (Thaer, engliſche Land- wirthſchaft II. 2. 49. III. 139). Die Bewegungen des Landmannes fielen zuſammen mit denen der Städter, und die Volksvertretung mußte ſich nach heftigem Widerſtand bequemen, die ganze Ablöſungsfrage definitiv in die Hand zu nehmen. Schon 1816 war die Forderung, namentlich in Beziehung auf die Umwandlung der Zehnten ernſthaft aufgetreten; 1822 fanden heftige Debatten im Parlamente ſtatt, und 1824 ward die freiwillige Ablösbarkeit des Zehnten beſchloſſen (Pauli, Geſchichte Englands, Bd. I.; leider nicht mit gehöriger Sachkenntniß und Ausführlichkeit bearbeitet). Bei den ſcharf entgegenſtehenden Intereſſen hat dieſes Geſetz nicht viel Erfolg gehabt. Der Kampf der niedern Klaſſe gegen die höhere, der Arbeit gegen das Capital, hatte allent- halben die Gemüther zu tief erregt, und ſo geſchah hier, was allent- halben geſchehen iſt, daß nämlich die Bewegung des Volkes nach einer Reform des Parlaments, oder nach einer neuen Geſtalt der Verfaſſung, ſich von den Städten auf das Land verpflanzte, und nunmehr eben durch die Verbindung des Bauernſtandes mit dem Städter unwiderſteh- lich ward. Das feſte Capital aſſociirte ſich auch in England mit dem beweglichen, der Grundbeſitz mit dem Gewerbe, um durch eine neue Vertretung eine neue Ordnung der Laſten des Grundbeſitzes zu erzielen. Der Sturm, der 1830 in Paris losbrach, ergriff auch England. Die Reform trat ein und mit ihr ward wie immer die Erhebung der Ablöſung aus einem bloß facultativen Recht zu einer geſetzlichen Pflicht. Das geſchah durch das erſte eigentliche Ablöſungsgeſetz für die Zehnten
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habe, die alten Lehnsleiſtungen, aber freilich wohl nur die der tenentes
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abzulöſen, und das Stat. 22. Ch. II. 24 war im Grunde nichts anderes,
als eine ſolche Geldablöſung, da daſſelbe als Ablöſungspreis eine
dauernde Getränkeſteuer an den König ausbedang (Blackſtone II. V).
Das Ende des vorigen Jahrhunderts zeigt nun in England denſelben
Proceß, der ſtets der geſetzlichen Ablöſung vorangeht, den Verſuch, dieſelbe
durch gegenſeitige freie Vereinbarung zu Stande zu bringen. In der
That hatte der Zehnte ſchon im 18. Jahrhundert ſeine alte Geſtalt als
Naturalzehnte verloren, und war zu einer Geldleiſtung in den meiſten
Theilen von England geworden. Dennoch beſtand er zum Theil fort,
zum Theil wurde die Leiſtung jährlich neu vereinbart, und die Folgen
davon ließen es als unmöglich erſcheinen, dieſen Zuſtand fortdauern zu
laſſen (Thaer, engliſche Landwirthſchaft III. 83 ff.) Ja es traten
zum Theil direkte und gewaltſame Verweigerungen des Zehnten ein,
und daran ſchloßen ſich gerne diejenigen copyholders an, die auch jetzt
noch ſtatt einer mäßigen Geldrente an den Grundherrn wirkliche, wenn
auch ſtreng gemeſſene Frohnden leiſten mußten (Thaer, engliſche Land-
wirthſchaft II. 2. 49. III. 139). Die Bewegungen des Landmannes
fielen zuſammen mit denen der Städter, und die Volksvertretung mußte
ſich nach heftigem Widerſtand bequemen, die ganze Ablöſungsfrage
definitiv in die Hand zu nehmen. Schon 1816 war die Forderung,
namentlich in Beziehung auf die Umwandlung der Zehnten ernſthaft
aufgetreten; 1822 fanden heftige Debatten im Parlamente ſtatt, und
1824 ward die freiwillige Ablösbarkeit des Zehnten beſchloſſen (Pauli,
Geſchichte Englands, Bd. I.; leider nicht mit gehöriger Sachkenntniß und
Ausführlichkeit bearbeitet). Bei den ſcharf entgegenſtehenden Intereſſen
hat dieſes Geſetz nicht viel Erfolg gehabt. Der Kampf der niedern
Klaſſe gegen die höhere, der Arbeit gegen das Capital, hatte allent-
halben die Gemüther zu tief erregt, und ſo geſchah hier, was allent-
halben geſchehen iſt, daß nämlich die Bewegung des Volkes nach einer
Reform des Parlaments, oder nach einer neuen Geſtalt der Verfaſſung,
ſich von den Städten auf das Land verpflanzte, und nunmehr eben
durch die Verbindung des Bauernſtandes mit dem Städter unwiderſteh-
lich ward. Das feſte Capital aſſociirte ſich auch in England mit dem
beweglichen, der Grundbeſitz mit dem Gewerbe, um durch eine neue
Vertretung eine neue Ordnung der Laſten des Grundbeſitzes zu erzielen.
Der Sturm, der 1830 in Paris losbrach, ergriff auch England. Die
Reform trat ein und mit ihr ward wie immer die Erhebung der Ablöſung
aus einem bloß facultativen Recht zu einer geſetzlichen Pflicht. Das
geſchah durch das erſte eigentliche Ablöſungsgeſetz für die Zehnten
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/154>, abgerufen am 22.11.2024.
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