weil er die Bedeutung eines zweiten Moments in der deutschen Grund- entlastung in ihr rechtes Licht stellt. Nach dem Beschluß vom 4. August 1789 sollte ein großer Theil der Grundlasten abgelöst werden. Die erste Bedingung daher wäre nun die Organisirung entweder eines Ab- lösungscapitals, oder eines Ablösungscredits gewesen; denn es war physisch unmöglich, damals wie jetzt, das Ablösungscapital wirklich so- fort von dem Einzelnen herbeizuschaffen. Das aber hätte wieder vor allem eine starke und wohlgeordnete Verwaltung gefordert; und die war es, welche die Revolution eben gebrochen hatte. Allerdings setzte die Assemblee nationale eine solche und ihre regelmäßige Thätigkeit voraus, und das Decret vom 15. März 1790, dem eine ganze Reihe anderer folgten, welche wiederum die erste Gesetzgebung über die Durchführung der Grundentlastung enthalten, und deren Hauptmomente in dem Ge- setz vom 25. August 1792 und 17. Juli 1793 ausgeführt wurden; allein alle diese und viele andere einzelne Bestimmungen kamen nie zur Geltung (vergl. Lassalle, Theorie der erworbenen Rechte I. S. 232. 233), weil dem Principe des Staats die Organisation und die Vollziehung in einer selbständigen Verwaltung fehlten. Die Ver- nichtung der inneren Verwaltung aber entstand zum großen Theil da- raus, daß die Grundherren, bisher die Inhaber derselben, Frankreich verließen; die Emigration gab die Entschädigung daher in die Hände derer, welche ihre entschiedenen Gegner waren, und diese wußten nur zu gut, daß die Ablösungscapitalien nur den, im Lager Preußens und Oesterreichs mit den Waffen in der Hand gegen Frankreich marschiren- den Emigranten übergeben worden wären. Man braucht sich nicht zu fragen, ob das auch unter andern Umständen möglich gewesen wäre. Das Princip der Entschädigung war daher zwar an sich ausgesprochen, aber die Ausführung derselben ward durch die Emigration eine Unmög- lichkeit. Es war daher natürlich, daß man sie verbot; die Beschlüsse vom 25. August 1792 und vom 17. Juli 1793 über die gesetzlichen Entschädigungen und ihre Auszahlungen machten daher das Princip der Entschädigung faktisch unwirksam, und diese Aufhebung war in der That mehr eine Kriegserklärung gegen die Emigranten, als eine Auf- hebung des Eigenthums. Dadurch kam die zweite große Frage der Grundentlastung, die Organisirung des Entschädigungscapitals und der Entschädigungszahlung, in Frankreich gar nicht zur Frage; und jetzt erst trat die Entlastung als eine wirkliche Beraubung des Eigenthums der höheren Klassen durch die niedere, und damit als jene ernste Er- schütterung des Eigenthumsbegriffes auf, deren Folgen Frankreich und Europa bis auf den heutigen Tag empfinden, und noch lange empfinden werden. Es ist nutzlos, hier zu fragen, ob die niedere oder höhere
weil er die Bedeutung eines zweiten Moments in der deutſchen Grund- entlaſtung in ihr rechtes Licht ſtellt. Nach dem Beſchluß vom 4. Auguſt 1789 ſollte ein großer Theil der Grundlaſten abgelöst werden. Die erſte Bedingung daher wäre nun die Organiſirung entweder eines Ab- löſungscapitals, oder eines Ablöſungscredits geweſen; denn es war phyſiſch unmöglich, damals wie jetzt, das Ablöſungscapital wirklich ſo- fort von dem Einzelnen herbeizuſchaffen. Das aber hätte wieder vor allem eine ſtarke und wohlgeordnete Verwaltung gefordert; und die war es, welche die Revolution eben gebrochen hatte. Allerdings ſetzte die Assemblée nationale eine ſolche und ihre regelmäßige Thätigkeit voraus, und das Decret vom 15. März 1790, dem eine ganze Reihe anderer folgten, welche wiederum die erſte Geſetzgebung über die Durchführung der Grundentlaſtung enthalten, und deren Hauptmomente in dem Ge- ſetz vom 25. Auguſt 1792 und 17. Juli 1793 ausgeführt wurden; allein alle dieſe und viele andere einzelne Beſtimmungen kamen nie zur Geltung (vergl. Laſſalle, Theorie der erworbenen Rechte I. S. 232. 233), weil dem Principe des Staats die Organiſation und die Vollziehung in einer ſelbſtändigen Verwaltung fehlten. Die Ver- nichtung der inneren Verwaltung aber entſtand zum großen Theil da- raus, daß die Grundherren, bisher die Inhaber derſelben, Frankreich verließen; die Emigration gab die Entſchädigung daher in die Hände derer, welche ihre entſchiedenen Gegner waren, und dieſe wußten nur zu gut, daß die Ablöſungscapitalien nur den, im Lager Preußens und Oeſterreichs mit den Waffen in der Hand gegen Frankreich marſchiren- den Emigranten übergeben worden wären. Man braucht ſich nicht zu fragen, ob das auch unter andern Umſtänden möglich geweſen wäre. Das Princip der Entſchädigung war daher zwar an ſich ausgeſprochen, aber die Ausführung derſelben ward durch die Emigration eine Unmög- lichkeit. Es war daher natürlich, daß man ſie verbot; die Beſchlüſſe vom 25. Auguſt 1792 und vom 17. Juli 1793 über die geſetzlichen Entſchädigungen und ihre Auszahlungen machten daher das Princip der Entſchädigung faktiſch unwirkſam, und dieſe Aufhebung war in der That mehr eine Kriegserklärung gegen die Emigranten, als eine Auf- hebung des Eigenthums. Dadurch kam die zweite große Frage der Grundentlaſtung, die Organiſirung des Entſchädigungscapitals und der Entſchädigungszahlung, in Frankreich gar nicht zur Frage; und jetzt erſt trat die Entlaſtung als eine wirkliche Beraubung des Eigenthums der höheren Klaſſen durch die niedere, und damit als jene ernſte Er- ſchütterung des Eigenthumsbegriffes auf, deren Folgen Frankreich und Europa bis auf den heutigen Tag empfinden, und noch lange empfinden werden. Es iſt nutzlos, hier zu fragen, ob die niedere oder höhere
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weil er die Bedeutung eines zweiten Moments in der deutſchen Grund-
entlaſtung in ihr rechtes Licht ſtellt. Nach dem Beſchluß vom 4. Auguſt
1789 ſollte ein großer Theil der Grundlaſten abgelöst werden. Die
erſte Bedingung daher wäre nun die Organiſirung entweder eines Ab-
löſungscapitals, oder eines Ablöſungscredits geweſen; denn es war
phyſiſch unmöglich, damals wie jetzt, das Ablöſungscapital wirklich ſo-
fort von dem Einzelnen herbeizuſchaffen. Das aber hätte wieder vor
allem eine ſtarke und wohlgeordnete Verwaltung gefordert; und die war
es, welche die Revolution eben gebrochen hatte. Allerdings ſetzte die
Assemblée nationale eine ſolche und ihre regelmäßige Thätigkeit voraus,
und das Decret vom 15. März 1790, dem eine ganze Reihe anderer
folgten, welche wiederum die erſte Geſetzgebung über die Durchführung
der Grundentlaſtung enthalten, und deren Hauptmomente in dem Ge-
ſetz vom 25. Auguſt 1792 und 17. Juli 1793 ausgeführt wurden;
allein alle dieſe und viele andere einzelne Beſtimmungen kamen nie
zur Geltung (vergl. Laſſalle, Theorie der erworbenen Rechte I.
S. 232. 233), weil dem Principe des Staats die Organiſation und
die Vollziehung in einer ſelbſtändigen Verwaltung fehlten. Die Ver-
nichtung der inneren Verwaltung aber entſtand zum großen Theil da-
raus, daß die Grundherren, bisher die Inhaber derſelben, Frankreich
verließen; die Emigration gab die Entſchädigung daher in die Hände
derer, welche ihre entſchiedenen Gegner waren, und dieſe wußten nur
zu gut, daß die Ablöſungscapitalien nur den, im Lager Preußens und
Oeſterreichs mit den Waffen in der Hand gegen Frankreich marſchiren-
den Emigranten übergeben worden wären. Man braucht ſich nicht zu
fragen, ob das auch unter andern Umſtänden möglich geweſen wäre.
Das Princip der Entſchädigung war daher zwar an ſich ausgeſprochen,
aber die Ausführung derſelben ward durch die Emigration eine Unmög-
lichkeit. Es war daher natürlich, daß man ſie verbot; die Beſchlüſſe
vom 25. Auguſt 1792 und vom 17. Juli 1793 über die geſetzlichen
Entſchädigungen und ihre Auszahlungen machten daher das Princip der
Entſchädigung faktiſch unwirkſam, und dieſe Aufhebung war in der
That mehr eine Kriegserklärung gegen die Emigranten, als eine Auf-
hebung des Eigenthums. Dadurch kam die zweite große Frage der
Grundentlaſtung, die Organiſirung des Entſchädigungscapitals und der
Entſchädigungszahlung, in Frankreich gar nicht zur Frage; und jetzt
erſt trat die Entlaſtung als eine wirkliche Beraubung des Eigenthums
der höheren Klaſſen durch die niedere, und damit als jene ernſte Er-
ſchütterung des Eigenthumsbegriffes auf, deren Folgen Frankreich und
Europa bis auf den heutigen Tag empfinden, und noch lange empfinden
werden. Es iſt nutzlos, hier zu fragen, ob die niedere oder höhere
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/167>, abgerufen am 27.11.2024.
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