Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.und wo der eigentliche Streit über das dominium eminens entstand. Eine Richtung nämlich stellte sich einfach auf den Standpunkt des und wo der eigentliche Streit über das dominium eminens entſtand. Eine Richtung nämlich ſtellte ſich einfach auf den Standpunkt des <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0193" n="175"/> und wo der eigentliche <hi rendition="#g">Streit</hi> über das <hi rendition="#aq">dominium eminens</hi> entſtand.<lb/> Dieſer Streit nun iſt es, den wir als die dritte Geſtalt oder Epoche<lb/> in der Lehre vom <hi rendition="#aq">dominium eminens</hi> bezeichnen können. Es iſt, wenn<lb/> man ihn im Ganzen überſieht, keinen Augenblick unklar, daß es ſich auch<lb/> dießmal eigentlich nicht um ein Eigenthumsverhältniß, ſondern vielmehr<lb/> um den großen politiſchen Gegenſatz zwiſchen der herrſchenden abſoluten<lb/> Monarchie und den freieren Ideen der Volksvertretung handelt, die<lb/> ſchon bei Hugo Grotius wie bei Moſers Landeshoheit dem Ganzen<lb/> zum Grunde liegen, und in welchem das <hi rendition="#aq">dominium eminens</hi> nur<lb/> Ausdruck und Rechtstitel für die unfreiere Auffaſſung iſt, während das<lb/> privatrechtliche Element ziemlich in den Hintergrund tritt. Man kann<lb/> deßhalb ſehr klar die zwei politiſchen Richtungen in dieſer juriſtiſchen Frage<lb/> unterſcheiden.</p><lb/> <p>Eine Richtung nämlich ſtellte ſich einfach auf den Standpunkt des<lb/> alten Martinus und erklärte, daß die <hi rendition="#aq">superioritas territorialis</hi> in ihrer<lb/> Anwendung auf den Grund und Boden überhaupt und auf die Lehns-<lb/> beſitzungen insbeſondere als <hi rendition="#aq">dominium eminens</hi> das wirkliche <hi rendition="#g">Eigen-<lb/> thum</hi> des Landesherrn ſei; ſo ſagt der Hauptvertreter dieſer Anſicht<lb/><hi rendition="#g">Biener</hi> <hi rendition="#aq">(De natura et indole dominii in Germania I. §. 10): „Omnia<lb/> territoria, sine quibus superioritas non intelligitur, in <hi rendition="#i">patrimo-<lb/> nium et proprietatem</hi> cesserunt cum omnibus juribus regalibus at-<lb/> que <hi rendition="#i">ipsis adeo subditis et vasallis</hi>.“</hi> (Vgl. <hi rendition="#aq">ib. lib. II. c.</hi> 1.) Eben ſo<lb/> ſagt <hi rendition="#g">Fiſcher</hi> (Lehrbuch des Cameral- und Polizeirechts <hi rendition="#aq">II.</hi> §. 451).<lb/> Vermöge der Verfaſſung des Mittelalters hat der Staat das Ober-<lb/> eigenthum über <hi rendition="#g">alle</hi> Grundſtücke, nach dem Sprüchwort „Sand und<lb/> Land gehört der Herrſchaft;“ doch ſcheidet er ganz beſtimmt davon<lb/> das „Staatseigenthum,“ unter dem er die alten <hi rendition="#aq">bona publica</hi> verſteht<lb/> (S. 388), was <hi rendition="#g">Poſſe</hi> (S. 8) falſch verſtanden hat. So mußte noch<lb/><hi rendition="#g">Schlözer</hi> in ſeinem Staatsanzeiger (Heft 63. S. 358) gegen einen<lb/> „Altmagyaren“ kämpfen, der die Baſis der deutſchen Staatsgewalt<lb/> dahin definirte, „daß in ſolchen Provinzen, in denen der Regent zugleich<lb/> Grundherr ſei, der Landesfürſt <hi rendition="#g">nach Belieben</hi> ſchalten und walten<lb/> könne“ — ſo ſei „der Kurfürſt von Hannover zugleich Grundherr und<lb/> Eigenthümer ſeines deutſchen Landes; daher hat in Hannover, eigent-<lb/> lich zu reden, niemand nur <hi rendition="#g">eine Handbreit Boden zu ſeinem<lb/> Eigenthum</hi>.“ — „Mit Oeſterreich verhält es ſich eben ſo wie mit Han-<lb/> nover; der Erzherzog iſt <hi rendition="#g">Eigenthümer des Landes</hi>. In Oeſterreich<lb/> iſt unſer Erbkönig daher zugleich Eigenthümer wie ein anderer Grund-<lb/> herr in ſeinen Gütern; in Ungarn iſt er dagegen nur <hi rendition="#g">Erbbeamter</hi>“<lb/> (vgl. <hi rendition="#g">Poſſe</hi> a. a. O. S. 5—7). Die Anwendung dieſes Princips<lb/> auf das öffentliche Recht, die Conſequenz der ausſchließlichen Herrſchaft<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [175/0193]
und wo der eigentliche Streit über das dominium eminens entſtand.
Dieſer Streit nun iſt es, den wir als die dritte Geſtalt oder Epoche
in der Lehre vom dominium eminens bezeichnen können. Es iſt, wenn
man ihn im Ganzen überſieht, keinen Augenblick unklar, daß es ſich auch
dießmal eigentlich nicht um ein Eigenthumsverhältniß, ſondern vielmehr
um den großen politiſchen Gegenſatz zwiſchen der herrſchenden abſoluten
Monarchie und den freieren Ideen der Volksvertretung handelt, die
ſchon bei Hugo Grotius wie bei Moſers Landeshoheit dem Ganzen
zum Grunde liegen, und in welchem das dominium eminens nur
Ausdruck und Rechtstitel für die unfreiere Auffaſſung iſt, während das
privatrechtliche Element ziemlich in den Hintergrund tritt. Man kann
deßhalb ſehr klar die zwei politiſchen Richtungen in dieſer juriſtiſchen Frage
unterſcheiden.
Eine Richtung nämlich ſtellte ſich einfach auf den Standpunkt des
alten Martinus und erklärte, daß die superioritas territorialis in ihrer
Anwendung auf den Grund und Boden überhaupt und auf die Lehns-
beſitzungen insbeſondere als dominium eminens das wirkliche Eigen-
thum des Landesherrn ſei; ſo ſagt der Hauptvertreter dieſer Anſicht
Biener (De natura et indole dominii in Germania I. §. 10): „Omnia
territoria, sine quibus superioritas non intelligitur, in patrimo-
nium et proprietatem cesserunt cum omnibus juribus regalibus at-
que ipsis adeo subditis et vasallis.“ (Vgl. ib. lib. II. c. 1.) Eben ſo
ſagt Fiſcher (Lehrbuch des Cameral- und Polizeirechts II. §. 451).
Vermöge der Verfaſſung des Mittelalters hat der Staat das Ober-
eigenthum über alle Grundſtücke, nach dem Sprüchwort „Sand und
Land gehört der Herrſchaft;“ doch ſcheidet er ganz beſtimmt davon
das „Staatseigenthum,“ unter dem er die alten bona publica verſteht
(S. 388), was Poſſe (S. 8) falſch verſtanden hat. So mußte noch
Schlözer in ſeinem Staatsanzeiger (Heft 63. S. 358) gegen einen
„Altmagyaren“ kämpfen, der die Baſis der deutſchen Staatsgewalt
dahin definirte, „daß in ſolchen Provinzen, in denen der Regent zugleich
Grundherr ſei, der Landesfürſt nach Belieben ſchalten und walten
könne“ — ſo ſei „der Kurfürſt von Hannover zugleich Grundherr und
Eigenthümer ſeines deutſchen Landes; daher hat in Hannover, eigent-
lich zu reden, niemand nur eine Handbreit Boden zu ſeinem
Eigenthum.“ — „Mit Oeſterreich verhält es ſich eben ſo wie mit Han-
nover; der Erzherzog iſt Eigenthümer des Landes. In Oeſterreich
iſt unſer Erbkönig daher zugleich Eigenthümer wie ein anderer Grund-
herr in ſeinen Gütern; in Ungarn iſt er dagegen nur Erbbeamter“
(vgl. Poſſe a. a. O. S. 5—7). Die Anwendung dieſes Princips
auf das öffentliche Recht, die Conſequenz der ausſchließlichen Herrſchaft
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