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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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machten einen schwachen Versuch, auf der früheren Basis der Frei-
willigkeit die große Frage zu erledigen. Es war umsonst; der Bauern-
stand war zu mächtig in seiner Bewegung. So griff das entscheidende
Patent vom 7. September 1848 die Sache an der Wurzel an, und stellte
mit Einem Schlage die Grundsätze als geltendes Recht auf, über deren
Interpretation und Gränzen man sich in Frankfurt in langathmigen
Debatten erging. Dieß Patent ist die erste und vollständigste Legali-
sirung des vollen Systems der Grundentlastung; in dem Bewußtsein,
daß es für die verschiedenartigsten Gebiete und Verhältnisse gelten
solle, und daß sein Erlaß allein im Stande sein werde, die Ordnung
und Ruhe namentlich auf dem flachen Lande zu erhalten und die
Scenen der alten Bauernkriege zu vermeiden, hat es sich weder bei
kleinen Detailfragen aufgehalten, noch dem Zufall oder der Willkür
der noch immer gewaltigen Grundherrlichkeit etwas überlassen dürfen.
Es ist einfach und groß, und trotz alles Wandels in dem übrigen öffent-
lichen Recht hat die Regierung an dieser wichtigsten socialen That des
Jahres 1848 unwandelbar zum Heile Oesterreichs festgehalten.

Das System dieser Entlastung ist an sich einfach. Erstes Princip
ist die völlige Aufhebung jedes Unterthansverhältnisses, vollständige Be-
seitigung aller Patrimonialgerichtsbarkeit; zweites ist die völlige Auf-
hebung jedes rechtlichen Unterschiedes zwischen den Grundbesitzungen,
und damit die Herstellung des völlig freien Eigenthums; drittes ist
die Anerkennung der Entschädigung nur für solche Abgaben und Lei-
stungen, welche der Besitzer eines Grundstückes als solches zu leisten hatte,
oder welche auf nachweisbarem Vertragsrecht beruhen; viertes ist, daß
die ganze Ablösung von Amtswegen geschieht. Mit diesen einfachen Grund-
sätzen ist nun die gesellschaftliche Entwicklung Oesterreichs in ein ganz neues
Stadium eingetreten. Auf allen Punkten ist das Vorrecht beseitigt und
eine neue Ordnung der Dinge beginnt, welche diesem merkwürdigen Staate
die alte hohe Achtung Deutschlands in vollem Maße zurückzugeben bestimmt
ist. Die weitere Ausführung jenes großen Gesetzes enthält nun zunächst
das Patent vom 4. März 1849, welches das Verfahren für die Entschädi-
gung bestimmt; Entschädigungsfuß ist der zwanzigfache Betrag; die ganze
Entschädigungssumme wird dann in drei Theile getheilt, von denen der
eine von dem Kronlande übernommen, und der zweite dem Grund-
herrn selbst abgeschrieben wird, als Ersatz für die Leistungen des Guts-
herrn bei Empfang der Leistungen des Verpflichteten; erst das letzte
Drittheil trägt der freigewordene Bauer selbst. Um dieß nun auch
wirklich durchzuführen, wurde durch die Patente vom 25. September
1850 und 11. April 1851 für jedes Kronland ein sogenannter
"Grundentlastungsfonds" gebildet. Das Princip desselben ist, daß die

machten einen ſchwachen Verſuch, auf der früheren Baſis der Frei-
willigkeit die große Frage zu erledigen. Es war umſonſt; der Bauern-
ſtand war zu mächtig in ſeiner Bewegung. So griff das entſcheidende
Patent vom 7. September 1848 die Sache an der Wurzel an, und ſtellte
mit Einem Schlage die Grundſätze als geltendes Recht auf, über deren
Interpretation und Gränzen man ſich in Frankfurt in langathmigen
Debatten erging. Dieß Patent iſt die erſte und vollſtändigſte Legali-
ſirung des vollen Syſtems der Grundentlaſtung; in dem Bewußtſein,
daß es für die verſchiedenartigſten Gebiete und Verhältniſſe gelten
ſolle, und daß ſein Erlaß allein im Stande ſein werde, die Ordnung
und Ruhe namentlich auf dem flachen Lande zu erhalten und die
Scenen der alten Bauernkriege zu vermeiden, hat es ſich weder bei
kleinen Detailfragen aufgehalten, noch dem Zufall oder der Willkür
der noch immer gewaltigen Grundherrlichkeit etwas überlaſſen dürfen.
Es iſt einfach und groß, und trotz alles Wandels in dem übrigen öffent-
lichen Recht hat die Regierung an dieſer wichtigſten ſocialen That des
Jahres 1848 unwandelbar zum Heile Oeſterreichs feſtgehalten.

Das Syſtem dieſer Entlaſtung iſt an ſich einfach. Erſtes Princip
iſt die völlige Aufhebung jedes Unterthansverhältniſſes, vollſtändige Be-
ſeitigung aller Patrimonialgerichtsbarkeit; zweites iſt die völlige Auf-
hebung jedes rechtlichen Unterſchiedes zwiſchen den Grundbeſitzungen,
und damit die Herſtellung des völlig freien Eigenthums; drittes iſt
die Anerkennung der Entſchädigung nur für ſolche Abgaben und Lei-
ſtungen, welche der Beſitzer eines Grundſtückes als ſolches zu leiſten hatte,
oder welche auf nachweisbarem Vertragsrecht beruhen; viertes iſt, daß
die ganze Ablöſung von Amtswegen geſchieht. Mit dieſen einfachen Grund-
ſätzen iſt nun die geſellſchaftliche Entwicklung Oeſterreichs in ein ganz neues
Stadium eingetreten. Auf allen Punkten iſt das Vorrecht beſeitigt und
eine neue Ordnung der Dinge beginnt, welche dieſem merkwürdigen Staate
die alte hohe Achtung Deutſchlands in vollem Maße zurückzugeben beſtimmt
iſt. Die weitere Ausführung jenes großen Geſetzes enthält nun zunächſt
das Patent vom 4. März 1849, welches das Verfahren für die Entſchädi-
gung beſtimmt; Entſchädigungsfuß iſt der zwanzigfache Betrag; die ganze
Entſchädigungsſumme wird dann in drei Theile getheilt, von denen der
eine von dem Kronlande übernommen, und der zweite dem Grund-
herrn ſelbſt abgeſchrieben wird, als Erſatz für die Leiſtungen des Guts-
herrn bei Empfang der Leiſtungen des Verpflichteten; erſt das letzte
Drittheil trägt der freigewordene Bauer ſelbſt. Um dieß nun auch
wirklich durchzuführen, wurde durch die Patente vom 25. September
1850 und 11. April 1851 für jedes Kronland ein ſogenannter
„Grundentlaſtungsfonds“ gebildet. Das Princip deſſelben iſt, daß die

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[228/0246] machten einen ſchwachen Verſuch, auf der früheren Baſis der Frei- willigkeit die große Frage zu erledigen. Es war umſonſt; der Bauern- ſtand war zu mächtig in ſeiner Bewegung. So griff das entſcheidende Patent vom 7. September 1848 die Sache an der Wurzel an, und ſtellte mit Einem Schlage die Grundſätze als geltendes Recht auf, über deren Interpretation und Gränzen man ſich in Frankfurt in langathmigen Debatten erging. Dieß Patent iſt die erſte und vollſtändigſte Legali- ſirung des vollen Syſtems der Grundentlaſtung; in dem Bewußtſein, daß es für die verſchiedenartigſten Gebiete und Verhältniſſe gelten ſolle, und daß ſein Erlaß allein im Stande ſein werde, die Ordnung und Ruhe namentlich auf dem flachen Lande zu erhalten und die Scenen der alten Bauernkriege zu vermeiden, hat es ſich weder bei kleinen Detailfragen aufgehalten, noch dem Zufall oder der Willkür der noch immer gewaltigen Grundherrlichkeit etwas überlaſſen dürfen. Es iſt einfach und groß, und trotz alles Wandels in dem übrigen öffent- lichen Recht hat die Regierung an dieſer wichtigſten ſocialen That des Jahres 1848 unwandelbar zum Heile Oeſterreichs feſtgehalten. Das Syſtem dieſer Entlaſtung iſt an ſich einfach. Erſtes Princip iſt die völlige Aufhebung jedes Unterthansverhältniſſes, vollſtändige Be- ſeitigung aller Patrimonialgerichtsbarkeit; zweites iſt die völlige Auf- hebung jedes rechtlichen Unterſchiedes zwiſchen den Grundbeſitzungen, und damit die Herſtellung des völlig freien Eigenthums; drittes iſt die Anerkennung der Entſchädigung nur für ſolche Abgaben und Lei- ſtungen, welche der Beſitzer eines Grundſtückes als ſolches zu leiſten hatte, oder welche auf nachweisbarem Vertragsrecht beruhen; viertes iſt, daß die ganze Ablöſung von Amtswegen geſchieht. Mit dieſen einfachen Grund- ſätzen iſt nun die geſellſchaftliche Entwicklung Oeſterreichs in ein ganz neues Stadium eingetreten. Auf allen Punkten iſt das Vorrecht beſeitigt und eine neue Ordnung der Dinge beginnt, welche dieſem merkwürdigen Staate die alte hohe Achtung Deutſchlands in vollem Maße zurückzugeben beſtimmt iſt. Die weitere Ausführung jenes großen Geſetzes enthält nun zunächſt das Patent vom 4. März 1849, welches das Verfahren für die Entſchädi- gung beſtimmt; Entſchädigungsfuß iſt der zwanzigfache Betrag; die ganze Entſchädigungsſumme wird dann in drei Theile getheilt, von denen der eine von dem Kronlande übernommen, und der zweite dem Grund- herrn ſelbſt abgeſchrieben wird, als Erſatz für die Leiſtungen des Guts- herrn bei Empfang der Leiſtungen des Verpflichteten; erſt das letzte Drittheil trägt der freigewordene Bauer ſelbſt. Um dieß nun auch wirklich durchzuführen, wurde durch die Patente vom 25. September 1850 und 11. April 1851 für jedes Kronland ein ſogenannter „Grundentlaſtungsfonds“ gebildet. Das Princip deſſelben iſt, daß die

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/246>, abgerufen am 21.11.2024.