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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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und dennoch vollständig gleichartig im Princip und in den Folgen. Den
zweiten Theil bildet, wie bereits erwähnt, der Proceß, den wir kurz
als die Entstehung der Gewerbefreiheit bezeichnen, und dessen Ge-
schichte unter die Verwaltung der Gewerbe gehört. Beide zusammen
geben in ihren Consequenzen den gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustand
des deutschen Volkes in seinen wichtigsten Elementen, als einen neuen
und durchgreifenden Beweis, daß die Verwaltungslehre nur durch die
Wissenschaft der Gesellschaft das Verständniß ihrer wahren Geschichte
und zuletzt auch ihrer wahren Elemente zu finden im Stande ist.

Die Ablösungen.
I. Begriff und Berhältniß zu Entlastung und Gemeinheitstheilung.

Das zweite große Gebiet der Entwährung ist nun dasjenige, welches
wir als die Ablösungen und Gemeinheitstheilungen bezeichnen. Es ist
daher nothwendig, zuerst das Wesen derselben gegenüber der Grund-
entlastung zu bestimmen; und dieser wahre Unterschied beider von
einander, aus dem nicht bloß ein verschiedenes wissenschaftliches System,
sondern auch eine besonderte Geschichte und Gesetzgebung derselben
hervorgegangen ist, liegt nun selbst wieder in demjenigen, woraus beide
hervorgegangen sind, im Wesen der Geschlechterordnung und der von
derselben erzeugten Agrarverfassung.

Formell ist nun dieser, für die innere Entwicklung keineswegs un-
wichtige Unterschied nicht schwierig zu bestimmen.

Während nämlich die Grundlasten aller Art den allgemeinen, in
ganz Europa gültigen Ausdruck der Unfreiheit der beherrschten bäuer-
lichen Klasse gegenüber der herrschenden Klasse der Grundherren bilden,
und daher allenthalben mit demselben wesentlichen Inhalt und fast
unter denselben Formen erscheinen, tritt neben ihnen eine zweite große
Gruppe von Beschränkungen des individuellen Eigenthums am Grund
und Boden auf, die nicht mehr für die ganze Klasse der beherrschten
Landleute als solche gilt, sondern vielmehr auf einzelnen und ört-
lichen
Verhältnissen beruht, sehr verschieden in Umfang und Inhalt
ist, und daher weder mit der bäuerlichen Unfreiheit im Allgemeinen
vermischt, noch auch in sich als ein einheitliches Ganze behandelt
werden darf. Diese Gruppe theilt sich nun selbst wieder in zwei große
Theile. Der erste dieser Theile geht, wenigstens seinem Hauptinhalt
nach, aus der Grundherrlichkeit hervor, oder verschmilzt doch so innig
mit derselben, daß er als ein integrirendes Moment ihrer Rechte da-
steht, und die Spuren eines andern Ursprunges fast unkenntlich

und dennoch vollſtändig gleichartig im Princip und in den Folgen. Den
zweiten Theil bildet, wie bereits erwähnt, der Proceß, den wir kurz
als die Entſtehung der Gewerbefreiheit bezeichnen, und deſſen Ge-
ſchichte unter die Verwaltung der Gewerbe gehört. Beide zuſammen
geben in ihren Conſequenzen den gegenwärtigen geſellſchaftlichen Zuſtand
des deutſchen Volkes in ſeinen wichtigſten Elementen, als einen neuen
und durchgreifenden Beweis, daß die Verwaltungslehre nur durch die
Wiſſenſchaft der Geſellſchaft das Verſtändniß ihrer wahren Geſchichte
und zuletzt auch ihrer wahren Elemente zu finden im Stande iſt.

Die Ablöſungen.
I. Begriff und Berhältniß zu Entlaſtung und Gemeinheitstheilung.

Das zweite große Gebiet der Entwährung iſt nun dasjenige, welches
wir als die Ablöſungen und Gemeinheitstheilungen bezeichnen. Es iſt
daher nothwendig, zuerſt das Weſen derſelben gegenüber der Grund-
entlaſtung zu beſtimmen; und dieſer wahre Unterſchied beider von
einander, aus dem nicht bloß ein verſchiedenes wiſſenſchaftliches Syſtem,
ſondern auch eine beſonderte Geſchichte und Geſetzgebung derſelben
hervorgegangen iſt, liegt nun ſelbſt wieder in demjenigen, woraus beide
hervorgegangen ſind, im Weſen der Geſchlechterordnung und der von
derſelben erzeugten Agrarverfaſſung.

Formell iſt nun dieſer, für die innere Entwicklung keineswegs un-
wichtige Unterſchied nicht ſchwierig zu beſtimmen.

Während nämlich die Grundlaſten aller Art den allgemeinen, in
ganz Europa gültigen Ausdruck der Unfreiheit der beherrſchten bäuer-
lichen Klaſſe gegenüber der herrſchenden Klaſſe der Grundherren bilden,
und daher allenthalben mit demſelben weſentlichen Inhalt und faſt
unter denſelben Formen erſcheinen, tritt neben ihnen eine zweite große
Gruppe von Beſchränkungen des individuellen Eigenthums am Grund
und Boden auf, die nicht mehr für die ganze Klaſſe der beherrſchten
Landleute als ſolche gilt, ſondern vielmehr auf einzelnen und ört-
lichen
Verhältniſſen beruht, ſehr verſchieden in Umfang und Inhalt
iſt, und daher weder mit der bäuerlichen Unfreiheit im Allgemeinen
vermiſcht, noch auch in ſich als ein einheitliches Ganze behandelt
werden darf. Dieſe Gruppe theilt ſich nun ſelbſt wieder in zwei große
Theile. Der erſte dieſer Theile geht, wenigſtens ſeinem Hauptinhalt
nach, aus der Grundherrlichkeit hervor, oder verſchmilzt doch ſo innig
mit derſelben, daß er als ein integrirendes Moment ihrer Rechte da-
ſteht, und die Spuren eines andern Urſprunges faſt unkenntlich

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[234/0252] und dennoch vollſtändig gleichartig im Princip und in den Folgen. Den zweiten Theil bildet, wie bereits erwähnt, der Proceß, den wir kurz als die Entſtehung der Gewerbefreiheit bezeichnen, und deſſen Ge- ſchichte unter die Verwaltung der Gewerbe gehört. Beide zuſammen geben in ihren Conſequenzen den gegenwärtigen geſellſchaftlichen Zuſtand des deutſchen Volkes in ſeinen wichtigſten Elementen, als einen neuen und durchgreifenden Beweis, daß die Verwaltungslehre nur durch die Wiſſenſchaft der Geſellſchaft das Verſtändniß ihrer wahren Geſchichte und zuletzt auch ihrer wahren Elemente zu finden im Stande iſt. Die Ablöſungen. I. Begriff und Berhältniß zu Entlaſtung und Gemeinheitstheilung. Das zweite große Gebiet der Entwährung iſt nun dasjenige, welches wir als die Ablöſungen und Gemeinheitstheilungen bezeichnen. Es iſt daher nothwendig, zuerſt das Weſen derſelben gegenüber der Grund- entlaſtung zu beſtimmen; und dieſer wahre Unterſchied beider von einander, aus dem nicht bloß ein verſchiedenes wiſſenſchaftliches Syſtem, ſondern auch eine beſonderte Geſchichte und Geſetzgebung derſelben hervorgegangen iſt, liegt nun ſelbſt wieder in demjenigen, woraus beide hervorgegangen ſind, im Weſen der Geſchlechterordnung und der von derſelben erzeugten Agrarverfaſſung. Formell iſt nun dieſer, für die innere Entwicklung keineswegs un- wichtige Unterſchied nicht ſchwierig zu beſtimmen. Während nämlich die Grundlaſten aller Art den allgemeinen, in ganz Europa gültigen Ausdruck der Unfreiheit der beherrſchten bäuer- lichen Klaſſe gegenüber der herrſchenden Klaſſe der Grundherren bilden, und daher allenthalben mit demſelben weſentlichen Inhalt und faſt unter denſelben Formen erſcheinen, tritt neben ihnen eine zweite große Gruppe von Beſchränkungen des individuellen Eigenthums am Grund und Boden auf, die nicht mehr für die ganze Klaſſe der beherrſchten Landleute als ſolche gilt, ſondern vielmehr auf einzelnen und ört- lichen Verhältniſſen beruht, ſehr verſchieden in Umfang und Inhalt iſt, und daher weder mit der bäuerlichen Unfreiheit im Allgemeinen vermiſcht, noch auch in ſich als ein einheitliches Ganze behandelt werden darf. Dieſe Gruppe theilt ſich nun ſelbſt wieder in zwei große Theile. Der erſte dieſer Theile geht, wenigſtens ſeinem Hauptinhalt nach, aus der Grundherrlichkeit hervor, oder verſchmilzt doch ſo innig mit derſelben, daß er als ein integrirendes Moment ihrer Rechte da- ſteht, und die Spuren eines andern Urſprunges faſt unkenntlich

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/252>, abgerufen am 22.11.2024.