Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.den lebendigen Kern beider Rechtswelten, zurückführen. Wir nun fassen, Das römische Recht ist nämlich das großartigste Rechtssystem für Das germanische (deutsche) Privatrecht dagegen enthält diejenigen Es ist nun nicht Sache der Verwaltungslehre, die historischen Die römisch-rechtliche Dienstbarkeit ist nämlich darnach diejenige, den lebendigen Kern beider Rechtswelten, zurückführen. Wir nun faſſen, Das römiſche Recht iſt nämlich das großartigſte Rechtsſyſtem für Das germaniſche (deutſche) Privatrecht dagegen enthält diejenigen Es iſt nun nicht Sache der Verwaltungslehre, die hiſtoriſchen Die römiſch-rechtliche Dienſtbarkeit iſt nämlich darnach diejenige, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <p><pb facs="#f0257" n="239"/> den lebendigen Kern beider Rechtswelten, zurückführen. Wir nun faſſen,<lb/> ohne hier auf tiefere Erörterung einzugehen, dieſen welthiſtoriſchen Unter-<lb/> ſchied in ſeine einfachſte Formel zuſammen; der Unterſchied zwiſchen der<lb/> germaniſchen und römiſchen Dienſtbarkeit und aller Folgeſätze ergibt<lb/> ſich dann, wie wir glauben, mit voller Klarheit aus jenem oberſten<lb/> Lebensprincip beider Rechte.</p><lb/> <p>Das römiſche Recht iſt nämlich das großartigſte Rechtsſyſtem für<lb/> das Rechtsleben grundſätzlich <hi rendition="#g">freier und gleicher</hi> Individuen, alſo<lb/> für das vollſtändig freie Eigenthum und den vollſtändig freien Verkehr.<lb/> Das römiſche Recht iſt daher das <hi rendition="#g">Privatrecht der ſtaatsbürger-<lb/> lichen Geſellſchaftsordnung</hi>.</p><lb/> <p>Das germaniſche (deutſche) Privatrecht dagegen enthält diejenigen<lb/> Beſchränkungen des an ſich für alle gleichen Privatrechts, welche aus<lb/> der Geſchlechterordnung entſtehen und die Principien und Forderungen<lb/> derſelben in Beziehungen auf Perſonen, Sachen und Verkehrsleben zur<lb/> Geltung bringen. Das germaniſche Privatrecht iſt daher das <hi rendition="#g">Privat-<lb/> recht der Geſchlechterordnung</hi>. Das <hi rendition="#g">deutſche</hi> Privatrecht unter-<lb/> ſcheidet ſich von dieſem germaniſchen Privatrecht dadurch, daß es außer<lb/> den rechtsbildenden Elementen der Geſchlechterordnung auch noch die<lb/> der ſtändiſchen Ordnung aufnimmt, und mit den erſteren verarbeitet.<lb/> In dieſem Punkte ſind das deutſche Privatrecht und das franzöſiſche<lb/><hi rendition="#aq">droit coutumier</hi> nur zwei faſt ganz gleichartige Ausdrücke deſſelben<lb/> Rechtsſyſtems, während das engliſche Privatrecht <hi rendition="#g">nur</hi> die Geſchlechter-<lb/> ordnung enthält, und daher die reinſte Form der urſprünglichen Ele-<lb/> mente darſtellt.</p><lb/> <p>Es iſt nun nicht Sache der Verwaltungslehre, die hiſtoriſchen<lb/> Verhältniſſe zu verfolgen, die ſich hieraus ergeben. Allein <hi rendition="#g">jedes</hi> Rechts-<lb/> gebiet, und ſo auch das der Dienſtbarkeiten, hat nun ſeit dem Mittel-<lb/> alter jene beiden Grundformen, die einander ebenſo unvermittelt be-<lb/> kämpfen, wie die Geſchlechter und die ſtändiſche Ordnung überhaupt.<lb/> Und das gilt nun auch von den Dienſtbarkeiten.</p><lb/> <p>Die römiſch-rechtliche Dienſtbarkeit iſt nämlich darnach diejenige,<lb/> bei der als Entſtehungs- und damit als Rechtsgrund der Vertrag der<lb/> Betheiligten, oder eine den Vertrag erſetzende Verjährung angenommen<lb/> wird. Sie erſcheint daher niemals als Theil und Glied, als Erfüllung<lb/> und Conſequenz einer andern, größeren und allgemeineren Ordnung<lb/> des Grundbeſitzes; es iſt dem Römer gar nicht möglich ſie, wie wir<lb/> ſagen würden, als Theil einer Agrarverfaſſung zu denken. Da ſie<lb/> nun ihrerſeits auf einer ſolchen nicht beruht, ſo kann ſie auch ohne alle<lb/> Beziehung zu irgend einer andern allgemeinen Frage verſtanden und ju-<lb/> riſtiſch beurtheilt werden; man bedarf dazu gar nichts, als den Inhalt<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [239/0257]
den lebendigen Kern beider Rechtswelten, zurückführen. Wir nun faſſen,
ohne hier auf tiefere Erörterung einzugehen, dieſen welthiſtoriſchen Unter-
ſchied in ſeine einfachſte Formel zuſammen; der Unterſchied zwiſchen der
germaniſchen und römiſchen Dienſtbarkeit und aller Folgeſätze ergibt
ſich dann, wie wir glauben, mit voller Klarheit aus jenem oberſten
Lebensprincip beider Rechte.
Das römiſche Recht iſt nämlich das großartigſte Rechtsſyſtem für
das Rechtsleben grundſätzlich freier und gleicher Individuen, alſo
für das vollſtändig freie Eigenthum und den vollſtändig freien Verkehr.
Das römiſche Recht iſt daher das Privatrecht der ſtaatsbürger-
lichen Geſellſchaftsordnung.
Das germaniſche (deutſche) Privatrecht dagegen enthält diejenigen
Beſchränkungen des an ſich für alle gleichen Privatrechts, welche aus
der Geſchlechterordnung entſtehen und die Principien und Forderungen
derſelben in Beziehungen auf Perſonen, Sachen und Verkehrsleben zur
Geltung bringen. Das germaniſche Privatrecht iſt daher das Privat-
recht der Geſchlechterordnung. Das deutſche Privatrecht unter-
ſcheidet ſich von dieſem germaniſchen Privatrecht dadurch, daß es außer
den rechtsbildenden Elementen der Geſchlechterordnung auch noch die
der ſtändiſchen Ordnung aufnimmt, und mit den erſteren verarbeitet.
In dieſem Punkte ſind das deutſche Privatrecht und das franzöſiſche
droit coutumier nur zwei faſt ganz gleichartige Ausdrücke deſſelben
Rechtsſyſtems, während das engliſche Privatrecht nur die Geſchlechter-
ordnung enthält, und daher die reinſte Form der urſprünglichen Ele-
mente darſtellt.
Es iſt nun nicht Sache der Verwaltungslehre, die hiſtoriſchen
Verhältniſſe zu verfolgen, die ſich hieraus ergeben. Allein jedes Rechts-
gebiet, und ſo auch das der Dienſtbarkeiten, hat nun ſeit dem Mittel-
alter jene beiden Grundformen, die einander ebenſo unvermittelt be-
kämpfen, wie die Geſchlechter und die ſtändiſche Ordnung überhaupt.
Und das gilt nun auch von den Dienſtbarkeiten.
Die römiſch-rechtliche Dienſtbarkeit iſt nämlich darnach diejenige,
bei der als Entſtehungs- und damit als Rechtsgrund der Vertrag der
Betheiligten, oder eine den Vertrag erſetzende Verjährung angenommen
wird. Sie erſcheint daher niemals als Theil und Glied, als Erfüllung
und Conſequenz einer andern, größeren und allgemeineren Ordnung
des Grundbeſitzes; es iſt dem Römer gar nicht möglich ſie, wie wir
ſagen würden, als Theil einer Agrarverfaſſung zu denken. Da ſie
nun ihrerſeits auf einer ſolchen nicht beruht, ſo kann ſie auch ohne alle
Beziehung zu irgend einer andern allgemeinen Frage verſtanden und ju-
riſtiſch beurtheilt werden; man bedarf dazu gar nichts, als den Inhalt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |