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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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Privilegien mit dem 18. Jahrhundert entstehen und mit dem 19. sich voll-
ziehen sehen, dem Proceß der Herstellung der staatsbürger-
lichen Gesellschaftsordnung
an der Stelle der Geschlechter- und
Ständeordnung.

Diesem höheren Wesen derselben entspricht nun auch der historische
Gang, den sie in dieser ihrer ersten Epoche vorzugsweise in dem Lande
der administrativen Reflexion, in Deutschland, genommen hat, während
sie in wesentlich anderen Formen in England und Frankreich auftritt.
Es ist für die letzteren charakteristisch, daß zunächst die Theorie die Ge-
meinheitstheilung unbedingt fordert. Es kommt ihr noch gar nicht in
den Sinn, daß jene Gemeinschaft denn doch auch hochbedeutende Elemente
besitzt, welche über die einzelnen Gründe für die Auftheilung weit hin-
ausgehen. Ihr erscheint, wie jeder neuen Idee, alles was gegen sie
in Erwägung kommt, nicht als Ausdruck eines gleichberechtigten, höhern
Gesichtspunktes, sondern als ein Versuch den alten Standpunkt gegen
die neue Ordnung vertheidigen, die Geschlechterordnung in der staats-
bürgerlichen aufrecht halten zu wollen. Sie ist daher vollständig negativ
gegen die Dauer des Gemeindeguts. Die Verwaltungen stimmen damit
vollkommen überein, und greifen um so leichter durch, als sie hier keinem
Gegeninteresse der herrschenden Klasse begegnen. Die Schwierigkeit, die
sie zu bewältigen hat, liegt bei der Gemeinheitstheilung auf einem ganz
andern Punkt, als bei der Entlastung und Ablösung. Hier liegt sie
in dem Bauernstande selbst. Das Ziel und der Werth derselben beruht
eben in der selbständigen Einzelpersönlichkeit -- und diese war es, welche
dem Bauernstande fehlte. Theils war derselbe geistig noch mitten in
der alten Geschlechterordnung, und vermochte sich nicht von ihrer Tra-
dition loszumachen; theils fehlte ihm die Bildung, die wirthschaftlichen
Erfolge der Auftheilung zu erkennen; theils die geistige Zuversicht, mit
der er die neue Gestalt des Besitzes und die daraus folgende neue Ord-
nung der Wirthschaft allein mit Vortheil hätte beherrschen können; theils
aber auch fehlte ihm das Kapital, um namentlich die letztere herzustellen.
Die Verwaltung stand daher weit höher als das Volk, und der Zwischen-
raum zwischen ihr und dem letzteren war noch weder durch die Volks-
bildung noch durch Kreditanstalten oder andere Maßregeln ausgefüllt.
So entstand hier die Opposition gegen die Auftheilung. Zum großen
Theile blieb die letztere auf dem Papier. Die historische Schwerkraft
des Bestehenden war mit dem besten Willen und der glänzendsten Land-
wirthschaftslehre nicht zu bewältigen. Langsam und stückweise geht die
Auftheilung vor sich; umsonst ist vielfach das Mühen und Streben der
Aemter, die Energie der Gesetze, die landwirthschaftliche Literatur und
ihr Beweis des Nutzens der Theilungen. Leider fehlt uns die Statistik

Privilegien mit dem 18. Jahrhundert entſtehen und mit dem 19. ſich voll-
ziehen ſehen, dem Proceß der Herſtellung der ſtaatsbürger-
lichen Geſellſchaftsordnung
an der Stelle der Geſchlechter- und
Ständeordnung.

Dieſem höheren Weſen derſelben entſpricht nun auch der hiſtoriſche
Gang, den ſie in dieſer ihrer erſten Epoche vorzugsweiſe in dem Lande
der adminiſtrativen Reflexion, in Deutſchland, genommen hat, während
ſie in weſentlich anderen Formen in England und Frankreich auftritt.
Es iſt für die letzteren charakteriſtiſch, daß zunächſt die Theorie die Ge-
meinheitstheilung unbedingt fordert. Es kommt ihr noch gar nicht in
den Sinn, daß jene Gemeinſchaft denn doch auch hochbedeutende Elemente
beſitzt, welche über die einzelnen Gründe für die Auftheilung weit hin-
ausgehen. Ihr erſcheint, wie jeder neuen Idee, alles was gegen ſie
in Erwägung kommt, nicht als Ausdruck eines gleichberechtigten, höhern
Geſichtspunktes, ſondern als ein Verſuch den alten Standpunkt gegen
die neue Ordnung vertheidigen, die Geſchlechterordnung in der ſtaats-
bürgerlichen aufrecht halten zu wollen. Sie iſt daher vollſtändig negativ
gegen die Dauer des Gemeindeguts. Die Verwaltungen ſtimmen damit
vollkommen überein, und greifen um ſo leichter durch, als ſie hier keinem
Gegenintereſſe der herrſchenden Klaſſe begegnen. Die Schwierigkeit, die
ſie zu bewältigen hat, liegt bei der Gemeinheitstheilung auf einem ganz
andern Punkt, als bei der Entlaſtung und Ablöſung. Hier liegt ſie
in dem Bauernſtande ſelbſt. Das Ziel und der Werth derſelben beruht
eben in der ſelbſtändigen Einzelperſönlichkeit — und dieſe war es, welche
dem Bauernſtande fehlte. Theils war derſelbe geiſtig noch mitten in
der alten Geſchlechterordnung, und vermochte ſich nicht von ihrer Tra-
dition loszumachen; theils fehlte ihm die Bildung, die wirthſchaftlichen
Erfolge der Auftheilung zu erkennen; theils die geiſtige Zuverſicht, mit
der er die neue Geſtalt des Beſitzes und die daraus folgende neue Ord-
nung der Wirthſchaft allein mit Vortheil hätte beherrſchen können; theils
aber auch fehlte ihm das Kapital, um namentlich die letztere herzuſtellen.
Die Verwaltung ſtand daher weit höher als das Volk, und der Zwiſchen-
raum zwiſchen ihr und dem letzteren war noch weder durch die Volks-
bildung noch durch Kreditanſtalten oder andere Maßregeln ausgefüllt.
So entſtand hier die Oppoſition gegen die Auftheilung. Zum großen
Theile blieb die letztere auf dem Papier. Die hiſtoriſche Schwerkraft
des Beſtehenden war mit dem beſten Willen und der glänzendſten Land-
wirthſchaftslehre nicht zu bewältigen. Langſam und ſtückweiſe geht die
Auftheilung vor ſich; umſonſt iſt vielfach das Mühen und Streben der
Aemter, die Energie der Geſetze, die landwirthſchaftliche Literatur und
ihr Beweis des Nutzens der Theilungen. Leider fehlt uns die Statiſtik

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[259/0277] Privilegien mit dem 18. Jahrhundert entſtehen und mit dem 19. ſich voll- ziehen ſehen, dem Proceß der Herſtellung der ſtaatsbürger- lichen Geſellſchaftsordnung an der Stelle der Geſchlechter- und Ständeordnung. Dieſem höheren Weſen derſelben entſpricht nun auch der hiſtoriſche Gang, den ſie in dieſer ihrer erſten Epoche vorzugsweiſe in dem Lande der adminiſtrativen Reflexion, in Deutſchland, genommen hat, während ſie in weſentlich anderen Formen in England und Frankreich auftritt. Es iſt für die letzteren charakteriſtiſch, daß zunächſt die Theorie die Ge- meinheitstheilung unbedingt fordert. Es kommt ihr noch gar nicht in den Sinn, daß jene Gemeinſchaft denn doch auch hochbedeutende Elemente beſitzt, welche über die einzelnen Gründe für die Auftheilung weit hin- ausgehen. Ihr erſcheint, wie jeder neuen Idee, alles was gegen ſie in Erwägung kommt, nicht als Ausdruck eines gleichberechtigten, höhern Geſichtspunktes, ſondern als ein Verſuch den alten Standpunkt gegen die neue Ordnung vertheidigen, die Geſchlechterordnung in der ſtaats- bürgerlichen aufrecht halten zu wollen. Sie iſt daher vollſtändig negativ gegen die Dauer des Gemeindeguts. Die Verwaltungen ſtimmen damit vollkommen überein, und greifen um ſo leichter durch, als ſie hier keinem Gegenintereſſe der herrſchenden Klaſſe begegnen. Die Schwierigkeit, die ſie zu bewältigen hat, liegt bei der Gemeinheitstheilung auf einem ganz andern Punkt, als bei der Entlaſtung und Ablöſung. Hier liegt ſie in dem Bauernſtande ſelbſt. Das Ziel und der Werth derſelben beruht eben in der ſelbſtändigen Einzelperſönlichkeit — und dieſe war es, welche dem Bauernſtande fehlte. Theils war derſelbe geiſtig noch mitten in der alten Geſchlechterordnung, und vermochte ſich nicht von ihrer Tra- dition loszumachen; theils fehlte ihm die Bildung, die wirthſchaftlichen Erfolge der Auftheilung zu erkennen; theils die geiſtige Zuverſicht, mit der er die neue Geſtalt des Beſitzes und die daraus folgende neue Ord- nung der Wirthſchaft allein mit Vortheil hätte beherrſchen können; theils aber auch fehlte ihm das Kapital, um namentlich die letztere herzuſtellen. Die Verwaltung ſtand daher weit höher als das Volk, und der Zwiſchen- raum zwiſchen ihr und dem letzteren war noch weder durch die Volks- bildung noch durch Kreditanſtalten oder andere Maßregeln ausgefüllt. So entſtand hier die Oppoſition gegen die Auftheilung. Zum großen Theile blieb die letztere auf dem Papier. Die hiſtoriſche Schwerkraft des Beſtehenden war mit dem beſten Willen und der glänzendſten Land- wirthſchaftslehre nicht zu bewältigen. Langſam und ſtückweiſe geht die Auftheilung vor ſich; umſonſt iſt vielfach das Mühen und Streben der Aemter, die Energie der Geſetze, die landwirthſchaftliche Literatur und ihr Beweis des Nutzens der Theilungen. Leider fehlt uns die Statiſtik

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/277>, abgerufen am 22.11.2024.