dann im Einzelnen durchgeführt wird. Von ganz anderer Bedeutung war es freilich, daß Friedrich II. sich nicht bloß ebenso entschieden für dieselben aussprach, sondern namentlich, wie Justi, mit geistvollem Nach- druck auf die -- allerdings vielfach vermeintliche -- Blüthe der eng- lischen Landwirthschaft "nach Aufhebung der Gemeinheiten" hinwies. (Oeuvr. posth. V. S. 129 u. 151 ff.) Aber die für die ganze Frage entscheidende That waren dennoch die großen Werke Thaers (1800), des ersten Mannes in Deutschland, der wirklich praktische Anschauungen deutscher und englischer Landwirthschaftszustände mit sicherer, vollkom- men richtiger und geistvoller Auffassung der socialen Verhältnisse beider Völker verband, und dessen Werke auch in Beziehung auf die Gemein- heitstheilungen durchschlagen. Von da an ist in der deutschen Literatur mehr als vierzig Jahre hindurch kein Zweifel mehr; wer konnte einem solchen Fachmann widersprechen? Erst in den vierziger Jahren ge- winnt das Element wieder Raum, das Thaer gar nicht gesehen hat, die Idee der Gemeinde neben und über dem einzelnen Bauern, und List und Knaus, so vereinzelt wie sie stehen, haben dennoch für die Sache selbst nicht geringere Bedeutung als Justi und Thaer. Doch gehören sie der folgenden Periode.
Was nun neben der Landwirthschaftspolizei die juristische Literatur betrifft, so muß man auch hier wieder die staatswissenschaftliche von der rein juristischen Richtung trennen. Die staatswissenschaftliche Rich- tung nahm allerdings die Nothwendigkeit und den Werth der Aufthei- lung als ziemlich ausgemacht an; allein, und das ließ sie zu keinem speciellen Resultat über die letztere gelangen, gleich von Anfang an mit bestimmter Beziehung auf die Frage der Zerstückelung der Grundstücke, die Zusammenlegung und Verkoppelung, kurz als einen Theil der Agrar- verfassung überhaupt, wie Justi es a. a. O. gethan. Dasjenige, was von dieser Seite zu geschehen hatte, fiel daher im Allgemeinen unter die Landesökonomie-Collegien des vorigen Jahrhunderts, und findet seine Darstellung in der eigentlichen Landwirthschaftspflege. Die streng juristische Frage aber entstand durch das Auftreten der preußi- schen und österreichischen Verwaltung, welche die Gemeinheitstheilungen im Namen des großen von ihnen zu erwartenden Vortheiles den be- treffenden Gemeinden zur Pflicht machen wollten. Dadurch entstand dann die Frage, ob der polizeiliche Zwang zur Auftheilung der Ge- meinschaften auch juristisch zu rechtfertigen sei; und die Art und Weise, wie diese Frage behandelt und entschieden ward, ist von entscheidender Bedeutung für die Gemeinheitstheilungsgesetze des 19. Jahrhunderts geworden. Die Theorie nämlich begann zu unterscheiden: "Unbebaute und ganz unbenutzte Gemeinheitsgüter können Gemeindegliedern
dann im Einzelnen durchgeführt wird. Von ganz anderer Bedeutung war es freilich, daß Friedrich II. ſich nicht bloß ebenſo entſchieden für dieſelben ausſprach, ſondern namentlich, wie Juſti, mit geiſtvollem Nach- druck auf die — allerdings vielfach vermeintliche — Blüthe der eng- liſchen Landwirthſchaft „nach Aufhebung der Gemeinheiten“ hinwies. (Oeuvr. posth. V. S. 129 u. 151 ff.) Aber die für die ganze Frage entſcheidende That waren dennoch die großen Werke Thaers (1800), des erſten Mannes in Deutſchland, der wirklich praktiſche Anſchauungen deutſcher und engliſcher Landwirthſchaftszuſtände mit ſicherer, vollkom- men richtiger und geiſtvoller Auffaſſung der ſocialen Verhältniſſe beider Völker verband, und deſſen Werke auch in Beziehung auf die Gemein- heitstheilungen durchſchlagen. Von da an iſt in der deutſchen Literatur mehr als vierzig Jahre hindurch kein Zweifel mehr; wer konnte einem ſolchen Fachmann widerſprechen? Erſt in den vierziger Jahren ge- winnt das Element wieder Raum, das Thaer gar nicht geſehen hat, die Idee der Gemeinde neben und über dem einzelnen Bauern, und Liſt und Knaus, ſo vereinzelt wie ſie ſtehen, haben dennoch für die Sache ſelbſt nicht geringere Bedeutung als Juſti und Thaer. Doch gehören ſie der folgenden Periode.
Was nun neben der Landwirthſchaftspolizei die juriſtiſche Literatur betrifft, ſo muß man auch hier wieder die ſtaatswiſſenſchaftliche von der rein juriſtiſchen Richtung trennen. Die ſtaatswiſſenſchaftliche Rich- tung nahm allerdings die Nothwendigkeit und den Werth der Aufthei- lung als ziemlich ausgemacht an; allein, und das ließ ſie zu keinem ſpeciellen Reſultat über die letztere gelangen, gleich von Anfang an mit beſtimmter Beziehung auf die Frage der Zerſtückelung der Grundſtücke, die Zuſammenlegung und Verkoppelung, kurz als einen Theil der Agrar- verfaſſung überhaupt, wie Juſti es a. a. O. gethan. Dasjenige, was von dieſer Seite zu geſchehen hatte, fiel daher im Allgemeinen unter die Landesökonomie-Collegien des vorigen Jahrhunderts, und findet ſeine Darſtellung in der eigentlichen Landwirthſchaftspflege. Die ſtreng juriſtiſche Frage aber entſtand durch das Auftreten der preußi- ſchen und öſterreichiſchen Verwaltung, welche die Gemeinheitstheilungen im Namen des großen von ihnen zu erwartenden Vortheiles den be- treffenden Gemeinden zur Pflicht machen wollten. Dadurch entſtand dann die Frage, ob der polizeiliche Zwang zur Auftheilung der Ge- meinſchaften auch juriſtiſch zu rechtfertigen ſei; und die Art und Weiſe, wie dieſe Frage behandelt und entſchieden ward, iſt von entſcheidender Bedeutung für die Gemeinheitstheilungsgeſetze des 19. Jahrhunderts geworden. Die Theorie nämlich begann zu unterſcheiden: „Unbebaute und ganz unbenutzte Gemeinheitsgüter können Gemeindegliedern
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dann im Einzelnen durchgeführt wird. Von ganz anderer Bedeutung
war es freilich, daß Friedrich II. ſich nicht bloß ebenſo entſchieden für
dieſelben ausſprach, ſondern namentlich, wie Juſti, mit geiſtvollem Nach-
druck auf die — allerdings vielfach vermeintliche — Blüthe der eng-
liſchen Landwirthſchaft „nach Aufhebung der Gemeinheiten“ hinwies.
(Oeuvr. posth. V. S. 129 u. 151 ff.) Aber die für die ganze Frage
entſcheidende That waren dennoch die großen Werke Thaers (1800),
des erſten Mannes in Deutſchland, der wirklich praktiſche Anſchauungen
deutſcher und engliſcher Landwirthſchaftszuſtände mit ſicherer, vollkom-
men richtiger und geiſtvoller Auffaſſung der ſocialen Verhältniſſe beider
Völker verband, und deſſen Werke auch in Beziehung auf die Gemein-
heitstheilungen durchſchlagen. Von da an iſt in der deutſchen Literatur
mehr als vierzig Jahre hindurch kein Zweifel mehr; wer konnte einem
ſolchen Fachmann widerſprechen? Erſt in den vierziger Jahren ge-
winnt das Element wieder Raum, das Thaer gar nicht geſehen hat,
die Idee der Gemeinde neben und über dem einzelnen Bauern, und
Liſt und Knaus, ſo vereinzelt wie ſie ſtehen, haben dennoch für die
Sache ſelbſt nicht geringere Bedeutung als Juſti und Thaer. Doch
gehören ſie der folgenden Periode.
Was nun neben der Landwirthſchaftspolizei die juriſtiſche Literatur
betrifft, ſo muß man auch hier wieder die ſtaatswiſſenſchaftliche von
der rein juriſtiſchen Richtung trennen. Die ſtaatswiſſenſchaftliche Rich-
tung nahm allerdings die Nothwendigkeit und den Werth der Aufthei-
lung als ziemlich ausgemacht an; allein, und das ließ ſie zu keinem
ſpeciellen Reſultat über die letztere gelangen, gleich von Anfang an mit
beſtimmter Beziehung auf die Frage der Zerſtückelung der Grundſtücke,
die Zuſammenlegung und Verkoppelung, kurz als einen Theil der Agrar-
verfaſſung überhaupt, wie Juſti es a. a. O. gethan. Dasjenige,
was von dieſer Seite zu geſchehen hatte, fiel daher im Allgemeinen
unter die Landesökonomie-Collegien des vorigen Jahrhunderts, und
findet ſeine Darſtellung in der eigentlichen Landwirthſchaftspflege. Die
ſtreng juriſtiſche Frage aber entſtand durch das Auftreten der preußi-
ſchen und öſterreichiſchen Verwaltung, welche die Gemeinheitstheilungen
im Namen des großen von ihnen zu erwartenden Vortheiles den be-
treffenden Gemeinden zur Pflicht machen wollten. Dadurch entſtand
dann die Frage, ob der polizeiliche Zwang zur Auftheilung der Ge-
meinſchaften auch juriſtiſch zu rechtfertigen ſei; und die Art und Weiſe,
wie dieſe Frage behandelt und entſchieden ward, iſt von entſcheidender
Bedeutung für die Gemeinheitstheilungsgeſetze des 19. Jahrhunderts
geworden. Die Theorie nämlich begann zu unterſcheiden: „Unbebaute
und ganz unbenutzte Gemeinheitsgüter können Gemeindegliedern
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/300>, abgerufen am 22.11.2024.
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