zehn Jahre später gewirkt haben! Doch wird die Zeit bald genug kom- men, wo man den hohen Werth solcher zugleich fachmännisch begrün- deten Ansichten nicht mehr wie Roscher (§. 83) mit einem wenig wissenschaftlichen Stoßseufzer erledigt (ohne Knaus zu citiren). Aber trotz dieser Arbeiten ging die Gesetzgebung ihren Weg nach den beiden angegebenen Richtungen.
Den ersten dieser Punkte entscheidet nun die Gesetzgebung des 19. Jahrhunderts dahin, daß zunächst die gezwungene Auftheilung grund- sätzlich aufgegeben wird. An ihre Stelle tritt dann entweder, wie namentlich in Oesterreich, ein vollkommener Stillstand des Aufthei- lungsgeschäftes, oder aber ein zweiter Grundsatz, der jene Intention des vorigen Jahrhunderts dahin formulirt, daß die Auftheilungen Sache des freien Beschlusses der Interessenten sein sollen, und zwar so, daß die Majorität derselben über die Auftheilung zu entscheiden habe. Natürlich war dabei die Frage nach der Constituirung dieser Majorität die Hauptsache; und hier ist kein eigentlich durchgreifendes Princip zu erkennen. Die Majorität ist vielmehr stets eine örtliche; doch überwiegt bei weitem der Gedanke, daß das Recht der Stimmen nach dem Besitze bestimmt wird. Man sieht daher auf allen Punkten den Gedanken durchgreifen, daß es sich bei der ganzen Auftheilung wesentlich um die Herstellung des individuellen Eigenthums an der Stelle des Gesammt- eigenthums handle, und zwar immer mit besonderer Rücksicht auf die "Landescultur." Von einem Interesse der Gemeinde als solcher ist bis zum Jahre 1848 noch keine Rede; erst seit der Herstellung der wahren Landgemeinde wird dasselbe von Bedeutung, und zwar theils indem das ganze Gemeindegut der Auftheilung entzogen bleibt (Oesterreich), theils indem man wenigstens gewisse Theile desselben als dauerndes Gemeindevermögen erhält (Preußen). Von da an tritt in Beziehung auf das obige Princip eine neue Epoche ein, deren wesentlicher Cha- rakter darin besteht, daß man jetzt die ganze Auftheilungsfrage stets mit den Grundsätzen über die Verwaltung des Gemeindevermögens in Verbindung bringt; die gesetzlichen Vorschriften über die Theilung treten vor den neuen Gemeindeordnungen der fünfziger Jahre in den Hinter- grund, und dieselbe scheint, wie es die Natur der Sache fordert, im Allgemeinen in Stillstand zu gerathen. Leider fehlen uns statistische Nachrichten über diesen Theil des Gemeindelebens wie über das Ge- meindeleben überhaupt; wir müssen uns daher einfach an die Gesetze selbst halten. Wir können jedoch nicht umhin, dabei auf einen geistvollen Aufsatz von Lette in Fauchers Vierteljahrsschrift 1866 1. Bd.: "Die ländliche Gemeinde als Genossenschaft" hinzuweisen, der die alte Markgenossenschaft mit Recht als Nutzgenossenschaft betrachtet
zehn Jahre ſpäter gewirkt haben! Doch wird die Zeit bald genug kom- men, wo man den hohen Werth ſolcher zugleich fachmänniſch begrün- deten Anſichten nicht mehr wie Roſcher (§. 83) mit einem wenig wiſſenſchaftlichen Stoßſeufzer erledigt (ohne Knaus zu citiren). Aber trotz dieſer Arbeiten ging die Geſetzgebung ihren Weg nach den beiden angegebenen Richtungen.
Den erſten dieſer Punkte entſcheidet nun die Geſetzgebung des 19. Jahrhunderts dahin, daß zunächſt die gezwungene Auftheilung grund- ſätzlich aufgegeben wird. An ihre Stelle tritt dann entweder, wie namentlich in Oeſterreich, ein vollkommener Stillſtand des Aufthei- lungsgeſchäftes, oder aber ein zweiter Grundſatz, der jene Intention des vorigen Jahrhunderts dahin formulirt, daß die Auftheilungen Sache des freien Beſchluſſes der Intereſſenten ſein ſollen, und zwar ſo, daß die Majorität derſelben über die Auftheilung zu entſcheiden habe. Natürlich war dabei die Frage nach der Conſtituirung dieſer Majorität die Hauptſache; und hier iſt kein eigentlich durchgreifendes Princip zu erkennen. Die Majorität iſt vielmehr ſtets eine örtliche; doch überwiegt bei weitem der Gedanke, daß das Recht der Stimmen nach dem Beſitze beſtimmt wird. Man ſieht daher auf allen Punkten den Gedanken durchgreifen, daß es ſich bei der ganzen Auftheilung weſentlich um die Herſtellung des individuellen Eigenthums an der Stelle des Geſammt- eigenthums handle, und zwar immer mit beſonderer Rückſicht auf die „Landescultur.“ Von einem Intereſſe der Gemeinde als ſolcher iſt bis zum Jahre 1848 noch keine Rede; erſt ſeit der Herſtellung der wahren Landgemeinde wird daſſelbe von Bedeutung, und zwar theils indem das ganze Gemeindegut der Auftheilung entzogen bleibt (Oeſterreich), theils indem man wenigſtens gewiſſe Theile deſſelben als dauerndes Gemeindevermögen erhält (Preußen). Von da an tritt in Beziehung auf das obige Princip eine neue Epoche ein, deren weſentlicher Cha- rakter darin beſteht, daß man jetzt die ganze Auftheilungsfrage ſtets mit den Grundſätzen über die Verwaltung des Gemeindevermögens in Verbindung bringt; die geſetzlichen Vorſchriften über die Theilung treten vor den neuen Gemeindeordnungen der fünfziger Jahre in den Hinter- grund, und dieſelbe ſcheint, wie es die Natur der Sache fordert, im Allgemeinen in Stillſtand zu gerathen. Leider fehlen uns ſtatiſtiſche Nachrichten über dieſen Theil des Gemeindelebens wie über das Ge- meindeleben überhaupt; wir müſſen uns daher einfach an die Geſetze ſelbſt halten. Wir können jedoch nicht umhin, dabei auf einen geiſtvollen Aufſatz von Lette in Fauchers Vierteljahrsſchrift 1866 1. Bd.: „Die ländliche Gemeinde als Genoſſenſchaft“ hinzuweiſen, der die alte Markgenoſſenſchaft mit Recht als Nutzgenoſſenſchaft betrachtet
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zehn Jahre ſpäter gewirkt haben! Doch wird die Zeit bald genug kom-
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deten Anſichten nicht mehr wie Roſcher (§. 83) mit einem wenig
wiſſenſchaftlichen Stoßſeufzer erledigt (ohne Knaus zu citiren). Aber
trotz dieſer Arbeiten ging die Geſetzgebung ihren Weg nach den beiden
angegebenen Richtungen.
Den erſten dieſer Punkte entſcheidet nun die Geſetzgebung des
19. Jahrhunderts dahin, daß zunächſt die gezwungene Auftheilung grund-
ſätzlich aufgegeben wird. An ihre Stelle tritt dann entweder, wie
namentlich in Oeſterreich, ein vollkommener Stillſtand des Aufthei-
lungsgeſchäftes, oder aber ein zweiter Grundſatz, der jene Intention
des vorigen Jahrhunderts dahin formulirt, daß die Auftheilungen Sache
des freien Beſchluſſes der Intereſſenten ſein ſollen, und zwar ſo,
daß die Majorität derſelben über die Auftheilung zu entſcheiden habe.
Natürlich war dabei die Frage nach der Conſtituirung dieſer Majorität
die Hauptſache; und hier iſt kein eigentlich durchgreifendes Princip zu
erkennen. Die Majorität iſt vielmehr ſtets eine örtliche; doch überwiegt
bei weitem der Gedanke, daß das Recht der Stimmen nach dem Beſitze
beſtimmt wird. Man ſieht daher auf allen Punkten den Gedanken
durchgreifen, daß es ſich bei der ganzen Auftheilung weſentlich um die
Herſtellung des individuellen Eigenthums an der Stelle des Geſammt-
eigenthums handle, und zwar immer mit beſonderer Rückſicht auf die
„Landescultur.“ Von einem Intereſſe der Gemeinde als ſolcher iſt bis
zum Jahre 1848 noch keine Rede; erſt ſeit der Herſtellung der wahren
Landgemeinde wird daſſelbe von Bedeutung, und zwar theils indem
das ganze Gemeindegut der Auftheilung entzogen bleibt (Oeſterreich),
theils indem man wenigſtens gewiſſe Theile deſſelben als dauerndes
Gemeindevermögen erhält (Preußen). Von da an tritt in Beziehung
auf das obige Princip eine neue Epoche ein, deren weſentlicher Cha-
rakter darin beſteht, daß man jetzt die ganze Auftheilungsfrage ſtets
mit den Grundſätzen über die Verwaltung des Gemeindevermögens in
Verbindung bringt; die geſetzlichen Vorſchriften über die Theilung treten
vor den neuen Gemeindeordnungen der fünfziger Jahre in den Hinter-
grund, und dieſelbe ſcheint, wie es die Natur der Sache fordert, im
Allgemeinen in Stillſtand zu gerathen. Leider fehlen uns ſtatiſtiſche
Nachrichten über dieſen Theil des Gemeindelebens wie über das Ge-
meindeleben überhaupt; wir müſſen uns daher einfach an die
Geſetze ſelbſt halten. Wir können jedoch nicht umhin, dabei auf einen
geiſtvollen Aufſatz von Lette in Fauchers Vierteljahrsſchrift 1866
1. Bd.: „Die ländliche Gemeinde als Genoſſenſchaft“ hinzuweiſen, der
die alte Markgenoſſenſchaft mit Recht als Nutzgenoſſenſchaft betrachtet
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/305>, abgerufen am 22.11.2024.
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