Die Land Clauses Act hat nämlich das Recht, über die Zulässig- keit von Unternehmungen zu entscheiden, welche der Expropriation be- dürfen, dem Parlament nach wie vor gelassen, und das ganze Ver- fahren zum Zwecke der Genehmigung einer solchen Unternehmung durch eine Private Bill ist demnach mit all seinen Schwierigkeiten, Kosten und fast unabsehbaren Weitläuftigkeiten geblieben. Das Parlament agirt für solche Concessionen als oberste Verwaltungsbehörde nach wie vor. Allein der Grundsatz, daß eine solche Parlaments-Concession erst dann gegeben werden dürfe, wenn die erforderlichen Grundstücke bereits er- worben seien, ward aufgehoben, und die Land Clauses Act entwickelte nunmehr in der der englischen Gesetzgebung unsystematischen aber ge- schäftskundigen Weise zwei Principien. Erstlich daß eine gerichtliche Enteignung (durch justices oder jury) für das nöthige Land von Fall zu Fall vom Parlamente bewilligt werden kann, und zweitens daß ein regelmäßiges Verfahren der Entschädigung in solchen Fällen statt- zufinden habe. Es ist in diesem Gesetze ein strenges Festhalten an dem specifisch-französischen Princip nicht zu verkennen, nach welchem die höchste oberste Verwaltungsbehörde den öffentlichen Nutzen einer solchen Unter- nehmung ausspricht, und im Namen desselben den Unternehmern das Recht verleiht, die bestehenden Grundsätze über Enteignung und Ent- schädigung für diejenigen Grundstücke anzuwenden, deren sie bedürfen, während der Act der Aufhebung des Eigenthums wiederum von einem Gericht ausgeht, die Geschwornen dagegen die Entschädigungsbeträge beurtheilen. Der Mangel eines Grundbuchswesens hat dabei den ganzen Theil wegfallen lassen, der sich auf das Grundbuchsrecht der Enteignung bezieht. Andrerseits hat England strenge festgehalten an dem Recht, daß die Bewilligung zu dieser Enteignung der Land Clauses Actnie von der Regierung, sondern nur vom Parlamente ausgehen dürfe; selbst in dem Gebiete, wo es am nächsten lag, die Sache der competenten Behörde zu überweisen, in dem Gebiete des Eisenbahnbaues. Denn die neueste Rail ways Construction facilities Act 1864 (27. 28. Vict. 121) gibt allerdings dem Board of trade das Recht, Eisenbahn-Concessionen einseitig ohne Private Bill zu ertheilen (d. h. das Certificate zu geben), allein das board of trade hat nicht das Recht, der Unternehmung die Rechte der Land Clauses Act, das ist, das Recht der Enteignung zu geben, sondern die Unternehmer müssen, ehe sie um das Certificate des board of trade einkommen, nachweisen, daß sie alle Grundstücke, die erforderlich sind, bereits gekauft haben (Art. 6). Nur die Erleich- terung ist ausdrücklich gewährt, daß wenn das Certificate von dem board of trade nicht ertheilt wird, die Kaufverträge in Beziehung auf die Grundstücke nicht gültig sein sollen (Art. 52). Selbst da, wo die
Die Land Clauses Act hat nämlich das Recht, über die Zuläſſig- keit von Unternehmungen zu entſcheiden, welche der Expropriation be- dürfen, dem Parlament nach wie vor gelaſſen, und das ganze Ver- fahren zum Zwecke der Genehmigung einer ſolchen Unternehmung durch eine Private Bill iſt demnach mit all ſeinen Schwierigkeiten, Koſten und faſt unabſehbaren Weitläuftigkeiten geblieben. Das Parlament agirt für ſolche Conceſſionen als oberſte Verwaltungsbehörde nach wie vor. Allein der Grundſatz, daß eine ſolche Parlaments-Conceſſion erſt dann gegeben werden dürfe, wenn die erforderlichen Grundſtücke bereits er- worben ſeien, ward aufgehoben, und die Land Clauses Act entwickelte nunmehr in der der engliſchen Geſetzgebung unſyſtematiſchen aber ge- ſchäftskundigen Weiſe zwei Principien. Erſtlich daß eine gerichtliche Enteignung (durch justices oder jury) für das nöthige Land von Fall zu Fall vom Parlamente bewilligt werden kann, und zweitens daß ein regelmäßiges Verfahren der Entſchädigung in ſolchen Fällen ſtatt- zufinden habe. Es iſt in dieſem Geſetze ein ſtrenges Feſthalten an dem ſpecifiſch-franzöſiſchen Princip nicht zu verkennen, nach welchem die höchſte oberſte Verwaltungsbehörde den öffentlichen Nutzen einer ſolchen Unter- nehmung ausſpricht, und im Namen deſſelben den Unternehmern das Recht verleiht, die beſtehenden Grundſätze über Enteignung und Ent- ſchädigung für diejenigen Grundſtücke anzuwenden, deren ſie bedürfen, während der Act der Aufhebung des Eigenthums wiederum von einem Gericht ausgeht, die Geſchwornen dagegen die Entſchädigungsbeträge beurtheilen. Der Mangel eines Grundbuchsweſens hat dabei den ganzen Theil wegfallen laſſen, der ſich auf das Grundbuchsrecht der Enteignung bezieht. Andrerſeits hat England ſtrenge feſtgehalten an dem Recht, daß die Bewilligung zu dieſer Enteignung der Land Clauses Actnie von der Regierung, ſondern nur vom Parlamente ausgehen dürfe; ſelbſt in dem Gebiete, wo es am nächſten lag, die Sache der competenten Behörde zu überweiſen, in dem Gebiete des Eiſenbahnbaues. Denn die neueſte Rail ways Construction facilities Act 1864 (27. 28. Vict. 121) gibt allerdings dem Board of trade das Recht, Eiſenbahn-Conceſſionen einſeitig ohne Private Bill zu ertheilen (d. h. das Certificate zu geben), allein das board of trade hat nicht das Recht, der Unternehmung die Rechte der Land Clauses Act, das iſt, das Recht der Enteignung zu geben, ſondern die Unternehmer müſſen, ehe ſie um das Certificate des board of trade einkommen, nachweiſen, daß ſie alle Grundſtücke, die erforderlich ſind, bereits gekauft haben (Art. 6). Nur die Erleich- terung iſt ausdrücklich gewährt, daß wenn das Certificate von dem board of trade nicht ertheilt wird, die Kaufverträge in Beziehung auf die Grundſtücke nicht gültig ſein ſollen (Art. 52). Selbſt da, wo die
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Die Land Clauses Act hat nämlich das Recht, über die Zuläſſig-
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dürfen, dem Parlament nach wie vor gelaſſen, und das ganze Ver-
fahren zum Zwecke der Genehmigung einer ſolchen Unternehmung durch
eine Private Bill iſt demnach mit all ſeinen Schwierigkeiten, Koſten und
faſt unabſehbaren Weitläuftigkeiten geblieben. Das Parlament agirt
für ſolche Conceſſionen als oberſte Verwaltungsbehörde nach wie vor.
Allein der Grundſatz, daß eine ſolche Parlaments-Conceſſion erſt dann
gegeben werden dürfe, wenn die erforderlichen Grundſtücke bereits er-
worben ſeien, ward aufgehoben, und die Land Clauses Act entwickelte
nunmehr in der der engliſchen Geſetzgebung unſyſtematiſchen aber ge-
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Enteignung (durch justices oder jury) für das nöthige Land von Fall
zu Fall vom Parlamente bewilligt werden kann, und zweitens daß
ein regelmäßiges Verfahren der Entſchädigung in ſolchen Fällen ſtatt-
zufinden habe. Es iſt in dieſem Geſetze ein ſtrenges Feſthalten an dem
ſpecifiſch-franzöſiſchen Princip nicht zu verkennen, nach welchem die höchſte
oberſte Verwaltungsbehörde den öffentlichen Nutzen einer ſolchen Unter-
nehmung ausſpricht, und im Namen deſſelben den Unternehmern das
Recht verleiht, die beſtehenden Grundſätze über Enteignung und Ent-
ſchädigung für diejenigen Grundſtücke anzuwenden, deren ſie bedürfen,
während der Act der Aufhebung des Eigenthums wiederum von einem
Gericht ausgeht, die Geſchwornen dagegen die Entſchädigungsbeträge
beurtheilen. Der Mangel eines Grundbuchsweſens hat dabei den ganzen
Theil wegfallen laſſen, der ſich auf das Grundbuchsrecht der Enteignung
bezieht. Andrerſeits hat England ſtrenge feſtgehalten an dem Recht,
daß die Bewilligung zu dieſer Enteignung der Land Clauses Act nie
von der Regierung, ſondern nur vom Parlamente ausgehen dürfe; ſelbſt
in dem Gebiete, wo es am nächſten lag, die Sache der competenten
Behörde zu überweiſen, in dem Gebiete des Eiſenbahnbaues. Denn die
neueſte Rail ways Construction facilities Act 1864 (27. 28. Vict. 121)
gibt allerdings dem Board of trade das Recht, Eiſenbahn-Conceſſionen
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allein das board of trade hat nicht das Recht, der Unternehmung die
Rechte der Land Clauses Act, das iſt, das Recht der Enteignung zu
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board of trade einkommen, nachweiſen, daß ſie alle Grundſtücke, die
erforderlich ſind, bereits gekauft haben (Art. 6). Nur die Erleich-
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board of trade nicht ertheilt wird, die Kaufverträge in Beziehung auf
die Grundſtücke nicht gültig ſein ſollen (Art. 52). Selbſt da, wo die
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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/329>, abgerufen am 22.11.2024.
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