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Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868.

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V. Einige Bemerkungen zur Geschichte der Organisation der wirthschaftlichen
Verwaltung.

Es wird eine der künftigen Aufgaben der Geschichte der Staats-
wissenschaft sein, die Geschichte dieser Organisation zu schreiben. Und
diese Geschichte ist in der That weder eine bloß formelle Schematisirung
der verschiedenen Aemter und Stellungen, noch auch eine bloß formale
Ausfüllung einer Lücke in der Wissenschaft des Staats. Es ist viel-
mehr kein Zweifel, daß die Entwicklung jenes Organismus zunächst und
im Allgemeinen die Entwicklung des selbständigen Bewußtseins des
Staats von diesem hochwichtigen Theile seiner Verwaltung ist; dann
aber erscheint dieselbe andrerseits wieder in ihrer individuellen Gestalt
in jedem einzelnen Lande; denn sie ist eine wesentlich andre in Eng-
land, in Frankreich, in Deutschland, und in den übrigen Theilen Eu-
ropas. Es ist daher eine große und schwere Aufgabe, dieselbe zu be-
handeln. Denn hier genügt es nicht mehr, einfach die Thatsachen der
Neubildungen aufzuführen, sondern man muß, soll anders diese Arbeit
einen Werth haben, jene Neugestaltungen und Organisationen auf
ihren Grund, das werdende Verständniß von den Aufgaben der Ver-
waltung, zurückführen.

Diese Aufgabe kann aber die vorliegende Arbeit noch nicht lösen.
Denn ihre Voraussetzung ist eben die Anerkennung des einheitlichen
Systems der wirthschaftlichen Verwaltung selbst. So lange diese nicht
gewonnen ist, würde jede vorausgehende Bearbeitung fast auf jedem
Punkte mit Kritik und Erklärungen so viel zu thun haben, daß der
Umfang in keinem Verhältniß zu dem Resultate stehen würde.

Wir glauben daher, uns mit einigen Bemerkungen hier genügen
lassen zu dürfen.

Der Charakter des gesammten Ganges der Entwicklung einer selb-
ständigen Organisation der Volkswirthschaftspflege beruht darauf, daß
dieselbe anfangs mit der staatswirthschaftlichen (finanziellen) Verwaltung
im Ganzen, mit der polizeilichen im Einzelnen namentlich örtlich fast
vollständig verschmolzen erscheint und daher zu einem Bewußtsein ihrer
selbständigen Aufgabe nicht gelangt. Eine eigene Organisation für
die Volkswirthschaftspflege ergibt es bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
nicht. Dann fängt dieselbe an, allmählig, aber nur stück- und theil-
weise aufzutreten, und zwar namentlich in den Regalien, bei denen
nun zugleich die Verwaltung ihren ersten Charakter empfängt. Die
Verwaltungsorgane der Regalien sind fast ausnahmslos technische
Beamtete
, die nach dem früheren Standpunkt unter der Finanz-
verwaltung stehen, und in Deutschland als die Cameralverwaltung

V. Einige Bemerkungen zur Geſchichte der Organiſation der wirthſchaftlichen
Verwaltung.

Es wird eine der künftigen Aufgaben der Geſchichte der Staats-
wiſſenſchaft ſein, die Geſchichte dieſer Organiſation zu ſchreiben. Und
dieſe Geſchichte iſt in der That weder eine bloß formelle Schematiſirung
der verſchiedenen Aemter und Stellungen, noch auch eine bloß formale
Ausfüllung einer Lücke in der Wiſſenſchaft des Staats. Es iſt viel-
mehr kein Zweifel, daß die Entwicklung jenes Organismus zunächſt und
im Allgemeinen die Entwicklung des ſelbſtändigen Bewußtſeins des
Staats von dieſem hochwichtigen Theile ſeiner Verwaltung iſt; dann
aber erſcheint dieſelbe andrerſeits wieder in ihrer individuellen Geſtalt
in jedem einzelnen Lande; denn ſie iſt eine weſentlich andre in Eng-
land, in Frankreich, in Deutſchland, und in den übrigen Theilen Eu-
ropas. Es iſt daher eine große und ſchwere Aufgabe, dieſelbe zu be-
handeln. Denn hier genügt es nicht mehr, einfach die Thatſachen der
Neubildungen aufzuführen, ſondern man muß, ſoll anders dieſe Arbeit
einen Werth haben, jene Neugeſtaltungen und Organiſationen auf
ihren Grund, das werdende Verſtändniß von den Aufgaben der Ver-
waltung, zurückführen.

Dieſe Aufgabe kann aber die vorliegende Arbeit noch nicht löſen.
Denn ihre Vorausſetzung iſt eben die Anerkennung des einheitlichen
Syſtems der wirthſchaftlichen Verwaltung ſelbſt. So lange dieſe nicht
gewonnen iſt, würde jede vorausgehende Bearbeitung faſt auf jedem
Punkte mit Kritik und Erklärungen ſo viel zu thun haben, daß der
Umfang in keinem Verhältniß zu dem Reſultate ſtehen würde.

Wir glauben daher, uns mit einigen Bemerkungen hier genügen
laſſen zu dürfen.

Der Charakter des geſammten Ganges der Entwicklung einer ſelb-
ſtändigen Organiſation der Volkswirthſchaftspflege beruht darauf, daß
dieſelbe anfangs mit der ſtaatswirthſchaftlichen (finanziellen) Verwaltung
im Ganzen, mit der polizeilichen im Einzelnen namentlich örtlich faſt
vollſtändig verſchmolzen erſcheint und daher zu einem Bewußtſein ihrer
ſelbſtändigen Aufgabe nicht gelangt. Eine eigene Organiſation für
die Volkswirthſchaftspflege ergibt es bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts
nicht. Dann fängt dieſelbe an, allmählig, aber nur ſtück- und theil-
weiſe aufzutreten, und zwar namentlich in den Regalien, bei denen
nun zugleich die Verwaltung ihren erſten Charakter empfängt. Die
Verwaltungsorgane der Regalien ſind faſt ausnahmslos techniſche
Beamtete
, die nach dem früheren Standpunkt unter der Finanz-
verwaltung ſtehen, und in Deutſchland als die Cameralverwaltung

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[61/0079] V. Einige Bemerkungen zur Geſchichte der Organiſation der wirthſchaftlichen Verwaltung. Es wird eine der künftigen Aufgaben der Geſchichte der Staats- wiſſenſchaft ſein, die Geſchichte dieſer Organiſation zu ſchreiben. Und dieſe Geſchichte iſt in der That weder eine bloß formelle Schematiſirung der verſchiedenen Aemter und Stellungen, noch auch eine bloß formale Ausfüllung einer Lücke in der Wiſſenſchaft des Staats. Es iſt viel- mehr kein Zweifel, daß die Entwicklung jenes Organismus zunächſt und im Allgemeinen die Entwicklung des ſelbſtändigen Bewußtſeins des Staats von dieſem hochwichtigen Theile ſeiner Verwaltung iſt; dann aber erſcheint dieſelbe andrerſeits wieder in ihrer individuellen Geſtalt in jedem einzelnen Lande; denn ſie iſt eine weſentlich andre in Eng- land, in Frankreich, in Deutſchland, und in den übrigen Theilen Eu- ropas. Es iſt daher eine große und ſchwere Aufgabe, dieſelbe zu be- handeln. Denn hier genügt es nicht mehr, einfach die Thatſachen der Neubildungen aufzuführen, ſondern man muß, ſoll anders dieſe Arbeit einen Werth haben, jene Neugeſtaltungen und Organiſationen auf ihren Grund, das werdende Verſtändniß von den Aufgaben der Ver- waltung, zurückführen. Dieſe Aufgabe kann aber die vorliegende Arbeit noch nicht löſen. Denn ihre Vorausſetzung iſt eben die Anerkennung des einheitlichen Syſtems der wirthſchaftlichen Verwaltung ſelbſt. So lange dieſe nicht gewonnen iſt, würde jede vorausgehende Bearbeitung faſt auf jedem Punkte mit Kritik und Erklärungen ſo viel zu thun haben, daß der Umfang in keinem Verhältniß zu dem Reſultate ſtehen würde. Wir glauben daher, uns mit einigen Bemerkungen hier genügen laſſen zu dürfen. Der Charakter des geſammten Ganges der Entwicklung einer ſelb- ſtändigen Organiſation der Volkswirthſchaftspflege beruht darauf, daß dieſelbe anfangs mit der ſtaatswirthſchaftlichen (finanziellen) Verwaltung im Ganzen, mit der polizeilichen im Einzelnen namentlich örtlich faſt vollſtändig verſchmolzen erſcheint und daher zu einem Bewußtſein ihrer ſelbſtändigen Aufgabe nicht gelangt. Eine eigene Organiſation für die Volkswirthſchaftspflege ergibt es bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts nicht. Dann fängt dieſelbe an, allmählig, aber nur ſtück- und theil- weiſe aufzutreten, und zwar namentlich in den Regalien, bei denen nun zugleich die Verwaltung ihren erſten Charakter empfängt. Die Verwaltungsorgane der Regalien ſind faſt ausnahmslos techniſche Beamtete, die nach dem früheren Standpunkt unter der Finanz- verwaltung ſtehen, und in Deutſchland als die Cameralverwaltung

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Zitationshilfe: Stein, Lorenz von: Die Verwaltungslehre. Bd. 7. Stuttgart, 1868, S. 61. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/stein_verwaltungslehre07_1868/79>, abgerufen am 27.11.2024.