erfuhren, dass die Trumai bei den Auetö Schutz gesucht hatten. Das Thema wurde am Abend ausgiebig erörtert, nachdem wir unsere Gastfreunde mit einem Sprühfeuerwerk auf dem Dorfplatz unterhalten hatten. Der Häuptling liess sofort eine seiner pathetischen Ansprachen vom Stapel und rief laut, dass die Suya schlecht seien, dass auch die -- uns unbekannten -- Arata schlecht seien, dass die Suya erst die Manitsaua und dann die Trumai vergewaltigt, viele Männer getötet und viele Weiber weggeschleppt hätten. Wir sollten uns mit den Trumai verbinden und die Suya züchtigen. Und 1884 war uns das umgekehrte Angebot von den Suya gemacht worden, die damals unsere Freunde waren und gleich uns über die Trumai zu klagen hatten.
Als wir die Hütten betraten, war eins der ersten Dinge, das uns in die Augen fiel und unser Interesse im höchsten Grade fesselte, das überall vorhandene Wurfholz. Auf der ersten Reise hatten wir ein einziges Exemplar dieser merkwürdigen Waffe von den Suya bekommen und gehört, dass es den Kamayura entstamme. Hier keine Hütte, in der die Wurfbretter fehlten.
Offenbar diente die Waffe vorwiegend zum Tanz. Doch wurde uns angegeben, dass die Auetö und Trumai sie im Kriegsfall gebrauchten. Ver- wendung für die Jagd scheint ausgeschlossen. Der Häuptling führte uns den Gebrauch des Wurfholzes mit grotesken Geberden vor, und begleitete seine Mimik mit einem Gesang, auf den ich später noch zurückkommen werde, wenn ich die nähere Be- schreibung gebe.
Statt der Holzmasken trafen wir zum ersten Male Masken aus Baumwollgeflecht, die mit Wachs überzogen waren und als Augen Wollpfröpfchen oder Wachsklümpchen und dickere Wachsklümpchen als Nase hatten. Auch den Maskentanz zeigte uns der allzeit gefällige Häuptling, indem er dabei Bogen und Pfeil zur Hand nahm. Das Maskengesicht kam
[Abbildung]
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Abb. 6.
Geflechtmaske, Wurfhölzer und Wurfpfeile der Auetö.
auf den vorderen Teil des Schädels zu liegen; er schaute unter ihm hinaus durch das Buritigeflecht. Der begleitende Gesangtext bezog sich auf die Frauen.
Auch die Auetö zeigten eine lebhafte Neigung zu einer alle Geräte aus- schmückenden Bemalung mit Ornamenten. Wir nannten sogar ein Haus, wo sie in diesem Sinne besonders thätig waren, mit allem Recht die Künstlerhütte.
erfuhren, dass die Trumaí bei den Auetö́ Schutz gesucht hatten. Das Thema wurde am Abend ausgiebig erörtert, nachdem wir unsere Gastfreunde mit einem Sprühfeuerwerk auf dem Dorfplatz unterhalten hatten. Der Häuptling liess sofort eine seiner pathetischen Ansprachen vom Stapel und rief laut, dass die Suyá schlecht seien, dass auch die — uns unbekannten — Aratá schlecht seien, dass die Suyá erst die Manitsauá und dann die Trumaí vergewaltigt, viele Männer getötet und viele Weiber weggeschleppt hätten. Wir sollten uns mit den Trumaí verbinden und die Suyá züchtigen. Und 1884 war uns das umgekehrte Angebot von den Suyá gemacht worden, die damals unsere Freunde waren und gleich uns über die Trumaí zu klagen hatten.
Als wir die Hütten betraten, war eins der ersten Dinge, das uns in die Augen fiel und unser Interesse im höchsten Grade fesselte, das überall vorhandene Wurfholz. Auf der ersten Reise hatten wir ein einziges Exemplar dieser merkwürdigen Waffe von den Suyá bekommen und gehört, dass es den Kamayurá entstamme. Hier keine Hütte, in der die Wurfbretter fehlten.
Offenbar diente die Waffe vorwiegend zum Tanz. Doch wurde uns angegeben, dass die Auetö́ und Trumaí sie im Kriegsfall gebrauchten. Ver- wendung für die Jagd scheint ausgeschlossen. Der Häuptling führte uns den Gebrauch des Wurfholzes mit grotesken Geberden vor, und begleitete seine Mimik mit einem Gesang, auf den ich später noch zurückkommen werde, wenn ich die nähere Be- schreibung gebe.
Statt der Holzmasken trafen wir zum ersten Male Masken aus Baumwollgeflecht, die mit Wachs überzogen waren und als Augen Wollpfröpfchen oder Wachsklümpchen und dickere Wachsklümpchen als Nase hatten. Auch den Maskentanz zeigte uns der allzeit gefällige Häuptling, indem er dabei Bogen und Pfeil zur Hand nahm. Das Maskengesicht kam
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Abb. 6.
Geflechtmaske, Wurfhölzer und Wurfpfeile der Auetö́.
auf den vorderen Teil des Schädels zu liegen; er schaute unter ihm hinaus durch das Buritígeflecht. Der begleitende Gesangtext bezog sich auf die Frauen.
Auch die Auetö́ zeigten eine lebhafte Neigung zu einer alle Geräte aus- schmückenden Bemalung mit Ornamenten. Wir nannten sogar ein Haus, wo sie in diesem Sinne besonders thätig waren, mit allem Recht die Künstlerhütte.
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erfuhren, dass die Trumaí bei den Auetö́ Schutz gesucht hatten. Das Thema
wurde am Abend ausgiebig erörtert, nachdem wir unsere Gastfreunde mit einem
Sprühfeuerwerk auf dem Dorfplatz unterhalten hatten. Der Häuptling liess sofort
eine seiner pathetischen Ansprachen vom Stapel und rief laut, dass die Suyá
schlecht seien, dass auch die — uns unbekannten — Aratá schlecht seien, dass
die Suyá erst die Manitsauá und dann die Trumaí
vergewaltigt, viele Männer getötet und viele Weiber
weggeschleppt hätten. Wir sollten uns mit den
Trumaí verbinden und die Suyá züchtigen. Und
1884 war uns das umgekehrte Angebot von den
Suyá gemacht worden, die damals unsere Freunde
waren und gleich uns über die Trumaí zu klagen
hatten.
Als wir die Hütten betraten, war eins der ersten
Dinge, das uns in die Augen fiel und unser Interesse
im höchsten Grade fesselte, das überall vorhandene
Wurfholz. Auf der ersten Reise hatten wir ein
einziges Exemplar dieser merkwürdigen Waffe von
den Suyá bekommen und gehört, dass es den
Kamayurá entstamme. Hier keine Hütte, in der
die Wurfbretter fehlten.
Offenbar diente die Waffe vorwiegend zum
Tanz. Doch wurde uns angegeben, dass die Auetö́
und Trumaí sie im Kriegsfall gebrauchten. Ver-
wendung für die Jagd scheint ausgeschlossen. Der
Häuptling führte uns den Gebrauch des Wurfholzes
mit grotesken Geberden vor, und begleitete seine
Mimik mit einem Gesang, auf den ich später noch
zurückkommen werde, wenn ich die nähere Be-
schreibung gebe.
Statt der Holzmasken trafen wir zum ersten
Male Masken aus Baumwollgeflecht, die mit Wachs
überzogen waren und als Augen Wollpfröpfchen
oder Wachsklümpchen und dickere Wachsklümpchen
als Nase hatten. Auch den Maskentanz zeigte uns
der allzeit gefällige Häuptling, indem er dabei Bogen
und Pfeil zur Hand nahm. Das Maskengesicht kam
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[Abbildung Abb. 6.
Geflechtmaske, Wurfhölzer und
Wurfpfeile der Auetö́.]
auf den vorderen Teil des Schädels zu liegen; er schaute unter ihm hinaus
durch das Buritígeflecht. Der begleitende Gesangtext bezog sich auf die Frauen.
Auch die Auetö́ zeigten eine lebhafte Neigung zu einer alle Geräte aus-
schmückenden Bemalung mit Ornamenten. Wir nannten sogar ein Haus, wo sie
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/143>, abgerufen am 23.11.2024.
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