zeigt uns den besten Vertreter dieser Abart, der unserm Reisehumor den Namen "Itzig" verdankte. Itzig war der kleinste Bakairi, aber sehr gewandt und stark und wie auf der Photographie zu sehen ist, mit einem kräftigen Brustkasten aus- gestattet, er hatte schwarzes lockiges Haar, eine breitrückige gebogene Nase und würde wohl von keinem Unbefangenen für einen Indianer gehalten werden. Wenn es ausser den Mormonen heute noch Leute giebt, die die Kinder Israels in Amerika einwandern und als Stammväter der Rothäute gelten lassen, so mögen sie Itzigs Bild als vortreffliches Beweisstück entgegennehmen. Wahrscheinlich haben sich dem Zug der verlorenen Stämme auch einige Egypter angeschlossen; wenigstens waren einige Frauen in ihrer Haartracht, besonders die "Egypterin" von dem ersten Dorf mit ihrem schmalen Gesicht und ihrer langen leicht gebogenen Nase von grosser Aehn- lichkeit mit den Frauen des alten Nilreichs, wie diese uns überliefert worden sind.
Stirnwülste fanden sich vereinzelt bei allen Stämmen, typisch jedoch, und bei den kleinen Menschen doppelt auffallend, bei den Trumai. Sie hatten auch die stärkste Prognathie und das am meisten zurückweichende Kinn; sie hatten eine schmale Nasenwurzel und geringen Abstand der Augen, während die Mehinaku durch geringe Prognathie, vortretendes Kinn, breite niedrige Gesichter und weit abstehende Augen auffielen. Die Gesichter der Nahuqua waren von denen der Bakairi durch ihren plumperen Charakter unterschieden, sie hatten, im Gegensatz zu der ovalen Form dieser, bei stark vortretenden Kieferwinkeln etwas Viereckiges und Vierschrötiges. Die feinst geschnittenen Gesichter fanden sich unter den Kamayura.
Die Iris war dunkelbraun und nur ausnahmsweise hellbraun; die Trumai hatten verhältnismässig helle Augen. Einen Nahuqua fanden wir blauäugig, er hatte in Haar- und Hautfarbe nichts Besonderes, das Haar war schwarz und ziemlich straff, er war der Vater eines jungen Mannes mit dunkelbraunen Augen, seine eigenen Augen aber hatten eine entschieden blaue Iris. Die Stellung der Augen war horizontal oder ein wenig schräg, die Form war mandelförmig, die Lidspalte bei den Bakairi häufig sehr weit geöffnet, bei den übrigen, besonders bei den Nahuqua und Kamayura ziemlich klein und niedrig. Mongolische Augen haben wir nicht gesehen, nur ein Kamayura konnte als mongoloid gelten.
Schöne Zähne waren äusserst selten. Sie waren häufiger opak als durch- scheinend, die Färbung war gelblich und nur ausnahmsweise weiss, die Stellung vielfach unregelmässig; sie waren ziemlich massig, bei den Mehinaku häufig klein und fein. Fast überall erschienen sie stark abgekaut. Man sieht nie, dass sich die Indianer die Zähne putzen oder den Mund ausspülen, was ihnen bei ihrer mehlreichen Kost recht zu empfehlen wäre. Sie gebrauchen die Zähne sehr rück- sichtslos, wenn sie keine Fischzähne oder Muscheln zur Hand haben; sie beissen ferner auch in die austerartig harten Flussmuschelschalen ein Loch, um mit dessen scharfem Rand Holz zu glätten, und zerbeissen die Muscheln, aus denen sie ihre Perlen verfertigen, eine Art der Misshandlung, die besseren Gebissen verderblich sein müsste und deren blosser Anblick mir in der Seele wehthat.
zeigt uns den besten Vertreter dieser Abart, der unserm Reisehumor den Namen »Itzig« verdankte. Itzig war der kleinste Bakaïrí, aber sehr gewandt und stark und wie auf der Photographie zu sehen ist, mit einem kräftigen Brustkasten aus- gestattet, er hatte schwarzes lockiges Haar, eine breitrückige gebogene Nase und würde wohl von keinem Unbefangenen für einen Indianer gehalten werden. Wenn es ausser den Mormonen heute noch Leute giebt, die die Kinder Israels in Amerika einwandern und als Stammväter der Rothäute gelten lassen, so mögen sie Itzigs Bild als vortreffliches Beweisstück entgegennehmen. Wahrscheinlich haben sich dem Zug der verlorenen Stämme auch einige Egypter angeschlossen; wenigstens waren einige Frauen in ihrer Haartracht, besonders die „Egypterin“ von dem ersten Dorf mit ihrem schmalen Gesicht und ihrer langen leicht gebogenen Nase von grosser Aehn- lichkeit mit den Frauen des alten Nilreichs, wie diese uns überliefert worden sind.
Stirnwülste fanden sich vereinzelt bei allen Stämmen, typisch jedoch, und bei den kleinen Menschen doppelt auffallend, bei den Trumaí. Sie hatten auch die stärkste Prognathie und das am meisten zurückweichende Kinn; sie hatten eine schmale Nasenwurzel und geringen Abstand der Augen, während die Mehinakú durch geringe Prognathie, vortretendes Kinn, breite niedrige Gesichter und weit abstehende Augen auffielen. Die Gesichter der Nahuquá waren von denen der Bakaïrí durch ihren plumperen Charakter unterschieden, sie hatten, im Gegensatz zu der ovalen Form dieser, bei stark vortretenden Kieferwinkeln etwas Viereckiges und Vierschrötiges. Die feinst geschnittenen Gesichter fanden sich unter den Kamayurá.
Die Iris war dunkelbraun und nur ausnahmsweise hellbraun; die Trumaí hatten verhältnismässig helle Augen. Einen Nahuquá fanden wir blauäugig, er hatte in Haar- und Hautfarbe nichts Besonderes, das Haar war schwarz und ziemlich straff, er war der Vater eines jungen Mannes mit dunkelbraunen Augen, seine eigenen Augen aber hatten eine entschieden blaue Iris. Die Stellung der Augen war horizontal oder ein wenig schräg, die Form war mandelförmig, die Lidspalte bei den Bakaïrí häufig sehr weit geöffnet, bei den übrigen, besonders bei den Nahuquá und Kamayurá ziemlich klein und niedrig. Mongolische Augen haben wir nicht gesehen, nur ein Kamayurá konnte als mongoloid gelten.
Schöne Zähne waren äusserst selten. Sie waren häufiger opak als durch- scheinend, die Färbung war gelblich und nur ausnahmsweise weiss, die Stellung vielfach unregelmässig; sie waren ziemlich massig, bei den Mehinakú häufig klein und fein. Fast überall erschienen sie stark abgekaut. Man sieht nie, dass sich die Indianer die Zähne putzen oder den Mund ausspülen, was ihnen bei ihrer mehlreichen Kost recht zu empfehlen wäre. Sie gebrauchen die Zähne sehr rück- sichtslos, wenn sie keine Fischzähne oder Muscheln zur Hand haben; sie beissen ferner auch in die austerartig harten Flussmuschelschalen ein Loch, um mit dessen scharfem Rand Holz zu glätten, und zerbeissen die Muscheln, aus denen sie ihre Perlen verfertigen, eine Art der Misshandlung, die besseren Gebissen verderblich sein müsste und deren blosser Anblick mir in der Seele wehthat.
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[172/0214]
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und wie auf der Photographie zu sehen ist, mit einem kräftigen Brustkasten aus-
gestattet, er hatte schwarzes lockiges Haar, eine breitrückige gebogene Nase und
würde wohl von keinem Unbefangenen für einen Indianer gehalten werden. Wenn
es ausser den Mormonen heute noch Leute giebt, die die Kinder Israels in Amerika
einwandern und als Stammväter der Rothäute gelten lassen, so mögen sie Itzigs Bild
als vortreffliches Beweisstück entgegennehmen. Wahrscheinlich haben sich dem Zug
der verlorenen Stämme auch einige Egypter angeschlossen; wenigstens waren einige
Frauen in ihrer Haartracht, besonders die „Egypterin“ von dem ersten Dorf mit
ihrem schmalen Gesicht und ihrer langen leicht gebogenen Nase von grosser Aehn-
lichkeit mit den Frauen des alten Nilreichs, wie diese uns überliefert worden sind.
Stirnwülste fanden sich vereinzelt bei allen Stämmen, typisch jedoch, und
bei den kleinen Menschen doppelt auffallend, bei den Trumaí. Sie hatten auch
die stärkste Prognathie und das am meisten zurückweichende Kinn; sie hatten
eine schmale Nasenwurzel und geringen Abstand der Augen, während die Mehinakú
durch geringe Prognathie, vortretendes Kinn, breite niedrige Gesichter und weit
abstehende Augen auffielen. Die Gesichter der Nahuquá waren von denen der
Bakaïrí durch ihren plumperen Charakter unterschieden, sie hatten, im Gegensatz
zu der ovalen Form dieser, bei stark vortretenden Kieferwinkeln etwas Viereckiges
und Vierschrötiges. Die feinst geschnittenen Gesichter fanden sich unter den Kamayurá.
Die Iris war dunkelbraun und nur ausnahmsweise hellbraun; die Trumaí
hatten verhältnismässig helle Augen. Einen Nahuquá fanden wir blauäugig, er
hatte in Haar- und Hautfarbe nichts Besonderes, das Haar war schwarz und
ziemlich straff, er war der Vater eines jungen Mannes mit dunkelbraunen Augen,
seine eigenen Augen aber hatten eine entschieden blaue Iris. Die Stellung der
Augen war horizontal oder ein wenig schräg, die Form war mandelförmig, die
Lidspalte bei den Bakaïrí häufig sehr weit geöffnet, bei den übrigen, besonders
bei den Nahuquá und Kamayurá ziemlich klein und niedrig. Mongolische Augen
haben wir nicht gesehen, nur ein Kamayurá konnte als mongoloid gelten.
Schöne Zähne waren äusserst selten. Sie waren häufiger opak als durch-
scheinend, die Färbung war gelblich und nur ausnahmsweise weiss, die Stellung
vielfach unregelmässig; sie waren ziemlich massig, bei den Mehinakú häufig klein
und fein. Fast überall erschienen sie stark abgekaut. Man sieht nie, dass sich
die Indianer die Zähne putzen oder den Mund ausspülen, was ihnen bei ihrer
mehlreichen Kost recht zu empfehlen wäre. Sie gebrauchen die Zähne sehr rück-
sichtslos, wenn sie keine Fischzähne oder Muscheln zur Hand haben; sie beissen
ferner auch in die austerartig harten Flussmuschelschalen ein Loch, um mit dessen
scharfem Rand Holz zu glätten, und zerbeissen die Muscheln, aus denen sie ihre
Perlen verfertigen, eine Art der Misshandlung, die besseren Gebissen verderblich
sein müsste und deren blosser Anblick mir in der Seele wehthat.
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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 172. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/214>, abgerufen am 21.11.2024.
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